Zum Inhalt springen

Staat und Kirche (1914)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Philipp Zorn
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Staat und Kirche
Untertitel:
aus: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band, Achtes Buch, S. 3–7
Herausgeber: Siegfried Körte, Friedrich Wilhelm von Loebell, Georg von Rheinbaben, Hans von Schwerin-Löwitz, Adolph Wagner
Auflage:
Entstehungsdatum: 1913
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Reimar Hobbing
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[971]
Staat und Kirche
Von Geh. Justizrat Professor Dr. Zorn in Bonn,
Mitglied des Herrenhauses und Kronsyndikus


Das heutige Verhältnis von Staat und Kirche in Preußen läßt sich nur aus der Geschichte verstehen.

I. Durch die Märkische Kirchenordnung von 1540 war Brandenburg eingetreten in die Reihe der evangelischen Territorialstaaten des alten Deutschen Reiches. Nach den Grundsätzen der Zeit hatte der Glaubenswechsel des Kurfürsten den Glaubenswechsel der Untertanen zur notwendigen Rechtsfolge (cujus regio, ejus religio); denen, die diese Rechtsfolge nicht anerkennen wollten, wurde gestattet, das Land zu verlassen. Der Kurfürst wurde nach den damals schon feststehenden Grundsätzen der lutherischen Kirchenverfassung oberster Bischof der Landeskirche; ein zu Kölln a. d. Spree errichtetes Konsistorium wurde zur Ausübung des landesherrlichen Summepiskopats bestellt. In allen Punkten teilte Brandenburg die damalige Entwickelung der evangelischen Territorien des alten Reiches.

II. Als 1611 Kurfürst Johann Sigismund die reformierte Lehre für sich und sein Haus annahm, setzten die Stände in der damaligen Blüte ihrer Macht durch, daß die Untertanen nicht, wie es die Grundsätze des herrschenden Staatskirchenrechtes, das sog. jus reformandi, erfordert hätten, dem Konfessionswechsel des Kurfürsten folgen mußten, sondern beim lutherischen Bekenntnis verbleiben durften: dies war der erste Schritt auf dem Wege zur späteren und heutigen Religionsfreiheit in Brandenburg-Preußen.

III. Ungleich wichtiger aber als diese innerhalb des evangelischen Bekenntnisses vollzogene staatsrechtliche Entwickelung war die grundsätzliche Gestaltung, welche um dieselbe Zeit das Staatskirchenrecht in Ostpreußen und in den Ländern der Jülich-Kleve-Markschen Erbschaft erfuhr. Als infolge der bekannten geschichtlichen Vorgänge diese Länder, das eine im äußersten Osten, das andere im äußersten Westen Deutschlands, an die brandenburgische Hauptlinie der Hohenzollern fielen, wurde hier wie dort, im schroffen Gegensatze zu den damals nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa beherrschenden Grundsätzen den Katholiken vollkommene Gleichberechtigung mit den Evangelischen zuerkannt und durch Staatsverträge feierlich verbürgt, in Ostpreußen durch Staatsvertrag mit Polen, in dessen Lehensverband das alte Ordensland noch stand, in Jülich-Kleve-Mark durch Staatsvertrag mit Pfalz-Neuburg, dem der andere Teil der Jülich-Kleveschen Erbschaft zugefallen war. Dies war der zweite, ungleich wichtigere Schritt auf dem Wege der Religionsfreiheit in Preußen. Die alten Stammlande freilich blieben rechtlich noch hiervon unberührt; aber tatsächlich mußte doch die für das östliche und für das westliche Vorwerk des Kurstaates Brandenburg geschaffene Gleichheit der beiden großen christlichen Kirchen auch von Einfluß sein auf die Handhabung der Grundsätze des exklusiven Konfessionsstaates, die Brandenburg beherrschten, und dies war auch sowohl unter der Herrschaft des Großen Kurfürsten als Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. trotz des strengen Festhaltens dieser Fürsten an ihrem evangelischen Glauben der Fall.

[972] IV. Auf dem Westfälischen Friedenskongreß setzte bekanntlich der Große Kurfürst die Einbeziehung auch der Reformierten in die reichsrechtlich festgestellte Parität der Katholiken und der Evangelischen („confessioni Augustanae addicti“) durch. Im übrigen enthielten die reichsrechtlichen Vorschriften des Westfälischen Friedens für den Kurstaat Brandenburg-Preußen keinerlei erhebliche Neuerung des Staatskirchenrechtes; ja für (Ost-)Preußen und Kleve-Mark blieb der Westfälische Friede vielmehr weit hinter dem bereits zu Anfang des 17. Jahrhunderts erreichten Fortschritt zurück. Als durch den Wehlauer Vertrag Ostpreußen von der polnischen Lehensfessel frei wurde, wurde an dem Grundsatze der Parität von Katholiken und Evangelischen nichts geändert. In den westlichen Landen kam es wohl über die Durchführung der Parität zu scharfen Zusammenstößen mit Pfalz-Neuburg, das seine Vertragspflicht gegen die Evangelischen in bedenklichster Weise verletzte; die Hohenzollern aber haben trotz dieses Verhaltens von Pfalz-Neuburg, das sie auch ihrerseits zur Nichtachtung des Vertrages berechtigt hätte, die den Katholiken zugesicherte Parität treu beobachtet.

V. Eine großartige Weiterentwicklung fand sodann das brandenburgisch-preußische Kirchenstaatsrecht unter Friedrich dem Großen. Die Grundsätze des großen Königs für das Verhältnis von Staat und Kirche sind allgemein bekannt. Das Wort des Königs, „daß in Preußen jeder nach seiner Fasson selig werden könne“, lebt fort im Volksmunde; diesem Bekenntnis zu dem großen Gedanken der Religionsfreiheit stellte der König aber den anderen großen Grundsatz zur Seite: daß alle, ohne Unterschied des Religionsbekenntnisses, den Gesetzen des Staates zu gehorchen haben. Nicht allein die Parität der beiden großen christlichen Kirchen anerkannte der König im Gesamtgebiet seines Staates, sondern er stellte als staatsrechtliches Grundprinzip den viel weiter reichenden Grundsatz der allgemeinen Religionsfreiheit auf, und wenn es auch die Zeitverhältnisse dem großen König nicht ermöglichten, alle Folgerungen aus diesem Grundsatze zu ziehen, so hat er doch bis zu seinem Lebensende nicht aufgehört, sich zu diesem Grundsatze zu bekennen. Im Politischen Testamente von 1751 schreibt der König als sein Vermächtnis: „Die Katholiken, die Lutheraner, die Reformierten, die Juden und zahlreiche andere christliche Sekten wohnen in diesem Staat und leben da in Frieden. Ich suche sie alle zu vereinigen, indem ich ihnen zum Bewußtsein bringe, daß sie alle Bürger eines Staates sind, und daß man einen Menschen, der einen roten Rock trägt, ganz ebenso lieben kann, wie denjenigen, der einen grauen trägt.“ Aber er schreibt auch an den Kardinal Sinzendorf die ernste Mahnung: „in Sachen, so keine Glaubensartikul angehen, bin Ich summus episcopus im Lande und erkenne keine päpstliche noch andere autorité: wessen sich der Kardinal wohl zu bescheiden und wissen muß, daß er unter einem Souverän stehet, der die Mittel hat, seine Autorität zu soutenieren.“

An den aus der Reformationszeit übernommenen Formen des landesherrlichen Kirchenregiments für die evangelische Kirche hat Friedrich II. nichts geändert und bekanntlich zeitweise durch sehr derbe Willensäußerungen dies Kirchenregiment ausgeübt. Den Bau katholischer Kirchen auch in den alten Erblanden hat er gestattet und die erste katholische Kirche in Berlin selbst bauen lassen; dem bischöflichen Missionsregiment [973] durch apostolische Vikare hat er kein Hindernis bereitet, und allbekannt ist seine Ansicht über die damals die Welt bewegende Aufhebung des Jesuiten-Ordens. Aber, wie bereits bemerkt, auch andere Religionsmeinungen und Religionsgesellschaften genossen volle Freiheit, immer nur unter der Voraussetzung des Gehorsams gegen die Staatsgesetze.

In den Gesetzesvorschriften des Allgemeinen Landrechtes fanden dann diese Grundsätze ihre monumentale rechtliche Ausprägung in einer Größe des Gedankens, die nicht übertroffen werden kann. „Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, der Glaube und der innere Gottesdienst können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen sein.“ „Jedem Einwohner im Staat muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit gestattet werden.“ „Niemand soll wegen seiner Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden.“ „Mehrere Einwohner des Staates können sich zu Religionsübungen verbinden.“

In keinem Lande der Welt noch galten diese großen Grundsätze zu der Zeit, als Preußens großer König sie in seinem Staate zur Geltung brachte. Frankreich stand bis zur Revolution unter dem Grundsatz der Aufhebung des Edikts von Nantes (1685), und was Friedrich der Große seinen Landen im Frieden gab, erhielt Frankreich erst viel später unter Strömen vergossenen Blutes. England hat erst 1822 sich von den strengen Grundsätzen des evangelischen Konfessionsstaates freigemacht, und Österreich gab erst unter Josef II. den Protestanten eine ganz kümmerliche Duldung.

VI. Durch den Wiener Kongreß erfuhren die Gebietsverhältnisse des preußischen Staates eine vollkommene Neugestaltung, die dann durch die Gebietserwerbungen des Jahres 1866 ihren heutigen Abschluß gefunden hat. Die Verhältnisse der katholischen Kirche in Rheinland und Westfalen wurden neu geordnet durch die Zirkumskriptionsbulle De salute animarum (1821), die als Staatsgesetz verkündigt wurde; zu den vier östlichen Diözesen Breslau, Posen, Kulm, Ermland traten die vier westlichen Köln, Trier, Münster, Paderborn. Die Neuerwerbungen von 1866 fügten dazu noch die vier weiteren Diözesen Osnabrück, Hildesheim, Fulda, Limburg; für die beiden ersteren – ehemals Königreich Hannover – gilt auch nach 1866 die Zirkumskriptionsbulle Impensa Romanorum Pontificum, für die beiden letzteren – ehemals Teile der sog. oberrheinischen Kirchenprovinz – gelten die Bullen Provida sollersque und Ad dominici gregis custodiam auch unter preußischer Herrschaft fort.

Auch der evangelischen Kirche der 1815 und 1866 neu erworbenen Länder verblieb ihre Selbständigkeit, doch wurden Rheinland und Westfalen der Behörde des obersten Kirchenregiments, dem evangelischen Oberkirchenrat, unterstellt, während für die 1866 erworbenen Gebiete – Provinzen Hannover, Hessen-Nassau und Schleswig-Holstein – nicht der Oberkirchenrat, sondern der Minister der geistlichen Angelegenheiten die Aufgaben des landesherrlichen Summepiskopats verwaltet.

Alle diese territorialen Bestandteile der evangelischen und katholischen Kirche in Preußen stehen zum Staate im Verhältnis von sog. „Landeskirchen“. Der heutige Begriff Landeskirche ist eine Abschwächung des alten Staatskirchentums, d. i. der ausschließlichen Verbindung des Staates mit einer Kirche (siehe oben I.); er umfaßt [974] heute eine Reihe von Einzelprivilegien, die aber wiederum eine größere Abhängigkeit der Kirche vom Staate zur Folge haben; in diesem Sinne hat auch die Verfassungsurkunde von 1850 das Verhältnis der großen christlichen Kirchen zum Staate festgelegt. Als das wichtigste dieser Privilegien wird heute die finanzielle Dotierung der beiden Kirchen durch den Staat zu betrachten sein, das seine rechtliche Grundlage in dem nach der großen Säkularisation des Kirchengutes infolge des Lüneviller Friedens von 1801 erlassenen Reichsdeputationshauptschlusse von 1803 hat; auf Grund dieses Reichsgesetzes des alten Reiches stellt auch Preußen, nach Maßgabe des alljährlichen Staatshaushaltsgesetzes, bedeutende Geldmittel für die evangelische wie die katholische Kirche bereit, und durch zahlreiche neuere Gesetze hat der Staat diese finanzielle Rechtspflicht für beide Kirchen in letzter Zeit in umfassender Weise und durch weitgehendes Entgegenkommen neu geregelt. Insoweit das eigene Vermögen und die staatliche Dotation für die Deckung der kirchlichen Bedürfnisse nicht zureichen, sind auch die „Landeskirchen“, ebenso wie die anderen Religionsgesellschaften, auf den Weg der Besteuerung ihrer Mitglieder angewiesen; das Problem der kirchlichen Besteuerung hat für die Landeskirchen durch eine sehr umfangreiche Kirchen- und Staatsgesetzgebung der letzten Jahrzehnte eine große systematische Lösung erfahren.

VII. Die Kirchenverfassung hat für die katholische Kirche durch das Vatikanische Konzil von 1870 unter großen geistigen Bewegungen eine Ausgestaltung in den Dogmen von der Unfehlbarkeit und dem Universalepiskopat des Papstes gefunden, deren Folge die Abtrennung eines kleinen Teiles von Katholiken von der römisch-katholischen und die Gründung der altkatholischen Kirche war, die die Anerkennung und finanzielle Hilfe des Staates Preußen gefunden hat.

In der evangelischen Kirche blieb das landesherrliche Kirchenregiment grundsätzlich erhalten; der Erlaß einer neuen Agende 1829 führte zur Absplitterung der sog. Altlutheraner von der Landeskirche. Durch eine umfangreiche Staats- und Kirchengesetzgebung wurde von 1873–1876 die Landeskirche der neun alten Provinzen mit synodalen Gemeindeorganen in der Stufenfolge: Einzelgemeinde, Kreis, Provinz und Landeskirche (Generalsynode) ausgestattet; analoge Neugestaltungen oder Fortbildungen erfolgten auch in den Landeskirchen der drei neuen Provinzen. Ihren grundsätzlichen Abschluß haben diese gesetzgeberischen Arbeiten schon vor 1888 gefunden.

VIII. Die Verfassungsurkunde erkennt, wie oben bemerkt, das durch die historische Entwickelung gegebene Landeskirchentum grundsätzlich an und so sind die Dinge bis zum heutigen Tage geblieben. Die weitaus große Mehrzahl der Bevölkerung des Staates gehört den beiden großen christlichen Landeskirchen an. Demgemäß bestimmt die Verfassung (Art. 14), daß „die christliche Religion bei denjenigen Einrichtungen, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange stehen, zum Grunde gelegt wird.“

Aber die Verfassungsurkunde erkennt gleichzeitig, übereinstimmend mit dem Allgemeinen Landrecht, den Grundsatz der vollkommenen Gewissensfreiheit an und zieht daraus die unmittelbare Folgerung, daß auch die Bildung neuer Religionsgesellschaften gestattet sei. Die letzte Schlußfolgerung aus dem Prinzip der Gewissensfreiheit enthält sodann das Gesetz vom 13. Mai 1873, welches den Austritt aus jeder kirchlichen [975] Gemeinschaft durch gerichtlich abzugebende Austrittserklärung gestattet und deren Rechtswirkungen feststellt. „Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, die Vereinigung zu Religionsgesellschaften und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse“ (Art. 12, Satz 1 u. 2). Dieser letztere Grundsatz hat weiterhin seine Anerkennung für das ganze Reich gefunden in dem Gesetze v. 3. Juli 1869.

Die Verfassungsurkunde spricht aber ferner auch mit Schärfe den Grundsatz aus, daß die Voraussetzung jeder Gewissensfreiheit in Preußen der Gehorsam gegen die Staatsgesetze ist, gleichfalls in Übereinstimmung mit dem Allgemeinen Landrecht. „Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen“ (Art. 12 S. 3).

Der ursprüngliche Text der Verfassungsurkunde hatte ferner noch, dem Gedanken der Gewissensfreiheit und den Bewegungen der Zeit folgend, den Grundsatz von der „Selbständigkeit“ der evangelischen und der katholischen Kirche ausgesprochen. Als im Jahre 1873 die Notwendigkeit einer systematischen Neugestaltung des staatlichen Aufsichtsrechtes zu einer umfassenden Gesetzgebung führte, der von seiten der katholischen Kirche unter Berufung auf die „Selbständigkeit“ der Kirche heftiger Widerstand entgegengesetzt wurde, wurden die Verfassungsartikel über die Selbständigkeit der Kirche (15, 16, 18) aufgehoben, um in Zukunft eine der Souveränität des Staates widersprechende Auslegung dieser Vorschriften abzuschneiden. Inzwischen ist der größte Teil jener Gesetzgebung aus der Zeit des sog. „Kulturkampfes“ wieder beseitigt, die Verfassungsartikel über die „Selbständigkeit“ der Kirche aber nicht wiederhergestellt worden. In Wirklichkeit aber besteht diese Selbständigkeit der Kirche unter richtiger Auslegung des Begriffes auch heute zu vollem Rechte: die katholische Kirche erfreut sich einer überaus weitgehenden Freiheit in Preußen, und das Wort Pius’ VI.: „wir bekennen, daß wir dem Heldenkönige für seine Billigkeit, welche nicht der letzte unter seinen Ruhmestiteln ist, zum größten und unsterblichen Danke verpflichtet sind“, gilt auch für die Regierung Wilhelm II. Für die evangelische Kirche aber hat der Gedanke der Selbständigkeit in der Durchführung der Synodalverfassung eine großartige neue Gestaltung gefunden.

So ist das Verhältnis von Staat und Kirche in Preußen, das heute besteht, durchaus ein Ergebnis der Geschichte. Nach den schweren Kämpfen zwischen Staat und Kirche in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ist im Zeitalter Wilhelm II. eine Periode der Ruhe eingetreten. Aber unter dieser äußeren Ruhe bestehen, besonders in der evangelischen Kirche, tiefe Gegensätze innerkirchlicher Art. Im Rahmen des Landeskirchentums sind diese Gegensätze äußerlich verbunden. Ob dies auf die Dauer möglich bleiben oder ob, um Religion und Gewissensfreiheit zu erhalten, auch für Preußen die Trennung von Staat und Kirche zur harten Notwendigkeit werden wird, steht in Gottes Hand.

„Aber die Seele kann und will Gott niemand lassen regieren, denn sich selbst allein. – – Denn es ist ein frei Werk um den Glauben, dazu man niemand kann zwingen.“

(Luther).