Sie weinet ja, wie wir, mein Kind!
„Sie weinet ja, wie wir, mein Kind!“
Wohl segnen schon die zweiten Halmen
Den Acker, wo die Feldschlacht war,
Wohl hallten schon die zweiten Psalmen
Auf von des Friedens Hochaltar.
Die großen Feste kehren wieder,
Der Freuden Rose wird gepflückt,
Wo zu dem Tag der deutschen Lieder
Mit Fahnen sich die Straße schmückt.
Beim Jubelmahl – seht, sie erheben
Für Sieg und Ehre hoch das Glas!
Sie lassen selbst die Todten leben –
Und auf den Gräbern wächst das Gras.
Lebt denn kein Schmerz von festrer Dauer?
Such’ nur, wo ihn der Tag nicht sieht:
Der Wittwen und der Waisen Trauer,
Die in die stillen Winkel flieht!
[411]
Da windet sich das Herz im Leide,
Und gleich ist’s, wie es sich versteckt,
Ob es das Prachtgewand von Seide,
Ob es des Lumpens Hülle deckt.
Oft faßt das Mitleid Beider Hände,
Du hörst das Wort, so leis’ und lind:
„Geh’, gieb der armen Frau die Spende,
Sie weinet ja, wie wir, mein Kind!“