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Selbstmord (Die Gartenlaube 1853)

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Selbstmord
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 166
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[166] Selbstmord. In Berlin macht augenblicklich der Selbstmord eines jungen reichen Arztes, Namens Amort viel von sich reden. Die Feuerspritze sagt darüber: Der Selbstmord des Dr. Amort ist eine jener Schauder erregenden Thaten, in denen die Furie des Wahnsinns unter der Maske geistiger Gesundheit erscheint, einer Maske, welche uns das Lächeln frohen Lebensmuthes vorlügt, während unter derselben der mordgierige Hohn der Selbstvernichtung grinzt. Dr. Amort sah aus wie der Urtypus üppiger Lebensfülle und glücklicher Behaglichkeit. Seine Persönlichkeit besaß diese Eigenschaften in solchem Grade, daß sie dadurch auffiel. Es mag wenige Berliner geben, die ihn nicht wenigstens von Ansehn gekannt haben. Kaum 30 Jahr alt und mittelgroß, besaß Dr. Amort eine fast übermäßige Leibesfülle und ein breites pausbackiges Gesicht, dessen alabasterweißer Teint und strotzende Röthe mit den feinen Conturen und den geistvollen, gutmüthig blickenden Augen einen zugleich angenehmen und burlesken Eindruck machten. Dieser Contrast zwischen Anmuth und Burleske, der ihn überhaupt charakterisirte, fand auch in seiner eleganten Kleidung und dem formlosen weißen Filzhut einen Ausdruck. Amort war reich, körperlich gesund, geistig reich begabt, gebildet, voll Humor und Jovialität, ein guter Gesellschafter und als solcher in den besten Häusern gern gesehen und selbst gesucht, ein Ehrenmann durch und durch, gutmüthig, theilnehmend, als Freund zu jeder Aufopferung bereit und fähig. Er liebte die sinnlichen Genüsse des Lebens, aber in fast noch höherem Maaße die geistigen. Er hatte zuerst Jura, dann Medizin studirt, interessirte sich aber zugleich lebhaft für die schöne Literatur und war Freund und Kenner der Künste. Und dieser Mann, der so durch und durch berufen war, das Leben in seiner reichsten Fülle zu leben, hat seinem Dasein durch Selbstmord ein Ende gemacht, ohne andere Ursache, als weil vielleicht an einer einzigen Fiber seines Hirns ein Tropfen erblichen Giftes haftete. Bereits mehrere Mitglieder seiner Familie sind Opfer dieser selbstmörderischen Manie geworden. Grauenvoll ist die Ruhe, wir möchten sagen die Behaglichkeit, womit Amort die That ausführte. Er war am Mittwoch noch mit einigen Freunden in einem Kaffeehause zusammen, aß, trank, scherzte, – während bereits auf dem Tisch in seinem Zimmer der Brief lag, in welchem er den Freunden mittheilte, daß sie morgen seine Leiche finden würden, und in seinem Pult das Testament, worin er über seine Effecten, Bücher, Pretiosen etc. zu Gunsten seiner Freunde verfügte. Dieser rothwangige, lebensüppige Genußmensch war bereits eine designirte Leiche; dieser frische, joviale Geist wandt sich heimlich unter der Martergeißel des Wahnsinns! Entsetzlicher Betrug, wenn strotzende Gesundheit und leuchtender Geist so heimtückisch lügen! – Als man Amort’s Leiche bei Moritzhof aus dem Wasser zog, ging eben der Dr. L... vorüber, und erkannte mit Entsetzen in der Leiche seinen ehemaligen Schüler. Amort hinterläßt ein bedeutendes Vermögen. Weder Noth und Sorgen, noch unglückliche Liebe oder gekränkter Ehrgeiz haben ihn zu dem traurigen Schritt freiwilliger Selbstvernichtung getrieben. Er war geliebt und geachtet in allen Kreisen, in denen er sich bewegte. Seine That kann nichts sein, als die gräßliche Wirkung eines verhüllten Wahnsinns, einer Monomanie, deren finsteres inneres Getriebe in die unerforschlichen Irrgänge der menschlichen Seele führt.