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die unkenntlich gemachte Tote war, – diese herausgeputzte Frau, die ein Taschentuch bei sich getragen, das dem auf dem Korbsessel in allem glich: Stoff, bunter Rand, Patschuligeruch und rote Fettschminke-Flecken! – Er mußte es herausbringen, koste es, was es wolle. Geld – davon besaß er ja übergenug.

Es klopfte an der Tür nach dem Flur. – Endlich – es war Karl Malke. Harst sah ihm sofort an, daß er besondere Nachrichten mitbrächte.

„Setz’ dich! Lege los! Du bist vollgepfropft mit Neuigkeiten,“ meinte er freundlich.

„Merken Sie mir das denn an, Herr Assessor? – Ne – hab’n Sie ’n Blick! – Es stimmt nämlich!“ Und er erzählte, daß der Hagere vor dem Schaufenster einer Dame aus der Handtasche die Börse herausgefischt und daß jener darauf bei Kempinski zu Mittag gegessen hätte. „Ein Glück, daß ich so ne anständige Kluft habe. Sonst hätten sie mich bei Kempinski nich reingelassen. Ich habe dort auch gegessen. Von den zwanzig Mark zu Auslagen, die Sie mir gaben, ist nun nicht mehr viel übrig, denn nachher ging der Lange noch ins Tauentzien-Cafee, dann schließlich nach Hause. Er wohnt Kantstraße 5, drei Treppen in einem Pensionat. Ich hab’ aus dem Sohn vom Hauswart dort auch den Namen rausgelockt? Violinenkünstler Arpad Czigan. – Ein netter Violinenkünstler! Taschendieb ist er – nischt weiter!“

„Du hättest Dir diese Mühe sparen können, Junge,“ meinte Harst. „Trotzdem, wenn du wieder mal zu solchen Feststellungen Gelegenheit hast, spiele nur abermals den heimlichen Verfolger, – zur Übung! – Den Rest von den zwanzig Mark behalte. Hier hast Du weitere Fünfzig für notwendige Auslagen.“

Karl schob etwas enttäuscht ab. Er hatte gehofft, Harst[1] würde den Hageren von ihm beobachten lassen. Er bedauerte, jetzt wieder „ohne Arbeit“ zu sein. Das Abenteuer heute hatte ihm so viel Spaß gemacht, wenn ihn auch die Kellner so merkwürdig lächelnd bei Kempinski und im Tauentzien betrachtet hatten.




  1. Vorlage: Horst
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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)