Seite:Zapolska Käthe.djvu/387

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Wodniecki aber sah, ganz durchdrungen von seiner Arbeit, in ihr nicht das Weib, sondern nur das echte Modell und die in Galizien sich nur selten bietende Gelegenheit, ein solches zu finden, da das Modellstehen hier noch nicht zum Geschäfte geworden ist.

Männliche Modelle mußte der Künstler bisher unter Kollegen suchen, weibliche dagegen nur in schmutzigen Kneipen und Gassen unter den niedrigsten Volksschichten.

Nur jene „Nixe“ schuf er nach einer armen, aber ehrbaren Magd seiner Schwägerin.

Heute stand die zweite in Käthes Person auf der aus Brettern hergestellten kleinen Erhöhung, lebhaft errötend im Glanze des Frühlingsmorgens.

Nachdem er schon eine Stunde eifrig gearbeitet hatte, dabei aber ganz vernünftig geblieben war, beruhigte sie sich allmählich bei dem Gedanken, daß er ihr nichts antun werde, obgleich sie so halb entkleidet vor ihm stand.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und hereintrat ein Herr, der durch sein Äußeres sofort seinen wunderlichen Charakter und sein Haschen nach Originalität kennzeichnete.

Der Hut saß schief auf dem linken Ohr. Die Hände steckten in den Taschen des kurzen Sackpaletots; der Schnurrbart war fast bis zur Nase hochgedreht und der Blick schweifte unstät von einem Gegenstande zum andern – kurz, alles an ihm erschien aufdringlich und erkünstelt, und gab ihm den Anstrich einer beweglichen Gliederpuppe.

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/387&oldid=- (Version vom 1.8.2018)