Spruner-Menke Handatlas 1880 Karte 01
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- Europa Nr. 1. Europa z. Zeit Odovacar’s (476–493). Mst. 1 : 15 000 000. – Nebenkarte: Südwestliches Europa um 525 n. Chr. Mst. 1 : 15 000 000. Von Th. Menke.
Der Umfang des vandalischen Reichs um 476 erhellt aus den Concilsacten, ebenso der des westgothischen Reichs in Provence.
Die Ausdehnung des Reiches des Syagrius, die der Franken und der Alamannen um dieselbe Zeit lässt sich nur im Allgemeinen angeben. Für die Letztgenannten sind die werthvollen Angaben des Athanarid benutzt, ebenso die Vita S. Lupi. Ein bestimmterer Anhaltspunct für die Bestimmung der damaligen Grenzen der Alamannen würde gewonnen sein, wenn sich meine Ansicht bewährte, dass dieses Volk seine Gaue ohne Rücksicht auf die Grenzen der römischen civitates (d. h. der geistlichen Diöcesen) constituierte und sich dadurch von den Burgundern und Franken – von den frühesten Niederlassungen der Letzteren abgesehen – unterschied. Leider ist das mir bis jetzt zugänglich gewordene Material über Franche comté zu dürftig, um die Sache vollständig ins Klare zu bringen.
Da das Reich der Thüringer bis an den Regen reichte, so müssen vom späteren Ostfranken und Baiern auch diejenigen Gaue, die die Verbindung zwischen dem im Norden des Thüringer Waldes gelegenen Thüringen mit jenem südlichen Theile ermöglichen, zu ihm gehört haben, und zwar mit Ausschluss des von Athanarid als alamannisch bezeichneten Würzburg. Zum thüringischen Reiche sind demgemäss gezogen die Gaue Grapfeld, Tullifeld, Hasagewe, Folcfeld, Iphigowe, Nortgowe. Nördlich von der Unstrut gehörten die Gaue der späteren Halberstädter Diöcese, deren einer den Namen Norththuringia bewahrte, sowie wahrscheinlich auch die später von Slawen bewohnten Gaue zwischen Bardengowe und Elbe zu diesem Reiche. Ich war zu der Annahme geneigt, dass die im achten Jahrhundert den Thüringern benachbarten Parathani (Porahtani, V. S. Emmerammi, A. SS., Sept. VI) Bewohner des Bardengaues seien; aber nach Müllenhoff’s gewichtiger Autorität widerstrebt diese Identification der Grammatik der deutschen Sprache. Die Form könnte allerdings durch Vermittelung von Slawen (s. die slawische Gaue auf Nr. 33) an den Verfasser der Vita S. Emmerammi gekommen sein. Ich vermag aber nicht zu entscheiden, ob so aus den Bardengowe-Bewohnern Parathani (Porahtani) geworden sein können. Ebenso wenig finde ich ein slawisches Volk, auf das das Wort bezogen werden könnte. Die Boructuarii (Zeuss 354) können aus geographischen Gründen nicht gemeint sein.
Wie weit das thüringische Reich im Beginn des Mittelalters sich nach Osten erstreckte, lässt sich nicht ermitteln.
Auch über die Lage der Reiche der Rugier, der Langobarden und der Heruler ist die Ueberlieferung ungenügend.
Zu den Sachsen gehörten damals noch nicht die Boructuarii und die Gaue zwischen Ocker und Elbe.
Baiovarier erscheinen erst später.
Dass damals bereits Slawen an der Elbe, Oder und Weichsel sassen, ist nicht nachweisbar. Ihr Vordringen dahin hängt wohl mit der grossen slawischen Völkerwanderung zusammen, die ein Jahrhundert später eintrat.
Die Nebenkarte zeigt eine wesentliche Veränderung der Grenzen im westlichen Europa. Die Franken haben das Reich des Syagrius unterworfen, einen Theil der Alamannen mit sich vereinigt und den Westgothen die beiden Aquitanien und Novempopulana genommen. Die Burgunder sind im Besitze eines andern Theils alamannischer Gaue (die Concilsacten geben darüber genaue Auskunft), und die Alamannen selber haben ihre Sitze nach Süden erweitert. Ihre dortigen Niederlassungen (im ducatus Raetiarum) stehen bereits unter dem mächtigen Reiche der Ostgothen, die unter Aufgebung ihrer Niederlassungen, die sie im Beginn des Mittelalters im oströmischen Reiche hatten, Dalmatien und das Reich des Odovacar occupiert haben.