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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1

betrachtet als die des Liberalismus, denen man wenigstens nicht die Legitimität des Tatsächlichen streitig machen kann, eine Legitimität, die in mehr realistischer Form als die Macht des Geldes oder des Kapitals oder der hohen Finanz gedeutet wird.

Merkwürdig ist nun aber, dass gerade jenes liberate Schlagwort — das Recht auf Arbeit — eine nicht geringe Bedeutung in der Entwicklung des Sozialismus und der sozialen Bewegung erlangt hat, wenn auch diese Bedeutung nur sporadisch und vorübergehend in mehreren Ländern zur Geltung gekommen ist: zuerst in Frankreich, dann im Deutschen Reiche, in Grossbritannien und neuerdings überall, besonders in mehr entlegenen Ländern, wo die kommunistische Theorie dankbaren Boden findet, die sich aller ihr brauchbar erscheirienden Mittel bemächtigt. — Überall, wo die Formel auftrat und ihr Haupt erhob, ist sie auch lebhaft und heftig erörtert word en. Man hat mit gutem Grunde ihr Unklarheit und mangelhafte logische Beschaffenheit vorgeworfen. Denn wenn es offenbar den Begriffen des Naturrechts und der durch die grosse Revolution weltberühmt gewordenen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte zwar nicht entlehnt, aber nachgebildet wurde, so unterscheidet sich doch das Recht auf Arbeit von allen jenen subjektiven Rechten, die eine Freiheit, also eine Möglichkeit der Erlaubtheit bezeichnen — denn es kann nicht wohl die Freiheit zu arbeiten gemeint sein, weil dieser zwar manche andere Hindernisse, aber nicht solche des objektiven Rechtes gegenüberstehen. Freilich der Zwang zur Arbeit, der diese Freiheit am deutlichsten verneint, wird eben deshalb als Unrecht angeklagt, aber ihn meint wieder unsere Formel nicht, vielmehr setzt sie seine Abwesenheit voraus und will behaupten, dass es ein natürliches Recht auf freie Betätigung der Arbeitskraft, die ein Mensch sein eigen nennt, gegenüber den tatsächlichen Hemmungen gebe, die aus den Umständen der sozialen Lage des einzelnen Menschen, also aus der gesamten sozialen Verfassung, in die er hineingeboren oder -geraten ist, mithin auch aus dem positiv geltenden Recht, regelmässig hervorgehen.

I.

Die jüngste und, wie mir scheint, gründlichste Studie über das Recht auf Arbeit rührt von einem norwegischen Gelehrten her[1], der aber eine Zeit lang in Kiel gewirkt hat und daher auch in deutschen Landen bekannt geworden ist. Prof. Bosse hat sein erstes grosses Werk, das aus einer Kieler Dissertation erwachsen

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_1.pdf/69&oldid=- (Version vom 30.8.2022)
  1. Ewald Bosse, Ar Arbeidslaeren : Retten til Arbeide. Oslo 1933.