Hauptrad, das alles in Bewegung bringt, in Bewegung erhält, und mit seinem unübertreflichen Fuchscharakter dem Ganzen ein immer wachsendes Intereße mittheilet. Man lieset eine Fabel der Welt, aller Berufsarten, Stände, Leidenschaften und Charaktere. Eine Känntniß der Menschen, der Höfe, der Geschlechter, des Laufs der Begebenheiten ist in ihm bemerkbar, daß man beständig vor dem köstlichen Spiegel zu stehen glaubt, von welchem der Fuchs so angenehm lüget; und die Scenen der größesten Gefahr werden natürlich auch die lehrreichsten, die intereßantsten Scenen. Alles ist mit Kunst angelegt, ohne im mindesten schwerfällig zu werden; die Leichtigkeit des Fuchscharakters half nicht nur dem Reineke, sondern auch dem Dichter aus; sie half ihm zu sinnreichen Wendungen, in einer Leichtigkeit und Anmuth, die ihn bis zur letzten Zeile begleitet. Ich gestehe, daß dies alles der angenommenen Theorie ziemlich entgegen sei, und daß, wenn man mir von einer Thierfabel, die durch lange
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)