ein Mann will immer, daß sein Weib für ihn arbeite. Das ist einmal seine Bedingung! Und nehmen Sie gar einen ohne den Segen der Kirche, dann ist’s vollends aus. Dann nimmt er sie einfach beim Schopfe und Sie dürfen gar nicht mucksen!“
„Es gibt aber doch so viele Verheiratete in der Welt!“ erwiderte Käthe und blickte ihm wieder in die im Laternenschein seltsam funkelnden Augen.
„Sollen etwa, weil eine so dumm ist, es alle übrigen sein?“ rief er fast zornig. „Wozu soll man sich ewig binden? Ist es nicht besser, man lebt so zusammen? Dann kann man sich frei geben, wenn man will und braucht sich nicht herumzustreiten sein Leben lang!“
Noch scheuer wich Käthe vor ihm zurück und fragte: „Wie kann ein anständiges Mädchen sich auf sowas einlassen? Halten S’ mich noch immer zum Narren, Herr Johann?“
Mit unbeschreiblicher Verachtung blickte er sie an. Jetzt erschien sie ihm geradezu lächerlich. So stolz war er auf seine angeblich „fortschrittlichen“ Ideen, die er in Kneipen oder von Studenten als deren Stiefelputzer aufgeschnappt, daß er sie überall als seine feste Überzeugung verbreitete, und daß er jeden niederschmetterte, der ihm widersprach.
Daher hielt er es auch nicht für angemessen, die begonnene Unterhaltung fortzusetzen. Augenscheinlich hatte er sich in ihr geirrt. Das war keine für ihn, eine, die sich verheiraten will und dabei die Fromme spielen!
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/088&oldid=- (Version vom 1.8.2018)