den Kopf über dem Waschfaß erhob, fühlte sie sich vom kalten Wasser höchst erfrischt und warf den dicken Zopf, der ihr auf die Brust herabgefallen war, mit Behagen zurück.
Ein Weilchen stand sie so in voller Jugendkraft und Frische mit halbentblößtem Oberkörper da. Gesicht und Arme bis zu den Ellenbogen waren stark gebräunt und unterschieden sich dadurch vom übrigen Körper.
Eine Purpurwelle gesunden Blutes pulsierte in diesem kernigen Körper, welcher nach Genuß verlangte und vom praktischen Verständnis für die sinnlichen Seiten des Lebens zeugte, welche die Welt vor ihr nicht verborgen hatte.
Aufgewachsen unter Leuten, die ohne alles Schamgefühl ihre Kinder in die tiefsten Geheimnisse des häuslichen Zusammenlebens einweihen, wußte sie von allem und sah nicht selten Bilder, welche die Gebildeten mit dichtem Schleier verhüllen.
In dieser Beziehung war sie also vollständig aufgeklärt, da man sie schon als Kind in allen Winkeln herumstieß und sie alles mit ansehen und hören ließ, ohne Rücksicht auf ihre Jugend und ihr mädchenhaftes Zartgefühl.
Trotz alledem aber schlummerte ihr Körper noch lange Zeit und entwickelte sich nur langsam, indem er das Material zum Prachtbau weiblicher Formen vorbereitete.
Jetzt, wo diese Entwicklung nahezu vollendet war, erwachte in dem Riesenkinde das – Weib mit
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)