Um Käthe vor dem Zorn des Gatten zu schützen, hatte sie, als dieser beim Lesen vorjähriger Zeitungen eingenickt war, sich leise in die Küche geschlichen, um alles für den Tee vorzubereiten. Dazu trieb sie übrigens das ganz natürliche Gefühl der Dankbarkeit. Da Käthe allein ihr die nächtlichen Ausflüge ermöglichte, hielt sie sich für verpflichtet, sie wenigstens auf diese Weise für ihre uneigennützigen Dienste zu entschädigen.
In ihrer beschränkten Denkungsart glaubte sie, auch Käthe kehrte heim von irgend einem zärtlichen Stelldichein. Daher sah sie mit einer Art krankhafter Neugier sie an, als wolle sie erforschen, ob alle Leute auf dieselbe Weise sich lieben und diese Liebe ebenso äußern.
Käthes Liebster mußte ebenso kerngesund und vierschrötig sein, wie sie; sonst wäre dies ein höchst lächerliches Paar.
„Hast du dich gut unterhalten? Wo warst du denn?“ fragte sie plötzlich das am Samowar beschäftigte Mädchen.
„Ach, gnädige Frau! Wo soll ich wohl gewesen sein? In der Kirche war ich die ganze Zeit!“ erwiderte Käthe, indem sie das Haupt erhob.
Frau Julia wunderte sich nicht wenig darüber. Sie selbst ging nur Sonntags früh zur Messe in die Kirche, wenn es dort hell war und alle Leute hingingen.
Was sollte sie dort nachmittags in der Kellerluft anfangen, geschweige denn dort sitzen bis in die späte Nacht.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)