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die für sie bestimmte Semmel und trank den schon ziemlich abgekühlten Tee. Ihr riesiger Körper verlangte nach festerer Nahrung, da die Arbeit des Tages ihren Appetit mächtig anregte. Gleichwohl mußte sie sich mit der ihr vom Herrn zuerteilten schmalen Kost genügen lassen.

Das zu Einkäufen in der Stadt bestimmte Geld blinkte auf dem Küchentische in Gestalt zweier blanker Zwanziger. Sorgfältig wickelte sie es in ein Läppchen und legte es beiseite.

Obgleich ihr die Augen fast zufielen, wollte sie vor der Heimkehr der Herrin nicht einschlafen. Übrigens sollte sie ja die Tür wieder öffnen, die der Herr eigenhändig verschlossen hatte. Nachdem sie dies besorgt, begann sie ihr Abendgebet zu sprechen.

Vor ihrem Bette niederknieend, legte sie die abgearbeiteten Hände auf das Bettlaken. Grundsätzlich[WS 1] sprach sie allabendlich sieben Vaterunser, sieben Ave und ein Credo. Die Abspannung nach all den frischen Eindrücken trübte aber dermaßen ihren Sinn, daß sie sich kaum noch wach erhalten konnte.

„Vater unser“, begann sie, aber eine Flut von anderen Gedanken verwirrte ihren Sinn.

Unwillkürlich nahm dabei die Gestalt Johanns mit seinen weißen Zähnen und seiner blühenden Gesichtsfarbe den ersten Platz ein.

„Der du bist im Himmel…“

Johann ist entschieden ein schmucker Bursch und hat auch so breite Schultern. Warum verhöhnte er sie nur so unbarmherzig und sah sie dabei so seltsam an?

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Grunsdätzlich
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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/098&oldid=- (Version vom 1.8.2018)