Senta erblickt den Holländer
[756] Senta erblickt den Holländer. (Zu dem Bilde S. 745.) Den Vater zu begrüßen, der aus Sturmesnot glücklich im Hafen gelandet ist, wendet sich Senta der aufgehenden Thüre zu, und herein tritt über die Schwelle, vom Vater geleitet, die hohe Gestalt des bleichen fremden Mannes, dessen ernste Züge ihr so innig vertraut sind. An der Wand der Stube hängt ja seit langem sein Bildnis, das Bild des Unseligen, dessen ergreifendes Schicksal sie aus der düsteren Ballade kennt, die ihr als Kind schon die Amme vorgesungen. Eben erst hat sie wieder in Träumen vor dem Bilde gestanden und das Lied vom „Fliegenden Holländer“ ward auf ihren Lippen lebendig: das Lied von dem einsamen kühnen Seefahrer, den ein voreiliger Fluch in die Gewalt Satans geraten ließ und der nun rast- und ruhelos durch die Meere im schwarzen Gespensterschiff dahin fahren muß, ohne ein winkendes Obdach, und nur erlöst werden kann durch ein liebendes Weib, dessen Treue kein Makel trübt. Nur alle sieben Jahre darf er einmal vor Anker gehen, um den Versuch zu wagen: aber so oft es bisher geschehen, nie fand er das Weib, das die Treue ihm hielt. Und nun tritt er Senta leibhaftig entgegen; sie liest den unnennbaren Gram aus seinen Leidensmienen und aus seinen Augen die heiße Bitte, die um Erlösung fleht. Da leuchtet dem Gast aus den ihren das Bekenntnis entgegen, daß sie bereit ist, ihm ihr Herz zu weihen, und das Hochgefühl schwellt ihre Brust, daß sie den Schwur der Treue ihm halten werde durch Zeit und Ewigkeit. Sie vergißt in diesem Augenblick, daß ein andrer schon früher von ihr den gleichen Schwur empfing, und ahnt nicht das tragische Verhängnis, das sich vorbereitet, indem sie dem Jäger Erik dem Holländer zulieb die Treue bricht. – Die aus der romantischen Oper Wagners wohl allen Lesern bekannte Scene hat auch der Maler unsres Bildes verstanden, ergreifend zur Anschauung zu bringen.