Spottvögel (Die Gartenlaube 1884)
[684] Spottvögel. (Mit Illustration S. 681.) Die armen Mönche! Wie ist ihnen mitgespielt worden von alters her bis auf den heutigen Tag! Der Volkshumor hat sie bei den Ohren genommen, der Humor der Bildung gleichfalls, schon vor den bösen und wundervollen „Dunkelmännerbriefen“, und der Münchener Malerhumor spielt seit Grützner’s Vorliebe für sie Fangball mit ihnen.
Es ist wahr, sie tragen viel Schuld daran, daß das Alte so wacklig und morsch wurde und reif, zu Grunde zu gehen. Aber sie haben das deutsche Schulwesen, die deutsche Literatur, das deutsche Bibliothekswesen, die deutsche Gelehrsamkeit – und den deutschen Weinbau begründet.
Alle diese Dinge bis auf den letzten Punkt: weil sie Mönche waren. Nur den einen letzten: obgleich sie Mönche waren.
Warum haben sie sich nicht darauf beschränkt, den Wein zu pflegen und zu cultiviren? Warum haben sie ihn getrunken? Pfui, es ist grausam, das zu sagen; ja unverständig. In der That: nur mit dem Trinken haben sie die feinen Zungen bekommen, und mit den feinen Zungen das Streben nach dem Ideal einer Johannisberger Auslese. Ist es menschlich und gerecht, ihnen eine Lauge von Spott überzugießen, weil sie zuweilen über die Grenze dessen sich nicht klar werden konnten, was sie vertrugen? – „Es irrt der Mensch, so lang er strebt.“
Sie haben ihre Würde zum Besten derer geopfert, die nun ihre Schelmerei mit ihnen treiben.
Dieser musikalische Reitersmann aus der Wallensteinzeit auf unserem Bilde, welcher eine der frühesten Pfeifen in Europa raucht, könnte Besseres thun, als den ebenso ehrwürdigen wie gut gepflegten Kuttenträger im Schlafe zum Besten zu haben. Er ist ebenso ein wunderbares Ungeheuer, wie die lachende Schankdirne mit den beiden fragwürdigen Gestalten im Hintergrunde. Und sie sollten am allerwenigsten Spott mit einem Manne treiben, dem sie über kurz oder lang doch alle ihre Sünden anvertrauen müssen und durch dessen Vermittelung allein sie ihrem Seelenheile einen Schritt näher rücken können. V. B.