anderen Leuten nicht den Weg!“ rief das Weib und stemmte die Arme in die Seiten.
Käthe wich nicht von der Stelle und flüsterte nur: „Ihr seid doch auch ein Weib und müßt ein mitleidiges Herz haben. Der Stamm ist groß genug, wir haben beide Platz!“
Ein Weilchen stand das Weib da, unschlüssig, was es tun solle. Endlich überwog das Mitleid den Unwillen, und, die Hand schwenkend, setzte sich die Unbekannte neben Käthe, indem sie die schlecht beschuhten Füße auf die feuchte Erde stemmte.
„Wie kommst du hierher, wohin du nicht gehörst, das sieht man dir an? Denn du hast kein rechtes Maulwerk. Jede andere hätte längst ihre Galle an mir ausgelassen. Na, weil ich dich so gut behandle, so sage mir, was führte dich hierher?“
Käthe zögerte noch mit der Antwort.
Dieses abscheuliche Weib mit seinem Schnaps- und Schmutzgeruch erregte ihren Widerwillen. Der Fuseldunst verstärkte ihre Mattigkeit und betäubte sie vollends.
Gleichwohl mußte sie ihr doch antworten: „Ich bin jetzt ohne Stelle und weiß nicht, wo ich nächtigen soll…“
„Aha!“ entgegnete die Unbekannte. „Das ist dein Kummer? Ich nächtige hier seit vier Jahren und mir geht es ganz gut. Ich habe freie Wohnung und brauche das Bett nicht zu waschen.“
Dabei zog sie ein Brot hervor und begann begierig zu essen.
Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/357&oldid=- (Version vom 1.8.2018)