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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1

habe. — In einem folgenden kurzen Abschnitt geht Bosse auf die Arbeitspflicht und auf die Gedanken des Popper-Lynkeus ein, dass eine Arbeiterarmee geschaffen werden müsse, um die Herstellung aller notwendigen Produkte sicherzustellen, während man die Herstellung aller Luxuserzeugnisse der freien Industrie lassen solle. Dies führt den Verfasser auf die Arbeitsdienstpflicht und die Versuche ihrer Verwirklichung in Peru, Bulgarien und Rumänien. Auch wird der merkwürdigen Ergänzung Erwähnung getan, die der Staat Norwegen im Jahr 1921 der allgemeinen Wehrpflicht beigefügt hat, indem eine zivile Arbeitspflicht denen auferlegt wurde, die aus religiösen Beweggründen den Kriegsdienst ablehnen.

V.

Die beiden letzten Kapitel wollen die dem Verfasser wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen. Das achte kommt auf die soziologische Seite des Problems zurück. Es handle sich bei der Korrelation von Recht und Pflicht um das wesentliche und allgemeine Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft in dem von mir dargestellten Begriffe der Gemeinschaft. Der Gemeinschaftsgeist sei neu geboren und mächtig gepflegt worden unter dem Einfluss des grossen Krieges, und es sei Grund für die Erwartung gegeben, dass eine grosse Wandlung der Denkungsart bevorstehe, die bisher als ausgeprägt egoistische und auf Formen der "Gesellschaft" begründet vorgewaltet habe — man dürfe diesen Gedanken nicht sozialistisch nennen, er habe mit Politik nichts zu tun. Der Gedanke einer ethischen Erneuerung und der Glaube daran innerhalb der gegenwärtigen Zivilisation gelangt also auch hier zu einem wohlverstehbaren, obschon fragwürdigen Ausdruck.

Das letzte Kapitel (9) kommt auf die Frage zurück, wieweit das Recht auf Arbeit sich vereinigen lasse mit der auf dem privaten Eigentumsrecht beruhenden Gesellschaftsordnung, ob es etwa eine ganz neue Gesellschaft zur Voraussetzung habe. — Die Entwicklung selber gebe darauf die Antwort. Der Verfasser unterstreicht hier nochmals, das Recht auf Arbeit sei niemals Sozialpolitik gewesen und werde es niemals sein, sondern es sei im objektiven Sinne soziales Recht, von Natur, dürfen wir hinzusetzen. Sonst — wenn es Sozialpolitik wäre — sei es allerdings vereinbar mit der bestehenden Gesellschaftsordnung. Die Gründe dagegen seien ökonomisch, juridisch, soziologisch: sie werden der Reihe nach durchgenommen. 1. Es wäre eine bedeutende Ausdehnung des Staatseigentums und ein gewisses Mass von Konsumzwang unumgänglich. Das russische Experiment lehre, dass die Oberführung aller agrikolen Betriebe in Staatshand unpraktisch und undurchführbar sei.

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_1.pdf/77&oldid=- (Version vom 21.10.2022)