Sonette II (Louise Otto)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
<<< >>>
Autor: Louise Otto
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Sonette
Untertitel:
aus: Mein Lebensgang. Gedichte aus fünf Jahrzehnten. S. 156-158
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1850-1860
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Moritz Schäfer
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[156]
Sonette.


I.

Du weißt, wie ich in meiner Kindheit Tagen,
Die wie ein Märchen traumdurchwebt verronnen,
Ein hohes Bild den Dichtern abgewonnen,
Die mich erquickt mit ihren Heldensagen.

5
Ein Ritter, der die Laute bald geschlagen,

Und bald das Schwert geführt, kühn und besonnen,
Mit goldnem Haar und blauer Augen Bronnen –
Es war Dein Bild, das ich in mir getragen!

Wie ich Dich sah – da stand es vor mir wieder,

10
Verwirklicht waren die Heroen-Lieder,

Die ich als Spiel der Phantasie verklagt.

Fast sank die stolze Jungfrau vor Dir nieder,
Und daß Du selbst ihr Deine Lieb’ gesagt,
Das hatte sie zu denken nie gewagt!

[157]
II.


15
Entsetzt lag ich vor Deinen Eisengittern,

Weil ich umsonst gestrebt Dich zu erretten,
Indes sie Dich auf hartem Pfühle betten.
Trank ich den Kelch der Leiden still, den bittern.

Doch hört ich auf zu bangen und zu zittern,

20
Wallfahrend zog ich zu den Kerkerstätten,

Und Liebes-Rosen wandt ich in die Ketten,
Und Sonnenaufgang folgte den Gewittern.

Ein neuer Himmelsruf war mir ergangen:
Den Heldenkämpfer, der so lang gefangen.

25
Empor ob allem irdschen Leid zu heben,


Ich durft ihn aus dem Kerker nicht befreien,
Ich durfte mehr: den Kerker selber weihen,
Dem Dichtergeiste neue Schwingen geben.

III.

Mir ist so froh, mir ist so leicht zu Sinnen,

30
Und doch trennt uns des strengen Kerkers Gitter,

Und zeigt mir ganz, wie das Geschick so bitter,
Das mich nach kurzem Gruße treibt von hinnen.

Das ist die Macht im selig süßem Minnen,
Wie es mit Dir mich eint, mein holder Ritter!

35
Da wird der Schmerz zum fliehenden Gewitter

Von dem die Fluren Segen nur gewinnen!

[158]
Der Himmel über uns er bleibt uns offen,

Die Sonne bleibt in ihrem Glanze thronen,
Und Märzenluft, die kündet Frühlingszeit!

40
Drum laß nicht ab vom Gottvertraun und Hoffen:

Der Liebe schönste Paradieseszonen
Erwarten uns noch so viel Qual und Leid!

IV.

O sage nicht, daß draußen Lenz und Leben
Und Glück[1] und Freiheit ihr Panier entfalten,

45
Ich sah die Welt sich anders ganz gestalten

Seit diese Kerkermauern Dich umgeben!

Laß mich auf Flügeln an Dein Gitter schweben –
Die Menschheit ist was wir von ihr gehalten;
Hoch ob uns allen herrscht des Schöpfers Walten,

50
Der heute stürzt und morgen kann erheben!


Doch über allen Hader unermessen,
Der noch die Welt zerwühlt mit spitzen Waffen
Vom Sonnenaufgang bis zum Niedergange:

Ward doch das ew’ge Werde nicht vergessen,

55
Das jedem Herzen seine Welt erschaffen.

„Ich liebe Dich!“ spricht es im Jubelklange.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gück