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Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1

Staatswerkstätten für die Arbeitslosen würden die Folge sein, also "Staatssozialismus". So werde in relativ kurzer Zeit die Einrichtung des Rechts auf Arbeit das private Eigentumsrecht aushöhlen und es schliesslich vernichten. — 2. Die juridische Grundlage für das Recht auf Arbeit ist ein subjektiver Anspruch an den Staat, der mit einem Klagerecht ausgestattet sein muss. Schon dadurch werde eine unermessliche Ausdehnung der Staatstätigkeit bedingt. Andere juristische Schwierigkeiten kamen hinzu, besonders wegen der Arbeitsdienstpflicht, die noch nicht ohne Zwang durchführbar wäre, und der sei mit den heute lebendigen Freiheitsbegriffen kaum vereinbar; auch wären die damit verbundenen Kosten ungeheuer. — 3. Noch kommen soziologische Bedenken hinzu. Viele Streitfragen würden sich erheben, z. B. ob die Arbeitspflicht auf geistige Arbeiter angewendet werden solle u. a. Russland habe allen diesen Schwierigkeiten begegnen wollen, habe aber allerdings auch die alten Ordnungen völlig zerstört.

Epilog.

Mir scheint, gerade weil ich die Erwägungen Bosses für begründet halte, durchaus geraten, das Problem des Rechts auf Arbeit von dem Problem einer Veränderung der bestehenden Gesellschaft und ihres Staates scharf zu unterscheiden und streng getrennt zu halten; darum auch jenes ebenso zu scheiden von dem Wunsch und guten Willen, die Arbeiterklasse in ihren Bestrebungen zu unterstützen und die periodische Wiederkehr der Arbeitslosigkeit so sehr als möglich zu verhüten. Man kann das letzte Problem nicht nüchtern und praktisch genug anfassen; wenn man diesen Grundsatz anerkennt, so wird man auf die Sozialpolitik zurückgeführt, mit der das Recht auf Arbeit nach Bosses Urteil nichts gemein hat. Wenn wir dies, seiner Darstellung gemäss, zugeben, so ist damit nicht eingeräumt, dass das Recht auf Arbeit als "Institut" notwendig oder sogar das einzige Mittel sei, die periodische Arbeitslosigkeit mit Erfolg zu bekämpfen. Denn die Sozialpolitik, wie sie in allen heutigen Staaten eine regelmässige Praxis geworden ist, will die Gesellschaft, die als .Objekt ihrer Theorie und Praxis gegeben ist, weder unbedingt erhalten noch unbedingt zerstören, wohl aber unbedingt, und zwar im Sinne der grossen Menge des arbeitenden Volkes so verbessern, wie es auf die schmerzloseste und sicherste Weise geschehen kann.

Man kann sich wohl vorstellen und als begründet erkennen, dass die industrielle oder besser die gesamte Arbeiterschaft als Klasse den Anspruch erhebe, einen bestimmten, nach ihrem eigenen Urteil

Empfohlene Zitierweise:
Max Horkheimer (Hrsg.): Zeitschrift für Sozialforschung, 4. Jg 1935, Heft 1. Librairie Felix Alcan, Paris 1935, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Sozialforschung_-_Jahrgang_4_-_Heft_1.pdf/78&oldid=- (Version vom 28.10.2022)