St. Ottilien (Volkssagen)
(„Ansichten der Stadt Freiburg und ihrer Umgegend.“ Acht Kupfertafeln mit Text Hft. II. Nr. 3. St. Ottilien. – „Freiburg mit seinen Umgebungen“ von H. Schr. III. Aufl. Mit neun Stahlstichen, einem Plane der Stadt und einer Karte der Umgebung. S. 421. ff. „Kaum über eine andere Stelle der Umgebung Freiburgs, ist ein höherer Zauber der Natur verbreitetet; kaum ladet eine andere mehr zum Besuche, mehr zur Wiederkehr ein.“)
Das Glöcklein läutet aus der Waldkapell’
Zum Himmelsfrieden aus dem Weltgewühle,
Und nieder steig’ ich zu dem Wunderquell
In des umgitterten Gewölbes Kühle.
Ich wasche mir die Augen wieder klar;
Zurückversetzt bin ich in ferne Tage,
Lebendig wird mir dieser Berge Sage.
Fort ist jedwede Spur von Menschenhand;
Nichts seh ich mehr, als eine Felsenwand,
Ringsum nur Wald, dicht von Gesträuch durchwunden.
Ich höre keinen Laut, als nur ganz weit
Den Schlag der Drossel durch die Einsamkeit,
Da rauschts und knisterts plötzlich in den Zweigen.
Und eine holde Jungfrau stürzt hervor,
Scheu wie ein Reh und bleich wie eine Lilie,
Und kniend schreit zum Himmel sie empor:
Dicht hinter mir sind die Verfolger her,
Die wunden Füße tragen mich nicht mehr;
O rette mich vor dem verhaßten Freier,
Und hülle gnädig mich in deinen Schleier.“
Wildjubelnd Ritter mit Gefolge dringen;
„Hier ist sie.“ ruft es roh von Mund zu Mund,
„Das scheue Bräutchen kann nicht mehr entspringen!“
Und fassen will sie schon der wilde Hauf;
Ottilie fliegt hinein, und wie zum Spotte
Schließt sich der Felsen wieder vor der Rotte.
Und an dem Orte, wo die Wand sich schloß,
Entspringt dem Felsen murmelnd eine Quelle;
Und fallen betend nieder an der Stelle.
Ein Jeder wäscht die trüben Augen klar,
Und fühlt sich umgewandelt wunderbar;
Bald ist der Quell gefaßt, der Platz gelichtet,