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Studien über Hysterie/Zur Psychotherapie der Hysterie

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Theoretisches Studien über Hysterie (1895)
von Sigmund Freud, Josef Breuer
[222]
IV. Zur Psychotherapie der Hysterie.
(Sigm. Freud.)

Wir haben in der „Vorläufigen Mittheilung“ berichtet, dass sich uns während der Forschung nach der Aetiologie hysterischer Symptome auch eine therapeutische Methode ergeben hat, die wir für praktisch bedeutsam halten. „Wir fanden nämlich, anfangs zu unserer grössten Ueberraschung, dass die einzelnen hysterischen Symptome sogleich und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affect wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affect Worte gab“ (p. 4.).

Wir suchten uns ferner verständlich zu machen, auf welche Weise unsere psychotherapeutische Methode wirke: „Sie hebt die Wirksamkeit der ursprünglich nicht abreagirten Vorstellung dadurch auf, dass sie dem eingeklemmten Affect derselben den Ablauf durch die Rede gestattet und bringt sie zur associativen Correctur, indem sie dieselbe in’s normale Bewusstsein zieht (in leichterer Hypnose) oder durch ärztliche Suggestion aufhebt, wie es im Somnambulismus mit Amnesie geschieht“ (pag. 13).

Ich will nun versuchen, im Zusammenhange darzuthun, wie weit diese Methode trägt, um was sie mehr als andere leistet, mit welcher Technik und mit welchen Schwierigkeiten sie arbeitet, wenngleich das Wesentliche hierüber bereits in den voranstehenden Krankengeschichten enthalten ist, und ich es nicht vermeiden kann, mich in dieser Darstellung zu wiederholen.

I.

Ich darf auch für meinen Theil sagen, dass ich am Inhalte der „Vorläufigen Mittheilung“ festhalten kann; jedoch muss ich eingestehen, dass sich mir in den seither verflossenen Jahren – bei unausgesetzter Beschäftigung mit den dort berührten Problemen – neue Gesichtspunkte [223] aufgedrängt haben, die eine wenigstens zum Theil andersartige Gruppirung und Auffassung des damals bekannten Materiales an Thatsachen zur Folge hatten. Es wäre unrecht, wenn ich versuchen wollte, meinem verehrten Freunde J. Breuer zuviel von der Verantwortlichkeit für diese Entwicklung aufzubürden. Die folgenden Ausführungen bringe ich daher vorwiegend im eigenen Namen.

Als ich versuchte, die Breuer’sche Methode der Heilung hysterischer Symptome durch Ausforschung und Abreagiren in der Hypnose an einer grösseren Reihe von Kranken zu verwenden, stiessen mir zwei Schwierigkeiten auf, in deren Verfolgung ich zu einer Abänderung der Technik wie der Auffassung gelangte. 1. Es waren nicht alle Personen hypnotisirbar, die unzweifelhaft hysterische Symptome zeigten, und bei denen höchst wahrscheinlich derselbe psychische Mechanismus obwaltete; 2. ich musste Stellung zu der Frage nehmen, was denn wesentlich die Hysterie charakterisirt, und wodurch sich dieselbe gegen andere Neurosen abgrenzt.

Ich verschiebe es auf später, mitzutheilen, wie ich die erstere Schwierigkeit bewältigt, und was ich aus ihr gelernt habe. Ich gehe zunächst darauf ein, wie ich in der täglichen Praxis gegen das zweite Problem Stellung nahm. Es ist sehr schwierig, einen Fall von Neurose richtig zu durchschauen, ehe man ihn einer gründlichen Analyse unterzogen hat; einer Analyse, wie sie eben nur bei Anwendung der Breuer’schen Methode resultirt. Die Entscheidung über Diagnose und Art der Therapie muss aber vor einer solchen gründlichen Kenntniss gefällt werden. Es blieb mir also nichts übrig, als solche Fälle für die kathartische Methode auszuwählen, die man vorläufig als Hysterie diagnosticiren konnte, die einzelne oder mehrere von den Stigmen oder charakteristischen Symptomen der Hysterie erkennen liessen. Dann ereignete es sich manchmal, dass die therapeutischen Ergebnisse trotz der Hysteriediagnose recht armselig ausfielen, dass selbst die Analyse nichts Bedeutsames zu Tage förderte. Anderemale versuchte ich Neurosen mit der Breuer’schen Methode zu behandeln, die gewiss niemandem als Hysterie imponirt hätten, und ich fand, dass sie auf diese Weise zu beeinflussen, ja selbst zu lösen waren. So ging es mir z. B. mit den Zwangsvorstellungen, den echten Zwangsvorstellungen nach Westphal’schem Muster, in Fällen, die nicht durch einen Zug an Hysterie erinnerten. Somit konnte der psychische Mechanismus, den die vorläufige Mittheilung aufgedeckt hatte, nicht für Hysterie pathognomonisch sein; ich konnte mich auch nicht entschliessen, [224] diesem Mechanismus zu Liebe etwa soviel andere Neurosen in einen Topf mit der Hysterie zu werfen. Aus all’ den angeregten Zweifeln riss mich endlich der Plan, alle anderen in Frage kommenden Neurosen ähnlich wie die Hysterie zu behandeln, überall nach der Aetiologie und nach der Art des psychischen Mechanismus zu forschen, und die Entscheidung über die Berechtigung der Hysteriediagnose von dem Ausfall dieser Untersuchung abhängen zu lassen.

So gelangte ich, von der Breuer’schen Methode ausgehend, dazu, mich mit der Aetiologie und dem Mechanismus der Neurosen überhaupt zu beschäftigen. Ich hatte dann das Glück, in verhältnissmässig kurzer Zeit bei brauchbaren Ergebnissen anzukommen. Es drängte sich mir zunächst die Erkenntniss auf, dass, insofern man von einer Verursachung sprechen könne, durch welche Neurosen erworben würden, die Aetiologie in sexuellen Momenten zu suchen sei. Daran reihte sich der Befund, dass verschiedene sexuelle Momente, ganz allgemein genommen, auch verschiedene Bilder von neurotischen Erkrankungen erzeugen. Und nun konnte man, in dem Maass, als sich das letztere Verhältniss bestätigte, auch wagen, die Aetiologie zur Charakteristik der Neurosen zu verwerthen und eine scharfe Scheidung der Krankheitsbilder der Neurosen aufzustellen. Trafen ätiologische Charaktere mit klinischen constant zusammen, so war diess ja gerechtfertigt.

Auf diese Weise ergab sich mir, dass der Neurasthenie eigentlich ein monotones Krankheitsbild entspreche, in welchem, wie Analysen zeigten, ein „psychischer Mechanismus“ keine Rolle spiele. Von der Neurasthenie trennte sich scharf ab die Zwangsneurose, die Neurose der echten Zwangsvorstellungen, für die sich ein complicirter psychischer Mechanismus, eine der hysterischen ähnliche Aetiologie und eine weitreichende Möglichkeit der Rückbildung durch Psychotherapie erkennen liessen. Andererseits schien es mir unbedenklich geboten, von der Neurasthenie einen neurotischen Symptomcomplex abzusondern, der von einer ganz abweichenden, ja, im Grunde genommen, gegensätzlichen Aetiologie abhängt, während die Theilsymptome dieses Complexes durch einen schon von E. Hecker[1] erkannten Charakter zusammengehalten werden. Sie sind nämlich entweder Symptome oder Aequivalente und Rudimente von Angstäusserungen, und ich habe darum diesen von der Neurasthenie abzutrennenden Complex Angstneurose geheissen. Ich habe von ihm behauptet, er käme durch die Anhäufung physischer Spannung zu Stande, die selbst wieder sexualer [225] Herkunft ist; diese Neurose hat auch noch keinen psychischen Mechanismus, beeinflusst aber ganz regelmässig das psychische Leben, so dass „ängstliche Erwartung“, Phobien, Hyperästhesie gegen Schmerzen u. a. zu ihren regelmässigen Aeusserungen gehören. Diese Angstneurose in meinem Sinne deckt sich gewiss theilweise mit der Neurose, die unter dem Namen „Hypochondrie“ in so manchen Darstellungen neben Hysterie und Neurasthenie anerkannnt wird; nur dass ich in keiner der vorliegenden Bearbeitungen die Abgrenzung dieser Neurose für die richtige halten kann, und dass ich die Brauchbarkeit des Namens Hypochondrie durch dessen feste Beziehung auf das Symptom der „Krankheitsfurcht“ beeinträchtigt finde.

Nachdem ich mir so die einfachen Bilder der Neurasthenie, der Angstneurose und der Zwangsvorstellungen fixirt hatte, ging ich an die Auffassung der gemeinhin vorkommenden Fälle von Neurosen heran, die bei der Diagnose Hysterie in Betracht kommen. Ich musste mir jetzt sagen, dass es nicht angeht, eine Neurose im Ganzen zur hysterischen zu stempeln, weil aus ihrem Symptomencomplex einige hysterische Zeichen hervorleuchten. Ich konnte mir diese Uebung sehr wohl erklären, da doch die Hysterie die älteste, die bestbekannte und die auffälligste der in Betracht kommenden Neurosen ist; aber es war doch ein Missbrauch, derselbe, der auf die Rechnung der Hysterie so viele Züge von Perversion und Degeneration hatte setzen lassen. So oft in einem complicirten Fall von psychischer Entartung ein hysterisches Anzeichen, eine Anästhesie, eine charakteristische Attaque zu entdecken war, hatte man das Ganze „Hysterie“ genannt und konnte dann freilich das Aergste und das Widersprechendste unter dieser Etiquette vereinigt finden. So gewiss diese Diagnostik unrecht war, so gewiss durfte man auch nach der neurotischen Seite hin sondern, und da man Neurasthenie, Angstneurose u. dgl. im reinen Zustande kannte, brauchte man sie in der Combination nicht mehr zu übersehen.

Es schien also folgende Auffassung die berechtigtere: Die gewöhnlich vorkommenden Neurosen sind meist als „gemischte“ zu bezeichnen; von der Neurasthenie und der Angstneurose findet man ohne Mühe auch reine Formen, am ehesten bei jugendlichen Personen. Von Hysterie und Zwangsneurose sind reine Fälle selten, für gewöhnlich sind diese beiden Neurosen mit einer Angstneurose combinirt. Dies so häufige Vorkommen von gemischten Neurosen rührt daher, dass deren ätiologische Momente sich so häufig vermengen, bald nur zufälliger Weise, bald in Folge von causalen Beziehungen zwischen den Vorgängen, [226] aus denen die ätiologischen Momente der Neurosen fliessen. Diess lässt sich unschwer im Einzelnen durchführen und erweisen; für die Hysterie folgt aber hieraus, dass es kaum möglich ist, sie für die Betrachtung aus dem Zusammenhange der Sexualneurosen zu reissen; dass sie in der Regel nur eine Seite, einen Aspect des complicirten neurotischen Falles darstellt, und dass sie nur gleichsam im Grenzfall als isolirte Neurose gefunden werden und behandelt werden kann. Man darf etwa in einer Reihe von Fällen sagen: a potiori fit denominatio.

Ich will die hier mitgetheilten Krankengeschichten daraufhin prüfen, ob sie meiner Auffassung von der klinischen Unselbständigkeit der Hysterie das Wort reden. Anna O., die Kranke Breuer's, scheint dem zu widersprechen und eine rein hysterische Erkrankung zu erläutern. Allein dieser Fall, der so fruchtbar für die Erkenntniss der Hysterie geworden ist, wurde von seinem Beobachter gar nicht unter den Gesichtspunkt der Sexualneurose gebracht und ist heute einfach für diesen nicht zu verwerthen. Als ich die zweite Kranke, Frau Emmy v. N., zu analysiren begann, lag mir die Erwartung einer Sexualneurose als Boden für die Hysterie ziemlich ferne; ich war frisch aus der Schule Charcot's gekommen und betrachtete die Verknüpfung einer Hysterie mit dem Thema der Sexualität als eine Art von Schimpf – ähnlich wie die Patientinnen selbst es pflegen. Wenn ich heute meine Notizen über diesen Fall überblicke, ist es mir ganz unzweifelhaft, dass ich einen Fall einer schweren Angstneurose mit ängstlicher Erwartung und Phobien anerkennen muss, die aus der sexuellen Abstinenz stammte und sich mit Hysterie combinirt hatte.

Fall III, der Fall der Miss Lucy R., ist vielleicht am ehesten ein Grenzfall von reiner Hysterie zu nennen, es ist eine kurze, episodisch verlaufende Hysterie bei unverkennbar sexueller Aetiologie, wie sie einer Angstneurose entsprechen würde; ein überreifes, liebebedürftiges Mädchen, dessen Neigung zu rasch durch ein Missverständniss erweckt wird. Allein die Angstneurose war nicht nachzuweisen oder ist mir entgangen. Fall IV, Katharina, ist geradezu ein Vorbild dessen, was ich virginale Angst genannt habe; es ist eine Combination von Angstneurose und Hysterie; die erstere schafft die Symptome, die letztere wiederholt sie und arbeitet mit ihnen. Uebrigens ein typischer Fall für soviele, „Hysterie“ genannte, jugendliche Neurosen. Fall V, der des Frl. Elisabeth v. R., ist wiederum nicht als Sexualneurose erforscht; einen Verdacht, dass eine Spinalneurasthenie die Grundlage gebildet habe, konnte ich nur äussern und nicht bestätigen. Ich muss aber [227] hinzufügen, seither sind die reinen Hysterien in meiner Erfahrung noch seltener geworden; wenn ich diese vier Fälle als Hysterie zusammenstellen und bei ihrer Erörterung von den für Sexualneurosen maassgebenden Gesichtspunkten absehen konnte, so liegt der Grund darin, dass es ältere Fälle sind, bei denen ich die absichtliche und dringende Forschung nach der neurotischen sexualen Unterlage noch nicht durchgeführt hatte. Und wenn ich anstatt dieser vier Fälle nicht zwölf mitgetheilt habe, aus deren Analyse eine Bestätigung des von uns behaupteten psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene zu gewinnen ist, so nöthigte mich zur Enthaltung nur der Umstand, dass die Analyse diese Krankheitsfälle gleichzeitig als Sexualneurosen enthüllte, obwohl ihnen den „Namen“ Hysterie gewiss kein Diagnostiker verweigert hätte. Die Aufklärung solcher Sexualneurosen überschreitet aber den Rahmen dieser unserer gemeinsamen Veröffentlichung.

Ich möchte nicht dahin missverstanden werden, als ob ich die Hysterie nicht als selbständige neurotische Affection gelten lassen wollte, als erfasste ich sie bloss als psychische Aeusserung der Angstneurose, als schriebe ich ihr bloss „ideogene“ Symptome zu und zöge die somatischen Symptome (hysterogene Punkte, Anästhesien) zur Angstneurose hinüber. Nichts von alledem; ich meine, man kann in jeder Hinsicht die von allen Beimengungen gereinigte Hysterie selbständig abhandeln, nur nicht in Hinsicht der Therapie. Denn bei der Therapie handelt es sich um praktische Ziele, um die Beseitigung des gesammten leidenden Zustandes, und wenn die Hysterie zumeist als Componente einer gemischten Neurose vorkommt, so liegt der Fall wohl ähnlich wie bei den Mischinfectionen, wo die Erhaltung des Lebens sich als Aufgabe stellt, die nicht mit der Bekämpfung der Wirkung des einen Krankheitserregers zusammenfällt.

Es ist mir darum so wichtig, den Antheil der Hysterie an den Bildern der gemischten Neurosen von dem der Neurasthenie, Angstneurose u. s. w. zu sondern, weil ich nach dieser Trennung einen knappen Ausdruck für den therapeutischen Werth der kathartischen Methode geben kann. Ich möchte mich nämlich der Behauptung getrauen, dass sie – principiell – sehr wohl im Stande ist, jedes beliebige hysterische Symptom zu beseitigen, während sie, wie leicht ersichtlich, völlig machtlos ist gegen Phänomene der Neurasthenie und nur selten und auf Umwegen die psychischen Folgen der Angstneurose beeinflusst. Ihre therapeutische Wirksamkeit wird also im einzelnen Falle davon abhängen, ob die hysterische Componente des Krankheitsbildes [228] eine praktisch bedeutsame Stellung im Vergleich zu den anderen neurotischen Componenten beanspruchen darf oder nicht.

Auch eine zweite Schranke ist der Wirksamkeit der kathartischen Methode gesetzt, auf welche wir bereits in der „Vorläufigen Mittheilung“ hingewiesen haben. Sie beeinflusst nicht die causalen Bedingungen der Hysterie, kann also nicht verhindern, dass an der Stelle der beseitigten Symptome neue entstehen. Im Ganzen also muss ich für unsere therapeutische Methode einen hervorragenden Platz innerhalb des Rahmens einer Therapie der Neurosen beanspruchen, möchte aber davon abrathen, sie ausserhalb dieses Zusammenhanges zu würdigen oder in Anwendung zu ziehen. Da ich an dieser Stelle eine „Therapie der Neurosen“, wie sie dem ausübenden Arzte vonnöthen wäre, nicht geben kann, stellen sich die vorstehenden Aeusserungen einer aufschiebenden Verweisung auf etwaige spätere Mittheilungen gleich; doch meine ich zur Ausführung und Erläuterung noch folgende Bemerkungen anschliessen zu können:

1. Ich behaupte nicht, dass ich sämmtliche hysterische Symptome, die ich mit der kathartischen Methode zu beeinflussen übernahm, auch wirklich beseitigt habe. Aber ich meine, die Hindernisse lagen an persönlichen Umständen der Fälle und waren nicht principieller Natur. Ich darf diese Fälle von Missglücken bei einer Urtheilsfällung ausser Betracht lassen, wie der Chirurg Fälle von Tod in der Narkose, durch Nachblutung, zufällige Sepsis u. dgl. bei der Entscheidung über eine neue Technik bei Seite schiebt. Wenn ich später von den Schwierigkeiten und Uebelständen des Verfahrens handeln werde, sollen die Misserfolge solcher Herkunft nochmals gewürdigt werden.

2. Die kathartische Methode wird darum nicht werthlos, weil sie eine symptomatische und keine causale ist. Denn eine causale Therapie ist eigentlich zumeist nur eine prophylaktische, sie sistirt die weitere Einwirkung der Schädlichkeit, beseitigt aber damit nicht nothwendig, was die Schädlichkeit bisher an Producten ergeben hat. Es bedarf in der Regel noch einer zweiten Action, welche die letztere Aufgabe löst, und für diesen Zweck ist im Falle der Hysterie die kathartische Methode geradezu unübertrefflich brauchbar.

3. Wo eine Periode hysterischer Production, ein acuter hysterischer Paroxysmus, überwunden ist und nur noch die hysterischen Symptome als Resterscheinungen erübrigen, da genügt die kathartische Methode allen Indicationen und erzielt volle und dauernde Erfolge. Eine solche günstige Constellation für die Therapie ergibt sich nicht [229] selten gerade auf dem Gebiete des Geschlechtslebens, infolge der grossen Schwankungen in der Intensität des sexuellen Bedürfnisses und der Complication der für ein sexuelles Trauma erforderten Bedingungen. Hier leistet die kathartische Methode alles, was man ihr zur Aufgabe stellen kann, denn der Arzt kann sich nicht vorsetzen wollen, eine Constitution wie die hysterische zu ändern; er muss sich damit bescheiden, wenn er das Leiden beseitigt, zu dem eine solche Constitution geneigt ist, und das unter Mithilfe äusserer Bedingungen aus ihr entspringen kann. Er wird zufrieden sein, wenn die Kranke wieder leistungsfähig geworden ist. Uebrigens entbehrt er auch eines Trostes für die Zukunft nicht, wenn er die Möglichkeit der Recidive in Betracht zieht. Er kennt den Hauptcharakter in der Aetiologie der Neurosen, dass deren Entstehung zumeist überdeterminirt ist, dass mehrere Momente zu dieser Wirkung zusammentreten müssen; er darf hoffen, dass dieses Zusammentreffen nicht sobald wieder statthaben wird, wenn auch einzelne der ätiologischen Momente in Wirksamkeit geblieben sind.

Man könnte einwenden, dass in solchen abgelaufenen Fällen von Hysterie die restirenden Symptome ohnediess spontan vergehen; allein hierauf darf man antworten, dass solche Spontanheilung sehr häufig weder rasch noch vollständig genug abläuft, und dass sie durch das Eingreifen der Therapie ausserordentlich gefördert werden kann. Ob man mit der kathartischen Therapie nur das heilt, was der Spontanheilung fähig ist, oder gelegentlich auch anderes, was sich spontan nicht gelöst hätte, das darf man für jetzt gerne ungeschlichtet lassen.

4. Wo man auf eine acute Hysterie gestossen ist, einen Fall in der Periode lebhaftester Production von hysterischen Symptomen und consecutiver Ueberwältigung des Ich durch die Krankheitsproducte (hysterische Psychose), da wird auch die kathartische Methode am Eindruck und Verlauf des Krankheitsfalles wenig ändern. Man befindet sich dann wohl in derselben Stellung gegen die Neurose, welche der Arzt gegen eine acute Infectionskrankheit einnimmt. Die ätiologischen Momente haben zu einer verflossenen, jetzt der Beeinflussung entzogenen Zeit ihre Wirkung im genügenden Ausmaasse geübt, nun werden dieselben nach Ueberwindung des Incubationsintervalles manifest; die Affection lässt sich nicht abbrechen; man muss ihren Ablauf abwarten und unterdess die günstigsten Bedingungen für den Kranken herstellen. Beseitigt man nun während einer solchen acuten Periode die Krankheitsproducte, die neu entstandenen hysterischen Symptome, so darf [230] man sich darauf gefasst machen, dass die beseitigten alsbald durch neue ersetzt werden. Der verstimmende Eindruck einer Danaidenarbeit, einer „Mohrenwäsche“ wird dem Arzt nicht erspart bleiben, der riesige Aufwand von Mühe, die Unbefriedigung der Angehörigen, denen die Vorstellung der notwendigen Zeitdauer einer acuten Neurose kaum so vertraut sein wird wie im analogen Falle einer acuten Infectionskrankheit, diess und anderes wird wahrscheinlich die consequente Anwendung der kathartischen Methode im angenommenen Falle meist unmöglich machen. Doch bleibt es sehr in Erwägung zu ziehen, ob nicht auch bei einer acuten Hysterie die jedesmalige Beseitigung der Krankheitsproducte einen heilenden Einfluss übt, indem sie das mit der Abwehr beschäftigte normale Ich des Kranken unterstützt und es vor der Ueberwältigung, vor dem Verfall in Psychose, vielleicht in endgiltige Verworrenheit bewahrt.

Was die kathartische Methode auch bei acuter Hysterie zu leisten vermag, und dass sie selbst die Neuproduction an krankhaften Symptomen in praktisch bemerkbarer Weise einschränkt, das erhellt wohl unzweifelhaft aus der Geschichte der Anna O . . ., an welcher Breuer diess psychotherapeutische Verfahren zuerst ausüben lernte.

5. Wo es sich um chronisch verlaufende Hysterien mit mässiger, aber unausgesetzter Production von hysterischen Symptomen handelt, da lernt man wohl den Mangel einer causal wirksamen Therapie am stärksten bedauern, aber auch die Bedeutung des kathartischen Verfahrens als symptomatische Therapie am meisten schätzen. Dann hat man es mit der Schädigung durch eine chronisch fortwirkende Aetiologie zu thun: es kommt alles darauf an, das Nervensystem des Kranken in seiner Resistenzfähigkeit zu kräftigen, und man muss sich sagen, die Existenz eines hysterischen Symptoms bedeute für dieses Nervensystem eine Schwächung seiner Resistenz und stelle ein zur Hysterie disponirendes Moment dar. Wie aus dem Mechanismus der monosymptomatischen Hysterie hervorgeht, bildet sich ein neues hysterisches Symptom am leichtesten im Anschluss und nach Analogie eines bereits vorhandenen; die Stelle, wo es bereits einmal „durchgeschlagen“ hat (vgl. p. 177), stellt einen schwachen Punkt dar, an welchem es auch das nächste Mal durchschlagen wird; die einmal abgespaltene psychische Gruppe spielt die Rolle des provocirenden Krystalls, von dem mit grosser Leichtigkeit eine sonst unterbliebene Krystallisation ausgeht. Die bereits vorhandenen Symptome beseitigen, die ihnen zu Grunde liegenden psychischen Veränderungen [231] aufheben, heisst den Kranken das volle Maass ihrer Resistenzfähigkeit wiedergeben, mit dem sie erfolgreich der Einwirkung der Schädlichkeit widerstehen können. Man kann solchen Kranken durch länger fortgesetzte Ueberwachung und zeitweiliges „chimney sweeping“ (vgl. p. 23) sehr viel leisten.

6. Ich hätte noch des scheinbaren Widerspruches zu gedenken, der sich zwischen dem Zugeständniss, dass nicht alle hysterischen Symptome psychogen seien, und der Behauptung, dass man sie alle durch ein psychotherapeutisches Verfahren beseitigen könne, erhebt. Die Lösung liegt darin, dass ein Theil dieser nicht psychogenen Symptome zwar Krankheitszeichen darstellt, aber nicht als Leiden bezeichnet werden darf, so die Stigmata; es macht sich also praktisch nicht bemerkbar, wenn sie die therapeutische Erledigung des Krankheitsfalles überdauern. Für andere solche Symptome scheint zu gelten, dass sie auf irgend einem Umweg von den psychogenen Symptomen mitgerissen werden, wie sie ja wohl auch auf irgend einem Umweg doch von psychischer Verursachung abhängen.




Ich habe nun der Schwierigkeiten und Uebelstände unseres therapeutischen Verfahrens zu gedenken, soweit diese nicht aus den vorstehenden Krankengeschichten oder aus den folgenden Bemerkungen über die Technik der Methode jedermann einleuchten können. – Ich will mehr aufzählen und andeuten als ausführen: Das Verfahren ist mühselig und zeitraubend für den Arzt, es setzt ein grosses Interesse für psychologische Vorkomnisse und doch auch persönliche Theilnahme für den Kranken bei ihm voraus. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich es zu Stande brächte, mich in den psychischen Mechanismus einer Hysterie bei einer Person zu vertiefen, die mir gemein und widerwärtig vorkäme, die nicht bei näherer Bekanntschaft im Stande wäre, menschliche Sympathie zu erwecken, während ich doch die Behandlung eines Tabikers oder Rheumatikers unabhängig von solchem persönlichen Wohlgefallen halten kann. Nicht mindere Bedingungen werden von Seiten der Kranken erfordert. Unterhalb eines gewissen Niveaus von Intelligenz ist das Verfahren überhaupt nicht anwendbar, durch jede Beimengung von Schwachsinn wird es ausserordentlich erschwert. Man braucht die volle Einwilligung, die volle Aufmerksamkeit der Kranken, vor allem aber ihr Zutrauen, da die Analyse regelmässig auf die intimsten und geheimst gehaltenen psychischen Vorgänge führt. Ein guter Theil der Kranken, die für solche Behandlung geeignet wären, entzieht sich dem Arzte, sobald ihnen die Ahnung aufdämmert, [232] nach welcher Richtung sich dessen Forschung bewegen wird. Für diese ist der Arzt ein Fremder geblieben. Bei Anderen, die sich entschlossen haben, sich dem Arzte zu überliefern und ihm ein Vertrauen einzuräumen, wie es sonst nur freiwillig gewährt, aber nie gefordert wird, bei diesen Anderen, sage ich, ist es kaum zu vermeiden, dass nicht die persönliche Beziehung zum Arzte sich wenigstens eine Zeit lang ungebührlich in den Vordergrund drängt; ja es scheint, als ob eine solche Einwirkung des Arztes die Bedingung sei, unter welcher die Lösung des Problems allein gestattet ist. Ich meine nicht, dass es an diesem Sachverhalt etwas Wesentliches ändert, ob man sich der Hypnose bedienen konnte oder dieselbe umgehen und ersetzen musste. Nur fordert die Billigkeit, hervorzuheben, dass diese Uebelstände, obwohl unzertrennlich von unserem Verfahren, doch nicht diesem zur Last gelegt werden können. Es ist vielmehr recht einsichtlich, dass sie in den Vorbedingungen der Neurosen, die geheilt werden sollen, begründet sind, und dass sie sich an jede ärztliche Thätigkeit heften werden, die mit einer intensiven Bekümmerung um den Kranken einhergeht und eine psychische Veränderung in ihm herbeiführt. Auf die Anwendung der Hypnose konnte ich keinen Schaden und keine Gefahr zurückführen, so ausgiebigen Gebrauch ich auch in einzelnen Fällen von diesem Mittel machte. Wo ich Schaden angestiftet habe, lagen die Gründe anders und tiefer. Ueberblicke ich die therapeutischen Bemühungen dieser Jahre, seitdem mir die Mittheilungen meines verehrten Lehrers und Freundes J. Breuer die kathartische Methode in die Hand gegeben haben, so meine ich, ich habe, weit mehr und häufiger als geschadet doch genützt und manches zustande gebracht, wozu sonst kein therapeutisches Mittel gereicht hätte. Es war im Ganzen, wie es die „Vorläufige Mittheilung“ ausdrückt, „ein bedeutender therapeutischer Gewinn“.

Noch einen Gewinn bei Anwendung dieses Verfahrens muss ich hervorheben. Ich weiss mir einen schweren Fall von complicirter Neurose mit viel oder wenig Beimengung von Hysterie nicht besser zurechtzulegen, als indem ich ihn einer Analyse mit der Breuer'schen Methode unterziehe. Dabei geht zunächst weg, was den hysterischen Mechanismus zeigt; den Rest von Erscheinungen habe ich unterdess bei dieser Analyse deuten und auf seine Aetiologie zurückführen gelernt und habe so die Anhaltspunkte dafür gewonnen, was von dem Rüstzeug der Neurosentherapie im betreffenden Falle angezeigt ist. Wenn ich an die gewöhnliche Verschiedenheit zwischen meinem [233] Urtheil über einen Fall von Neurose vor und nach einer solchen Analyse denke, gerathe ich fast in Versuchung, diese Analyse für unentbehrlich zur Kenntniss einer neurotischen Erkrankung zu halten. Ich habe mich ferner daran gewöhnt, die Anwendung der kathartischen Psychotherapie mit einer Liegecur zu verbinden, die nach Bedürfniss zur vollen Weir-Mitchell'schen Mastcur ausgestaltet wird. Ich habe dabei den Vortheil, dass ich so einerseits die während einer Psychotherapie sehr störende Einmengung neuer psychischer Eindrücke vermeide, andererseits die Langeweile der Mastcur, in der die Kranken nicht selten in ein schädliches Träumen verfallen, ausschliesse. Man sollte erwarten, dass die oft sehr erhebliche psychische Arbeit, die man während einer kathartischen Cur den Kranken aufbürdet, die Erregungen infolge der Reproduction traumatischer Erlebnisse, dem Sinne der Weir-Mitchell'schen Ruhecur zuwiderliefe und die Erfolge verhinderte, die man von ihr zu sehen gewohnt ist. Allein das Gegentheil trifft zu; man erreicht durch solche Combination der Breuer'schen mit der Weir-Mitchell'schen Therapie alle körperliche Aufbesserung, die man von letzterer erwartet, und so weitgehende psychische Beeinflussung, wie sie ohne Psychotherapie bei der Ruhecur niemals zustande kommt.

II.

Ich knüpfe nun an meine früheren Bemerkungen an, bei meinen Versuchen, die Breuer'sche Methode im grösseren Umfange anzuwenden, sei ich an die Schwierigkeit gerathen, dass eine Anzahl von Kranken nicht in Hypnose zu versetzen war, obwohl die Diagnose auf Hysterie lautete und die Wahrscheinlichkeit für die Geltung des von uns beschriebenen psychischen Mechanismus sprach. Ich bedurfte ja der Hypnose zur Erweiterung des Gedächtnisses, um die im gewöhnlichen Bewusstsein nicht vorhandenen pathogenen Erinnerungen zu finden, musste also entweder auf solche Kranke verzichten oder diese Erweiterung auf andere Weise zu erreichen suchen.

Woran es liegt, dass der eine hypnotisirbar ist, der andere nicht, das wusste ich mir ebensowenig wie Andere zu deuten, konnte also einen causalen Weg zur Beseitigung der Schwierigkeit nicht einschlagen. Ich merkte nur, dass bei manchen Patienten das Hinderniss noch weiter zurück lag; sie weigerten sich bereits des Versuches zur Hypnose. Ich kam dann einmal auf den Einfall, dass beide Fälle identisch sein mögen und beide ein Nichtwollen bedeuten können. Nicht hypnotisirbar sei derjenige, der ein psychisches Bedenken gegen [234] die Hypnose hat, gleichgiltig, ob er es als Nichtwollen äussert oder nicht. Ich bin mir nicht klar geworden, ob ich diese Auffassung festhalten darf.

Es galt aber, die Hypnose zu umgehen und doch die pathogenen Erinnerungen zu gewinnen. Dazu gelangte ich auf folgende Weise:

Wenn ich bei der ersten Zusammenkunft meine Patienten fragte, ob sie sich an den ersten Anlass des betreffenden Symptoms erinnerten, so sagten die einen, sie wüssten nichts, die anderen brachten irgend etwas bei, was sie als eine dunkle Erinnerung bezeichneten und nicht weiter verfolgen konnten. Wenn ich nun nach dem Beispiele von Bernheim bei der Erweckung der angeblich vergessenen Eindrücke aus dem Somnambulismus dringlich wurde, Beiden versicherte, sie wüssten es, sie würden sich besinnen u. s. w. (vgl. p. 93), so fiel den Einen doch etwas ein, und bei Anderen griff die Erinnerung um ein Stück weiter. Nun wurde ich noch dringender, hiess die Kranken sich niederlegen und die Augen willkürlich schliessen, um sich zu „concentriren“, was wenigstens eine gewisse Aehnlichkeit mit der Hypnose ergab, und machte da die Erfahrung, dass ohne alle Hypnose neue und weiter zurück reichende Erinnerungen auftauchten, die wahrscheinlich zu unserem Thema gehörten. Durch solche Erfahrungen gewann ich den Eindruck, es würde in der That möglich sein, die doch sicherlich vorhandenen pathogenen Vorstellungsreihen durch blosses Drängen zum Vorschein zu bringen, und da dieses Drängen mich Anstrengung kostete und mir die Deutung nahe legte, ich hätte einen Widerstand zu überwinden, so setzte sich mir der Sachverhalt ohne weiteres in die Theorie um, dass ich durch meine psychische Arbeit eine psychische Kraft bei dem Patienten zu überwinden habe, die sich dem Bewusstwerden (Erinnern) der pathogenen Vorstellungen widersetze. Ein neues Verständniss schien sich mir nun zu eröffnen, als mir einfiel, diess dürfte wohl dieselbe psychische Kraft sein, die bei der Entstehung des hysterischen Symptoms mitgewirkt und damals das Bewusstwerden der pathogenen Vorstellung verhindert habe. Was für Kraft war da wohl als wirksam anzunehmen, und welches Motiv konnte sie zur Wirkung gebracht haben? Ich konnte mir leicht eine Meinung hierüber bilden; es standen mir ja bereits einige vollendete Analysen zu Gebote, in denen ich Beispiele von pathogenen, vergessenen und ausser Bewusstsein gebrachten, Vorstellungen kennen gelernt hatte. Aus diesen ersah ich einen allgemeinen Charakter solcher Vorstellungen; sie waren sämmtlich [235] peinlicher Natur, geeignet, die Affecte der Scham, des Vorwurfs, des psychischen Schmerzes, die Empfindung der Beeinträchtigung hervorzurufen, sämmtlich von der Art, wie man sie gerne nicht erlebt haben möchte, wie man sie am liebsten vergisst. Aus alledem ergab sich wie von selbst der Gedanke der Abwehr. Es wird ja von den Psychologen allgemein zugegeben, dass die Annahme einer neuen Vorstellung (Annahme im Sinne des Glaubens, des Zuerkennens von Realität) von der Art und Richtung der bereits im Ich vereinigten Vorstellungen abhängt, und sie haben für den Vorgang der Censur, dem die neu anlangende unterliegt, besondere technische Namen geschaffen. An das Ich des Kranken war eine Vorstellung herangetreten, die sich als unverträglich erwies, die eine Kraft der Abstossung von Seiten des Ich wachrief, deren Zweck die Abwehr dieser unverträglichen Vorstellung war. Diese Abwehr gelang thatsächlich, die betreffende Vorstellung war aus dem Bewusstsein und aus der Erinnerung gedrängt, ihre psychische Spur war anscheinend nicht aufzufinden. Doch musste diese Spur vorhanden sein. Wenn ich mich bemühte, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, bekam ich dieselbe Kraft als Widerstand zu spüren, die sich bei der Genese des Symptoms als Abstossung gezeigt hatte. Wenn ich nun wahrscheinlich machen konnte, dass die Vorstellung gerade in Folge der Ausstossung und Verdrängung pathogen geworden war, so schien die Kette geschlossen. Ich habe in mehreren Epikrisen unserer Krankengeschichten und in einer kleinen Arbeit über die Abwehr-Neuropsychosen (1894) versucht, die psychologischen Hypothesen anzudeuten, mit deren Hilfe man auch diesen Zusammenhang – die Thatsache der Conversion – anschaulich machen kann.

Also eine psychische Kraft, die Abneigung des Ich, hatte ursprünglich die pathogene Vorstellung aus der Association gedrängt und widersetzte sich jetzt ihrer Wiederkehr in der Erinnerung. Das Nichtwissen der Hysterischen war also eigentlich ein – mehr oder minder bewusstes – Nichtwissenwollen, und die Aufgabe des Therapeuten bestand darin, diesen Associationswiderstand durch psychische Arbeit zu überwinden. Solche Leistung erfolgt zuerst durch „Drängen“, Anwendung eines psychischen Zwanges, um die Aufmerksamkeit der Kranken auf die gesuchten Vorstellungsspuren zu lenken. Sie ist aber damit nicht erschöpft, sondern nimmt, wie ich zeigen werde, im Verlaufe einer Analyse andere Formen an und ruft weitere psychische Kräfte zur Hilfe.

[236] Ich verweile zunächst noch beim Drängen. Mit dem einfachen Versichern: Sie wissen es ja, sagen Sie es doch, es wird Ihnen gleich einfallen, kommt man doch nicht sehr weit. Nach wenigen Sätzen reisst auch bei dem in „Concentration“ befindlichen Kranken der Faden ab. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich hier überall um quantitative Vergleichung, um den Kampf zwischen verschieden starken oder intensiven Motiven handelt. Dem „Associationswiderstand“ bei einer ernsthaften Hysterie ist das Drängen des fremden und der Sache unkundigen Arztes an Macht nicht gewachsen. Man muss auf kräftigere Mittel sinnen.

Da bediene ich mich denn zunächst eines kleinen technischen Kunstgriffes. Ich theile dem Kranken mit, dass ich im nächsten Moment einen Druck auf seine Stirne ausüben werde, versichere ihm, dass er während dieses ganzen Druckes eine Erinnerung als Bild vor sich sehen oder als Einfall in Gedanken haben werde, und verpflichte ihn dazu, dieses Bild oder diesen Einfall mir mitzutheilen, was immer das sein möge. Er dürfe es nicht für sich behalten, weil er etwa meine, es sei nicht das Gesuchte, das Richtige, oder weil es ihm zu unangenehm sei, es zu sagen. Keine Kritik, keine Zurückhaltung, weder aus Affect noch aus Geringschätzung! Nur so könnten wir das Gesuchte finden, so fänden wir es aber unfehlbar. Dann drücke ich für ein paar Secunden auf die Stirne des vor mir liegenden Kranken, lasse sie frei und frage ruhigen Tones, als ob eine Enttäuschung ausgeschlossen wäre: Was haben Sie gesehen? oder: Was ist Ihnen eingefallen?

Dieses Verfahren hat mich viel gelehrt und auch jedesmal zum Ziel geführt; ich kann es heute nicht mehr entbehren. Ich weiss natürlich, dass ich solchen Druck auf die Stirne durch irgend ein anderes Signal oder eine andere körperliche Beeinflussung des Kranken ersetzen könnte, aber wie der Kranke vor mir liegt, ergibt sich der Druck auf die Stirne oder das Fassen seines Kopfes zwischen meinen beiden Händen als das Suggestivste und Bequemste, was ich zu diesem Zwecke vornehmen kann. Zur Erklärung der Wirksamkeit dieses Kunstgriffes könnte ich etwa sagen, er entspreche einer „momentan verstärkten Hypnose“, allein der Mechanismus der Hypnose ist mir so räthselhaft, dass ich mich zur Erläuterung nicht auf ihn beziehen möchte. Ich meine eher, der Vortheil des Verfahrens liegt darin, dass ich hiedurch die Aufmerksamkeit des Kranken von seinem bewussten Suchen und Nachdenken, kurz von alledem, woran sich sein Wille [237] äussern kann, dissociire, ähnlich wie es sich wohl beim Starren in eine krystallene Kugel u. dgl. vollzieht. Die Lehre aber, die ich daraus ziehe, dass sich unter dem Druck meiner Hand jedesmal das einstellt, was ich suche, die lautet: Die angeblich vergessene pathogene Vorstellung liege jedesmal „in der Nähe“ bereit, sei durch leicht zugängliche Associationen erreichbar; es handle sich nur darum, irgend ein Hinderniss wegzuräumen. Dieses Hinderniss scheint wieder der Wille der Person zu sein, und verschiedene Personen lernen es verschieden leicht, sich ihrer Absichtlichkeit zu entäussern und sich vollkommen objectiv beobachtend gegen die psychischen Vorgänge in ihnen zu verhalten.

Es ist nicht immer eine „vergessene“ Erinnerung, die unter dem Druck der Hand auftaucht; in den seltensten Fällen liegen die eigentlich pathogenen Erinnerungen so oberflächlich auffindbar. Weit häufiger taucht eine Vorstellung auf, die ein Mittelglied zwischen der Ausgangsvorstellung und der gesuchten pathogenen in der Associationskette ist, oder eine Vorstellung, die den Ausgangspunkt einer neuen Reihe von Gedanken und Erinnerungen bildet, an deren Ende die pathogene Vorstellung steht. Der Druck hat dann zwar nicht die pathogene Vorstellung enthüllt, – die übrigens ohne Vorbereitung, aus dem Zusammenhange gerissen, unverständlich wäre, – aber er hat den Weg zu ihr gezeigt, die Richtung angegeben, nach welcher die Forschung fortzuschreiten hat. Die durch den Druck zunächst geweckte Vorstellung kann dabei einer wohlbekannten, niemals verdrängten Erinnerung entsprechen. Wo auf dem Wege zur pathogenen Vorstellung der Zusammenhang wieder abreisst, da bedarf es nur einer Wiederholung der Procedur, des Druckes, um neue Orientierung und Anknüpfung zu schaffen.

In noch anderen Fällen weckt man durch den Druck der Hand eine Erinnerung, die an sich dem Kranken wohl bekannt, ihn doch durch ihr Erscheinen in Verwunderung setzt, weil er ihre Beziehung zur Ausgangsvorstellung vergessen hat. Im weiteren Verlaufe der Analyse wird diese Beziehung dann erwiesen. Aus all diesen Ergebnissen des Drückens erhält man den täuschenden Eindruck einer überlegenen Intelligenz ausserhalb des Bewusstseins des Kranken, die ein grosses psychisches Material zu bestimmten Zwecken geordnet hält und ein sinnvolles Arrangement für dessen Wiederkehr in's Bewusstsein getroffen hat. Wie ich vermuthe, ist diese unbewusste zweite Intelligenz doch nur ein Anschein.

[238] In jeder complicirteren Analyse arbeitet man wiederholt, ja eigentlich fortwährend, mit Hilfe dieser Procedur (des Druckes auf die Stirne), welche bald von dort aus, wo die wachen Zurückführungen des Patienten abbrechen, den weiteren Weg über bekannt gebliebene Erinnerungen anzeigt, bald auf Zusammenhänge aufmerksam macht, die in Vergessenheit gerathen sind, dann Erinnerungen hervorruft und anreiht, welche seit vielen Jahren der Association entzogen waren, aber noch als Erinnerungen erkannt werden können, und endlich als höchste Leistung der Reproduction Gedanken auftauchen lässt, die der Kranke niemals als die seinigen anerkennen will, die er nicht erinnert, obwohl er zugesteht, dass sie von dem Zusammenhang unerbittlich gefordert werden, und während er sich überzeugt, dass gerade diese Vorstellungen den Abschluss der Analyse und das Aufhören der Symptome herbeiführen.

Ich will versuchen, einige Beispiele von den ausgezeichneten Leistungen dieses technischen Verfahrens an einander zu reihen: Ich behandelte ein junges Mädchen mit einer unausstehlichen, seit 6 Jahren fortgeschleppten Tussis nervosa, die offenbar aus jedem gemeinen Catarrh Nahrung zog, aber doch ihre starken psychischen Motive haben musste. Jede andere Therapie hatte sich längst ohnmächtig gezeigt; ich versuche also das Symptom auf dem Wege der psychischen Analyse aufzuheben. Sie weiss nur, dass ihr nervöser Husten begann, als sie, 14 Jahre alt, bei einer Tante in Pension war; von psychischen Erregungen in jener Zeit will sie nichts wissen, sie glaubt nicht an eine Motivirung des Leidens. Unter dem Druck meiner Hand erinnert sie sich zuerst an einen grossen Hund. Sie erkennt dann das Erinnerungsbild, es war ein Hund ihrer Tante, der sich ihr anschloss, sie überallhin begleitete u. dgl. Ja, und jetzt fällt ihr, ohne weitere Nachhilfe, ein, dass dieser Hund gestorben, dass die Kinder ihn feierlich begraben haben, und dass auf dem Rückweg von diesem Begräbniss ihr Husten aufgetreten ist. Ich frage, warum, muss aber wieder durch den Druck nachhelfen; da stellt sich denn der Gedanke ein: Jetzt bin ich ganz allein auf der Welt. Niemand liebt mich hier, dieses Thier war mein einziger Freund, und den habe ich jetzt verloren. – Sie setzt nun die Erzählung fort: Der Husten verschwand, als ich von der Tante wegkam, trat aber 1½ Jahre später wieder auf. – Was war da der Grund? – Ich weiss nicht. – Ich drücke wieder; sie erinnert sich an die Nachricht vom Tode ihres Onkels, bei welcher der Husten wieder ausbrach, und an einen ähnlichen Gedankengang. [239] Der Onkel war angeblich der Einzige in der Familie gewesen, der ein Herz für sie gehabt, der sie geliebt hatte. Diess war nun die pathogene Vorstellung: Man liebe sie nicht, man ziehe ihr jeden anderen vor, sie verdiene es auch nicht, geliebt zu werden u. dgl. An der Vorstellung der „Liebe“ aber haftete etwas, bei dessen Mittheilung sich ein arger Widerstand erhob. Die Analyse brach noch vor der Klärung ab.




Vor einiger Zeit sollte ich eine ältere Dame von ihren Angstanfällen befreien, die nach ihren Charaktereigenschaften kaum für derartige Beeinflussung geeignet war. Sie war seit der Menopause übermässig fromm geworden und empfing mich jedesmal wie den Gottseibeiuns, mit einem kleinen elfenbeinernen Crucifix bewaffnet, das sie in der Hand verbarg. Ihre Angstanfälle, die hysterischen Charakter trugen, reichten in frühe Mädchenjahre zurück und rührten angeblich von dem Gebrauche eines Jodpräparates her, mit welchem eine mässige Schwellung der Thyreoidea rückgängig gemacht werden sollte. Ich verwarf natürlich diese Herleitung und suchte sie durch eine andere zu ersetzen, die mit meinen Anschauungen über die Aetiologie neurotischer Symptome besser in Einklang stand. Auf die erste Frage nach einem Eindruck aus der Jugend, der mit den Angstanfällen in causalem Zusammenhang stünde, tauchte unter dem Drucke meiner Hand die Erinnerung an die Lecture eines sog. Erbauungsbuches auf, in dem eine, pietistisch genug, gehaltene Erwähnung der Sexualvorgänge zu finden war. Die betreffende Stelle machte auf das Mädchen einen der Intention des Autors entgegengesetzten Eindruck; sie brach in Thränen aus und schleuderte das Buch von sich. Diess war vor dem ersten Angstanfall. Ein zweiter Druck auf die Stirne der Kranken beschwor eine nächste Reminiscenz herauf, die Erinnerung an einen Erzieher der Brüder, der ihr grosse Ehrfurcht bezeugt und für den sie selbst eine wärmere Empfindung verspürt hatte. Diese Erinnerung gipfelte in der Reproduction eines Abends im elterlichen Hause, an dem sie alle mit dem jungen Manne um den Tisch herum sassen und sich im anregenden Gespräch so köstlich unterhielten. In der Nacht, die auf diesen Abend folgte, weckte sie der erste Angstanfall, der wohl mehr mit der Auflehnung gegen eine sinnliche Regung als mit dem etwa gleichzeitig gebrauchten Jod zu thun hatte. – Auf welche andere Weise hätte ich wohl Aussicht gehabt, bei dieser widerspenstigen, gegen mich und jede weltliche Therapie eingenommenen Patientin einen solchen Zusammenhang gegen ihre eigene Meinung und Behauptung aufzudecken?




[240] Ein anderes Mal handelte es sich um eine junge, glücklich verheirathete Frau, die schon in den ersten Mädchenjahren eine Zeit lang jeden Morgen in einem Zustand von Betäubung, mit starren Gliedern, offenem Mund und vorgestreckter Zunge gefunden wurde, und die jetzt ähnliche, wenn auch nicht so arge, Anfälle beim Aufwachen wiederholte. Eine tiefe Hypnose erwies sich als unerreichbar; ich begann also mit der Ausforschung im Zustande der Concentration und versicherte ihr beim ersten Druck, sie werde jetzt etwas sehen, was unmittelbar mit den Ursachen des Zustandes in der Kindheit zusammenhienge. Sie benahm sich ruhig und willig, sah die Wohnung wieder, in der sie die ersten Mädchenjahre verbracht hatte, ihr Zimmer, die Stellung ihres Bettes, die Grossmutter, die damals mit ihnen lebte, und eine ihrer Gouvernanten, die sie sehr geliebt hatte. Mehrere kleine Scenen in diesen Räumen und zwischen diesen Personen, eigentlich alle belanglos, folgten einander; den Schluss machte der Abschied der Gouvernante, die vom Hause weg heirathete. Mit diesen Reminiscenzen wusste ich nun gar nichts anzufangen, eine Beziehung derselben zur Aetiologie der Anfälle konnte ich nicht herstellen. Es war allerdings, an verschiedenen Umständen kenntlich, die nämliche Zeit, in welcher die Anfälle zuerst erschienen waren.

Noch ehe ich aber die Analyse fortsetzen konnte, hatte ich Gelegenheit, mit einem Collegen zu sprechen, der in früheren Jahren Arzt des elterlichen Hauses meiner Patientin gewesen war. Von ihm erhielt ich folgende Aufklärung: Zur Zeit, da er das reifende, körperlich sehr gut entwickelte, Mädchen an jenen ersten Anfällen behandelte, fiel ihm die übergrosse Zärtlichkeit im Verkehr zwischen ihr und der im Haus befindlichen Gouvernante auf. Er schöpfte Verdacht und veranlasste die Grossmutter, die Ueberwachung dieses Verkehres zu übernehmen. Nach kurzer Zeit konnte die alte Dame ihm berichten, dass die Gouvernante dem Kinde nächtliche Besuche im Bette abzustatten pflege, und dass ganz regelmässig nach solchen Nächten das Kind am Morgen im Anfall gefunden werde. Sie zögerten nun nicht, die geräuschlose Entfernung dieser Jugendverderberin durchzusetzen. Die Kinder und selbst die Mutter wurden in der Meinung erhalten, dass die Gouvernante das Haus verlasse, um zu heirathen.

Die, zunächst erfolgreiche, Therapie bestand nun darin, dass ich der jungen Frau die mir gegebene Aufklärung mittheilte.




[241] Gelegentlich erfolgen die Aufschlüsse, die man durch die Procedur des Drückens erhält, in sehr merkwürdiger Form und unter Umständen, welche die Annahme einer unbewussten Intelligenz noch verlockender erscheinen lassen. So erinnere ich mich einer an Zwangsvorstellungen und Phobien seit vielen Jahren leidenden Dame, die mich in Betreff der Entstehung ihres Leidens auf ihre Kinderjahre verwies, aber auch gar nichts zu nennen wusste, was dafür zu beschuldigen gewesen wäre. Sie war aufrichtig und intelligent und leistete nur einen bemerkenswerth geringen, bewussten Widerstand. (Ich schalte hier ein, dass der psychische Mechanismus der Zwangsvorstellungen mit dem der hysterischen Symptome sehr viel innere Verwandtschaft hat, und dass die Technik der Analyse für Beide die nämliche ist.)

Als ich diese Dame fragte, ob sie unter dem Drucke meiner Hand etwas gesehen oder eine Erinnerung bekommen habe, antwortete sie: Keines von Beiden aber mir ist plötzlich ein Wort eingefallen. – Ein einziges Wort? – Ja, aber es klingt zu dumm. – Sagen Sie es immerhin. – „Hausmeister.“ – Weiter nichts? – Nein. – Ich drückte zum zweiten Mal, und nun kam wieder ein vereinzeltes Wort, das ihr durch den Sinn schoss; „Hemd.“ – Ich merkte nun, dass hier eine neuartige Weise Antwort zu geben vorliege, und beförderte durch wiederholten Druck eine anscheinend sinnlose Reihe von Worten heraus: Hausmeister – Hemd – Bett – Stadt – Leiterwagen. Was soll das heissen, fragte ich? Sie sann einen Moment nach, dann fiel ihr ein: Das kann nur die eine Geschichte sein, die mir jetzt in den Sinn kommt. Wie ich 10 Jahre alt war und meine nächstältere Schwester 12, da bekam sie einmal in der Nacht einen Tobsuchtsanfall und musste gebunden und auf einem Leiterwagen in die Stadt geführt werden. Ich weiss es genau, dass es der Hausmeister war, der sie überwältigte und dann auch in die Anstalt begleitete. – Wir setzten nun diese Art der Forschung fort und bekamen von unserem Orakel andere Wortreihen zu hören, die wir zwar nicht sämmtlich deuten konnten, die sich aber doch zur Fortsetzung dieser Geschichte und zur Anknüpfung einer zweiten verwerthen liessen. Auch die Bedeutung dieser Reminiscenz ergab sich bald. Die Erkrankung der Schwester hatte auf sie darum so tiefen Eindruck gemacht, weil die Beiden ein Geheimniss mit einander theilten; sie schliefen in einem Zimmer und hatten in einer bestimmten Nacht Beide die sexuellen Angriffe einer gewissen männlichen Person über sich ergehen lassen. [242] Mit der Erwähnung dieses sexuellen Traumas in früher Jugend war aber nicht nur die Herkunft der ersten Zwangsvorstellungen, sondern auch das späterhin pathogen wirkende Trauma aufgedeckt. – Die Sonderbarkeit dieses Falles bestand nur in dem Auftauchen von einzelnen Schlagworten, die von uns zu Sätzen verarbeitet werden mussten, denn der Schein der Beziehungs- und Zusammenhangslosigkeit haftet an den ganzen Einfällen und Scenen, die sich sonst beim Drücken ergeben, gerade so wie an diesen orakelhaft hervorgestossenen Worten. Bei weiterer Verfolgung stellt sich dann regelmässig heraus, dass die scheinbar unzusammenhängenden Reminiscenzen durch Gedankenbande enge verknüpft sind, und dass sie ganz direct zu dem gesuchten pathogenen Moment hinführen.

Gerne erinnere ich mich daher an einen Fall von Analyse, in welchem mein Zutrauen in die Ergebnisse des Drückens zuerst auf eine harte Probe gestellt, dann aber glänzend gerechtfertigt wurde: Eine sehr intelligente und anscheinend sehr glückliche junge Frau hatte mich wegen eines hartnäckigen Schmerzes im Unterleib consultirt, welcher der Therapie nicht weichen wollte. Ich erkannte, dass der Schmerz in den Bauchdecken sitze, auf greifbare Muskelschwielen zu beziehen sei, und ordnete locale Behandlung an.

Nach Monaten sah ich die Kranke wieder, die mir sagte: Der Schmerz von damals ist nach der angerathenen Behandlung vergangen und lange weggeblieben, aber jetzt ist er als nervöser wiedergekehrt. Ich erkenne es daran, dass ich ihn nicht mehr bei Bewegungen habe wie früher, sondern nur zu bestimmten Stunden, z. B. morgens beim Erwachen und bei Aufregungen von gewisser Art. – Die Diagnose der Dame war ganz richtig; es galt jetzt, die Ursache dieses Schmerzes auffinden, und dazu konnte sie mir im unbeeinflussten Zustande nicht verhelfen. In der Concentration und unter dem Drucke meiner Hand, als ich sie fragte, ob ihr etwas einfiele oder ob sie etwas sehe, entschied sie sich für’s Sehen und begann mir ihre Gesichtsbilder zu beschreiben. Sie sah etwas wie eine Sonne mit Strahlen, was ich natürlich für ein Phosphen, hervorgebracht durch Druck auf die Augen, halten musste. Ich erwartete, dass Brauchbareres nachkommen würde, allein sie setzte fort: Sterne von eigenthümlich blassblauem Licht wie Mondlicht u. dgl. mehr, lauter Flimmer, Glanz und leuchtende Punkte vor den Augen, wie ich meinte. Ich war schon bereit, diesen Versuch zu den missglückten zu zählen, und dachte daran, wie ich mich unauffällig aus der Affaire ziehen [243] könnte, als mich eine der Erscheinungen, die sie beschrieb, aufmerksam machte. Ein grosses schwarzes Kreuz, wie sie es sah, das geneigt stand, an seinen Rändern denselben Lichtschimmer wie vom Mondlicht hatte, in dem alle bisherigen Bilder erglänzt hatten, und auf dessen Balken ein Flämmchen flackerte; das war doch offenbar kein Phosphen mehr. Ich horchte nun auf; es kamen massenhafte Bilder in demselben Licht, eigenthümliche Zeichen, die etwa dem Sanscrit ähnlich sahen, ferner Figuren wie Dreiecke, ein grosses Dreieck darunter; wiederum das Kreuz … Diesmal vermuthe ich eine allegorische Bedeutung und frage, was soll dieses Kreuz? – Es ist wahrscheinlich der Schmerz gemeint, antwortet sie. – Ich wende ein, unter „Kreuz“ verstünde man meist eine moralische Last; was versteckt sich hinter dem Schmerz? – Sie weiss es nicht zu sagen und fährt in ihren Gesichten fort: Eine Sonne mit goldenen Strahlen, die sie auch zu deuten weiss, – das ist Gott, die Urkraft; dann eine riesengrosse Eidechse, die sie fragend, aber nicht schreckhaft anschaut, dann ein Haufen von Schlangen, dann wieder eine Sonne, aber mit milden, silbernen Strahlen, und vor ihr, zwischen ihrer Person und dieser Lichtquelle ein Gitter, welches ihr den Mittelpunkt der Sonne verdeckt.

Ich weiss längst, dass ich es mit Allegorien zu thun habe, und frage sofort nach der Bedeutung des letzten Bildes. Sie antwortet, ohne sich zu besinnen: Die Sonne ist die Vollkommenheit, das Ideal, und das Gitter sind meine Schwächen und Fehler, die zwischen mir und dem Ideal stehen. – Ja, machen Sie sich denn Vorwürfe, sind Sie mit sich unzufrieden? – Freilich. – Seit wann denn? – Seitdem ich Mitglied der theosophischen Gesellschaft bin und die von ihr herausgegebenen Schriften lese. Eine geringe Meinung von mir hatte ich immer. – Was hat denn zuletzt den stärksten Eindruck auf Sie gemacht? – Eine Uebersetzung aus dem Sanscrit, die jetzt in Lieferungen erscheint. – Eine Minute später bin ich in ihre Seelenkämpfe, in die Vorwürfe, die sie sich macht, eingeweiht und höre von einem kleinen Erlebniss, das zu einem Vorwurf Anlass gab, und bei dem der früher organische Schmerz als Erfolg einer Erregungsconversion zuerst auftrat. – Die Bilder, die ich anfangs für Phosphene gehalten hatte, waren Symbole occultistischer Gedankengänge, vielleicht geradezu Embleme von den Titelblättern occultistischer Bücher.




Ich habe jetzt die Leistungen der Hilfsprocedur des Drückens so warm gepriesen und den Gesichtspunkt der Abwehr oder des Widerstandes [244] die ganze Zeit über so sehr vernachlässigt, dass ich sicherlich den Eindruck erweckt haben dürfte, man sei nun durch diesen kleinen Kunstgriff in den Stand gesetzt, des psychischen Hindernisses gegen eine kathartische Cur Herr zu werden. Allein diess zu glauben, wäre ein arger Irrthum; es gibt dergleichen Profite nicht in der Therapie, soviel ich sehe; zur grossen Veränderung wird hier wie überall grosse Arbeit erfordert. Die Druckprocedur ist weiter nichts als ein Kniff, das abwehrlustige Ich für eine Weile zu überrumpeln; in allen ernsteren Fällen besinnt es sich wieder auf seine Absichten und setzt seinen Widerstand fort.

Ich habe der verschiedenen Formen zu gedenken, in welchen dieser Widerstand auftritt. Zunächst das erste oder zweite Mal misslingt der Druckversuch gewöhnlich. Der Kranke äussert dann sehr enttäuscht: „Ich habe geglaubt, es wird mir etwas einfallen, aber ich habe nur gedacht, wie gespannt ich darauf bin; gekommen ist nichts.“ Solches Sich-in-Positursetzen des Patienten ist noch nicht zu den Hindernissen zu zählen; man sagt darauf: „Sie waren eben zu neugierig; das zweite Mal wird es dafür gehen.“ Und es geht dann wirklich. Es ist merkwürdig, wie vollständig oft die Kranken – und die gefügigsten und intelligentesten mit – an die Verabredung vergessen können, zu der sie sich doch vorher verstanden haben. Sie haben versprochen, alles zu sagen, was ihnen unter dem Drucke der Hand einfällt, gleichgiltig, ob es ihnen beziehungsvoll erscheint oder nicht, und ob es ihnen angenehm zu sagen ist oder nicht, also ohne Auswahl, ohne Beeinflussung durch Kritik oder Affect. Sie halten sich aber nicht an dieses Versprechen, es geht offenbar über ihre Kräfte. Allemal stockt die Arbeit, immer wieder behaupten sie, diesmal sei ihnen nichts eingefallen. Man darf ihnen diess nicht glauben, man muss dann immer annehmen und auch äussern, sie hielten etwas zurück, weil sie es für unwichtig halten oder peinlich empfinden. Man besteht darauf, man wiederholt den Druck, man stellt sich unfehlbar, bis man wirklich etwas zu hören bekömmt. Dann fügt der Kranke hinzu: „Das hätte ich Ihnen schon das erste Mal sagen können.“ – Warum haben Sie es nicht gesagt? – „Ich hab’ mir nicht denken können, dass es das sein sollte. Erst als es jedesmal wiedergekommen ist, habe ich mich entschlossen, es zu sagen“. – Oder: „Ich habe gehofft, gerade das wird es nicht sein; das kann ich mir ersparen zu sagen; erst als es sich nicht verdrängen liess, habe ich gemerkt, es wird mir nichts geschenkt.“ – So verräth der Kranke nachträglich die Motive eines Widerstandes, [245] den er anfänglich gar nicht einbekennen wollte. Er kann offenbar gar nicht anders als Widerstand leisten.

Es ist merkwürdig, hinter welchen Ausflüchten sich dieser Widerstand häufig verbirgt. „Ich bin heute zerstreut, mich stört die Uhr oder das Clavierspiel im Nebenzimmer.“ Ich habe gelernt, darauf zu antworten: Keineswegs, Sie stossen jetzt auf etwas, was Sie nicht gerne sagen wollen. Das nützt ihnen nichts. Verweilen Sie nur dabei. – Je länger die Pause zwischen dem Druck meiner Hand und der Aeusserung des Kranken ausfällt, desto misstrauischer werde ich, desto eher steht zu befürchten, dass der Kranke sich das zurechtlegt, was ihm eingefallen ist, und es in der Reproduction verstümmelt. Die wichtigsten Aufklärungen kommen häufig mit der Ankündigung als überflüssiges Beiwerk, wie die als Bettler verkleideten Prinzen der Oper: „Jetzt ist mir etwas eingefallen, das hat aber nichts damit zu schaffen. Ich sage es Ihnen nur, weil Sie alles zu wissen verlangen.“ Mit dieser Einbegleitung kommt dann meist die langersehnte Lösung; ich horche immer auf, wenn ich den Kranken so geringschätzig von einem Einfall reden höre. Es ist nämlich ein Zeichen der gelungenen Abwehr, dass die pathogenen Vorstellungen bei ihrem Wiederauftauchen so wenig bedeutsam erscheinen; man kann daraus erschliessen, worin der Process der Abwehr bestand; er bestand darin, aus der starken Vorstellung eine schwache zu machen, ihr den Affect zu entreissen.

Die pathogene Erinnerung erkennt man also unter anderen Merkmalen daran, dass sie vom Kranken als unwesentlich bezeichnet und doch nur mit Widerstand ausgesprochen wird. Es gibt auch Fälle, wo sie der Kranke noch bei ihrer Wiederkehr zu verleugnen sucht; „Jetzt ist mir etwas eingefallen, aber das haben Sie mir offenbar eingeredet“, oder: „Ich weiss, was Sie sich bei dieser Frage erwarten. Sie meinen gewiss, ich habe diess und jenes gedacht“. Eine besonders kluge Weise der Verleugnung liegt darin, zu sagen: „Jetzt ist mir allerdings etwas eingefallen; aber das kommt mir vor, als hätte ich es willkürlich hinzugefügt; es scheint mir kein reproducirter Gedanke zu sein“. – Ich bleibe in all’ diesen Fällen unerschütterlich fest, ich gehe auf keine dieser Distinctionen ein, sondern erkläre dem Kranken, das seien nur Formen und Vorwände des Widerstandes gegen die Reproduction der einen Erinnerung, die wir trotzdem anerkennen müssten.

Bei der Wiederkehr von Bildern hat man im Allgemeinen leichteres Spiel als bei der von Gedanken; die Hysterischen, die zumeist Visuelle sind, machen es dem Analytiker nicht so schwer wie die Leute mit [246] Zwangsvorstellungen. Ist einmal ein Bild aus der Erinnerung aufgetaucht, so kann man den Kranken sagen hören, dass es in dem Maass zerbröckele und undeutlich werde, wie er in seiner Schilderung desselben fortschreite. Der Kranke trägt es gleichsam ab, indem er es in Worte umsetzt. Man orientirt sich nun an dem Erinnerungsbild selbst, um die Richtung zu finden, nach welcher die Arbeit fortzusetzen ist. „Schauen Sie sich das Bild nochmals an. Ist es verschwunden? – Im Ganzen ja, aber dieses Detail sehe ich noch. – Dann hat diess noch etwas zu bedeuten. Sie werden entweder etwas Neues dazu sehen, oder es wird Ihnen bei diesem Rest etwas einfallen. – Wenn die Arbeit beendigt ist, zeigt sich das Gesichtsfeld wieder frei, man kann ein anderes Bild hervorlocken. Andere Male aber bleibt ein solches Bild hartnäckig vor dem inneren Auge des Kranken stehen, trotz seiner Beschreibung, und das ist für mich ein Zeichen, dass er mir noch etwas Wichtiges über das Thema des Bildes zu sagen hat. Sobald er diess vollzogen hat, schwindet das Bild, wie ein erlöster Geist zur Ruhe eingeht.

Es ist natürlich von hohem Werth für den Fortgang der Analyse, dass man dem Kranken gegenüber jedesmal Recht behalte, sonst hängt man ja davon ab, was er mitzutheilen für gut findet. Es ist darum tröstlich zu hören, dass die Procedur des Drückens eigentlich niemals fehlschlägt, von einem einzigen Fall abgesehen, den ich später zu würdigen habe, den ich aber sogleich durch die Bemerkung kennzeichnen kann, er entspreche einem besonderen Motiv zum Widerstande. Es kann freilich vorkommen, dass man die Procedur unter Verhältnissen anwendet, in denen sie nichts zu Tage fördern darf; man fragt z. B. nach der weiteren Aetiologie eines Symptoms, wenn dieselbe bereits abgeschlossen vorliegt, oder man forscht nach der psychischen Genealogie eines Symptoms, etwa eines Schmerzes, der in Wahrheit ein somatischer Schmerz war; in diesen Fällen behauptet der Kranke gleichfalls, es sei ihm nichts eingefallen, und befindet sich im Rechte. Man wird sich davor behüten, ihm Unrecht zu thun, wenn man es sich ganz allgemein zur Regel macht, während der Analyse die Miene des ruhig Daliegenden nicht aus dem Auge zu lassen. Man lernt dann ohne jede Schwierigkeit, die seelische Ruhe bei wirklichem Ausbleiben einer Reminiscenz von der Spannung und den Affectanzeichen zu unterscheiden, unter welchen der Kranke im Dienste der Abwehr die auftauchende Reminiscenz zu verleugnen sucht. Auf solchen Erfahrungen ruht übrigens auch die differentialdiagnostische Anwendung der Druckprocedur.

[247] Es ist also die Arbeit auch mit Hilfe der Druckprocedur keine mühelose. Man hat nur den einen Vortheil gewonnen, dass man aus den Ergebnissen dieses Verfahrens gelernt hat, nach welcher Richtung man zu forschen, und welche Dinge man dem Kranken aufzudrängen hat. Für manche Fälle reicht diess aus; es handelt sich ja wesentlich darum, dass ich das Geheimniss errathe und es dem Kranken in’s Gesicht zusage; er muss dann meist seine Ablehnung aufgeben. In anderen Fällen brauche ich mehr; der überdauernde Widerstand des Kranken zeigt sich darin, dass die Zusammenhänge reissen, die Lösungen ausbleiben, die erinnerten Bilder undeutlich und unvollständig kommen. Man erstaunt oft, wenn man aus einer späteren Periode einer Analyse auf die frühern zurückblickt, wie verstümmelt alle die Einfalle und Scenen waren, die man dem Kranken durch die Procedur des Drückens entrissen hat. Es fehlte gerade das Wesentliche daran, die Beziehung auf die Person oder auf das Thema, und das Bild blieb darum unverständlich. Ich will ein oder zwei Beispiele für das Wirken einer solchen Censurirung beim ersten Auftauchen der pathogenen Erinnerungen geben. Der Kranke sieht z. B. einen weiblichen Oberkörper, an dessen Hülle wie durch Nachlässigkeit etwas klafft; erst viel später fügt er zu diesem Torso den Kopf, um damit eine Person und eine Beziehung zu verrathen. Oder er erzählt eine Reminiscenz aus seiner Kindheit von zwei Buben, deren Gestalt ihm ganz dunkel ist, denen man eine gewisse Unart nachgesagt hätte. Es bedarf vieler Monate und grosser Fortschritte im Gange der Analyse, bis er diese Reminiscenz wiedersieht und in dem einen der Kinder sich selbst, im anderen seinen Bruder erkennt. Welche Mittel hat man nun zur Verfügung, um diesen fortgesetzten Widerstand zu überwinden?

Wenige, aber doch fast alle die, durch die sonst ein Mensch eine psychische Einwirkung auf einen anderen übt. Man muss sich zunächst sagen, dass psychischer Widerstand, besonders ein seit langem constituirter, nur langsam und schrittweise aufgelöst werden kann, und muss in Geduld warten. Sodann darf man auf das intellectuelle Interesse rechnen, das sich nach kurzer Arbeit beim Kranken zu regen beginnt. Indem man ihn aufklärt, ihm von der wundersamen Welt der psychischen Vorgänge Mittheilungen macht, in die man selbst erst durch solche Analysen Einblick gewonnen hat, gewinnt man ihn selbst zum Mitarbeiter, bringt man ihn dazu, sich selbst mit dem objectiven Interesse des Forschers zu betrachten, und drängt so den auf affectiver Basis beruhenden Widerstand zurück. Endlich aber, – und diess bleibt der [248] stärkste Hebel –, muss man versuchen, nachdem man die Motive seiner Abwehr errathen, diese Motive zu entwerthen, oder selbst sie durch stärkere zu ersetzen. Hier hört wohl die Möglichkeit auf, die psychotherapeutische Thätigkeit in Formeln zu fassen. Man wirkt, so gut man kann, als Aufklärer, wo die Ignoranz eine Scheu erzeugt hat, als Lehrer, als Vertreter einer freieren oder überlegenen Weltauffassung, als Beichthörer, der durch die Fortdauer seiner Theilnahme und seiner Achtung nach abgelegtem Geständniss gleichsam Absolution ertheilt; man sucht dem Kranken menschlich etwas zu leisten, soweit der Umfang der eigenen Persönlichkeit und das Maass von Sympathie, das man für den betreffenden Fall aufbringen kann, diess gestatten. Für solche psychische Bethätigung ist als unerlässliche Voraussetzung erforderlich, dass man die Natur des Falles und die Motive der hier wirksamen Abwehr ungefähr errathen habe, und zum Glück trägt die Technik des Drängens und der Druckprocedur gerade so weit. Je mehr man dergleichen Räthsel bereits gelöst hat, desto leichter wird man vielleicht ein neues errathen, und desto früher wird man die eigentlich heilende psychische Arbeit in Angriff nehmen können. Denn es ist gut, sich diess völlig klar zu machen: Wenn auch der Kranke sich von dem hysterischen Symptom erst befreit, indem er die es verursachenden pathogenen Eindrücke reproducirt und unter Affectäusserung ausspricht, so liegt doch die therapeutische Aufgabe nur darin, ihn dazu zu bewegen, und wenn diese Aufgabe einmal gelöst ist, so bleibt für den Arzt nichts mehr zu corrigiren oder aufzuheben übrig. Alles, was es an Gegensuggestionen dafür braucht, ist bereits während der Bekämpfung des Widerstandes aufgewendet worden. Der Fall ist etwa mit dem Aufschliessen einer versperrten Thüre zu vergleichen, wonach das Niederdrücken der Klinke, um sie zu öffnen, keine Schwierigkeit mehr hat.

Neben den intellectuellen Motiven, die man zur Ueberwindung des Widerstandes heranzieht, wird man ein affectives Moment, die persönliche Geltung des Arztes, selten entbehren können, und in einer Anzahl von Fällen wird Letzteres allein im Stande sein, den Widerstand zu beheben. Das ist hier nicht anders als sonst in der Medizin, und man wird keiner therapeutischen Methode zumuthen dürfen, auf die Mitwirkung dieses persönlichen Momentes gänzlich zu verzichten.

[249]
III.

Angesichts der Ausführungen des vorstehenden Abschnittes, der Schwierigkeiten meiner Technik, die ich rückhaltlos aufgedeckt habe, – ich habe sie übrigens aus den schwersten Fällen zusammengetragen, es wird oft sehr viel bequemer gehen –; angesichts dieses Sachverhaltes also wird wohl jeder die Frage aufwerfen wollen, ob es nicht zweckmässiger sei, anstatt all dieser Quälereien sich energischer um die Hypnose zu bemühen oder die Anwendung der kathartischen Methode auf solche Kranke zu beschränken, die in tiefe Hypnose zu versetzen sind. Auf letzteren Vorschlag müsste ich antworten, dass dann die Zahl der brauchbaren Patienten für meine Geschicklichkeit allzusehr einschrumpfen würde; dem ersteren Rath aber werde ich die Muthmaassung entgegensetzen, es dürfte durch Erzwingen der Hypnose nicht viel vom Widerstand zu ersparen sein. Meine Erfahrungen hierüber sind eigenthümlicher Weise nur wenig zahlreich, ich kann daher nicht über die Muthmaassung hinauskommen: aber wo ich eine kathartische Cur in der Hypnose anstatt in der Concentration durchgeführt habe, fand ich die mir zufallende Arbeit dadurch nicht verringert. Ich habe erst unlängst eine solche Behandlung beendigt, in deren Verlauf ich eine hysterische Lähmung der Beine zum Weichen brachte. Die Patientin gerieth in einen Zustand, der psychisch vom Wachen sehr verschieden war und somatisch dadurch ausgezeichnet, dass sie die Augen unmöglich öffnen oder sich erheben konnte, ehe ich ihr zugerufen hatte: Jetzt wachen Sie auf, und doch habe ich in keinem Falle grösseren Widerstand gefunden als gerade in diesem. Ich legte auf diese körperlichen Zeichen keinen Werth, und gegen Ende der, zehn Monate währenden, Behandlung waren sie auch unmerklich geworden; der Zustand der Patientin, in dem wir arbeiteten, hatte darum von seinen psychischen Eigenthümlichkeiten, der Fähigkeit sich an Unbewusstes zu erinnern, der ganz besonderen Beziehung zur Person des Arztes nichts eingebüsst. In der Geschichte der Frau Emmy v. N. . . habe ich allerdings ein Beispiel einer im tiefsten Somnambulismus ausgeführten kathartischen Cur geschildert, in welcher der Widerstand fast keine Rolle spielte. Allein von dieser Frau habe ich auch nichts erfahren, zu dessen Mittheilung es einer besonderen Ueberwindung bedurft hätte, nichts, was sie mir nicht bei längerer Bekanntschaft und einiger Schätzung auch im Wachen hätte erzählen können. Auf die eigentlichen Ursachen ihrer Erkrankung, [250] sicherlich identisch mit den Ursachen ihrer Recidiven nach meiner Behandlung, bin ich gar nicht gekommen; – es war eben mein erster Versuch in dieser Therapie, – und das einzige Mal, als ich zufällig eine Reminiscenz von ihr forderte, in die sich ein Stück Erotik einmengte, fand ich sie ebenso widerstrebend und unverlässlich in ihren Angaben wie später irgend eine andere meiner nicht somnambulen Patientinnen. Von dem Widerstand dieser Frau auch im Somnambulismus gegen andere Anforderungen und Zumuthungen habe ich bereits in ihrer Krankengeschichte gesprochen. Ueberhaupt ist mir der Werth der Hypnose für die Erleichterung kathartischer Curen zweifelhaft geworden, seitdem ich Beispiele erlebt habe von absoluter therapeutischer Unfügsamkeit bei ausgezeichnetem andersartigen Gehorsam im tiefen Somnambulismus. Einen Fall dieser Art habe ich kurz auf p. 85 mitgetheilt; ich könnte noch andere hinzufügen. Ich gestehe übrigens, dass diese Erfahrung meinem Bedürfniss nach quantitativer Relation zwischen Ursache und Wirkung auch auf psychischem Gebiete nicht übel entsprochen hat.




In der bisherigen Darstellung hat sich uns die Idee des Widerstandes in den Vordergrund gedrängt; ich habe gezeigt, wie man bei der therapeutischen Arbeit zu der Auffassung geleitet wird, die Hysterie entstehe durch die Verdrängung einer unverträglichen Vorstellung aus dem Motive der Abwehr, die verdrängte Vorstellung bleibe als eine schwache (wenig intensive) Erinnerungsspur bestehen, der ihr entrissene Affect werde für eine somatische Innervation verwendet: Conversion der Erregung. Die Vorstellung werde also gerade durch ihre Verdrängung Ursache krankhafter Symptome, also pathogen. Einer Hysterie, die diesen psychischen Mechanismus aufweist, darf man den Namen „Abwehrhysterie“ beilegen. Nun haben wir Beide, Breuer und ich, zu wiederholten Malen von zwei anderen Arten der Hysterie gesprochen, für welche wir die Namen „Hypnoid- und Retentionshysterie“ in Gebrauch zogen. Die Hypnoidhysterie ist diejenige, die überhaupt zuerst in unseren Gesichtskreis getreten ist; ich wüsste ja kein besseres Beispiel für eine solche anzuführen als den ersten Fall Breuer’s, der unter unseren Krankengeschichten an erster Stelle steht. Für eine solche Hypnoidhysterie hat Breuer einen von dem der Conversionsabwehr wesentlich verschiedenen psychischen Mechanismus angegeben. Hier soll also eine Vorstellung dadurch pathogen werden, dass sie, in einem besonderen psychischen Zustand [251] empfangen, von vorne herein ausserhalb des Ich verblieben ist. Es hat also keiner psychischen Kraft bedurft, sie von dem Ich abzuhalten, und es darf keinen Widerstand erwecken, wenn man sie mit Hilfe der somnambulen Geistesthätigkeit in das Ich einführt. Die Krankengeschichte der Anna O. zeigt auch wirklich nichts von einem solchen Widerstand.

Ich halte diesen Unterschied für so wesentlich, dass ich mich durch ihn gerne bestimmen lasse, an der Aufstellung der Hypnoidhysterie festzuhalten. Meiner eigenen Erfahrung ist merkwürdiger Weise keine echte Hypnoidhysterie begegnet; was ich in Angriff nahm, verwandelte sich in Abwehrhysterie. Nicht etwa, dass ich es niemals mit Symptomen zu thun gehabt hätte, die nachweisbar in abgesonderten Bewusstseinszuständen entstanden waren und darum von der Aufnahme in’s Ich ausgeschlossen bleiben mussten. Diess traf auch in meinen Fällen mitunter zu, aber dann konnte ich doch nachweisen, dass der sog. hypnoide Zustand seine Absonderung dem Umstand verdankte, dass in ihm eine vorher durch Abwehr abgespaltene psychische Gruppe zur Geltung kam. Kurz, ich kann den Verdacht nicht unterdrücken, dass Hypnoid- und Abwehrhysterie irgendwo an ihrer Wurzel zusammentreffen, und dass dabei die Abwehr das Primäre ist. Ich weiss aber nichts darüber.

Gleich unsicher ist derzeit mein Urtheil über die „Retentionshysterie“, bei welcher die therapeutische Arbeit gleichfalls ohne Widerstand erfolgen sollte. Ich habe einen Fall gehabt, den ich für eine typische Retentionshysterie gehalten habe; ich freute mich auf den leichten und sicheren Erfolg, aber dieser Erfolg blieb aus, so leicht auch wirklich die Arbeit war. Ich vermuthe daher, wiederum mit aller Zurückhaltung, die der Unwissenheit geziemt, dass auch bei der Retentionshysterie auf dem Grunde ein Stück Abwehr zu finden ist, welches den ganzen Vorgang in’s Hysterische gedrängt hat. Ob ich mit dieser Tendenz zur Ausdehnung des Abwehrbegriffes auf die gesammte Hysterie Gefahr laufe, der Einseitigkeit und dem Irrthum zu verfallen, werden ja hoffentlich neue Erfahrungen bald entscheiden.




[252] Ich habe bisher von den Schwierigkeiten und der Technik der kathartischen Methode gehandelt und möchte noch einige Andeutungen hinzufügen, wie sich mit dieser Technik eine Analyse gestaltet. Es ist diess ein für mich sehr interessantes Thema, von dem ich aber nicht erwarten kann, es werde ähnliches Interesse bei Anderen erregen, die noch keine solche Analyse ausgeführt haben. Es wird eigentlich wiederum von Technik die Rede sein, aber diesmal von den inhaltlichen Schwierigkeiten, für die man den Kranken nicht verantwortlich machen kann, die zum Theil bei einer Hypnoid- und Retentionshysterie dieselben sein müssten wie bei den mir als Muster vorschwebenden Abwehrhysterien. Ich gehe an dieses letzte Stück der Darstellung mit der Erwartung, die hier aufzudeckenden psychischen Eigenthümlichkeiten könnten einmal für eine Vorstellungsdynamik einen gewissen Werth als Rohmaterial erlangen.

Der erste und mächtigste Eindruck, den man sich bei einer solchen Analyse holt, ist gewiss der, dass das pathogene psychische Material, das angeblich vergessen ist, dem Ich nicht zur Verfügung steht, in der Association und im Erinnern keine Rolle spielt. – doch in irgend einer Weise bereit liegt, und zwar in richtiger und guter Ordnung. Es handelt sich nur darum, Widerstände zu beseitigen, die den Weg dazu versperren. Sonst aber wird es gewusst, wie wir überhaupt etwas wissen können; die richtigen Verknüpfungen der einzelnen Vorstellungen unter einander und mit nicht pathogenen, häufig erinnerten, sind vorhanden, sind seinerzeit vollzogen und im Gedächtniss bewahrt worden. Das pathogene psychische Material erscheint als das Eigenthum einer Intelligenz, die der des normalen Ich nicht nothwendig nachsteht. Der Schein einer zweiten Persönlichkeit wird oft auf das täuschendste hergestellt.

Ob dieser Eindruck berechtigt ist, ob man dabei nicht die Anordnung des psychischen Materials, die nach der Erledigung resultirt, in die Zeit der Krankheit zurückverlegt, diess sind Fragen, die ich noch nicht und nicht an dieser Stelle in Erwägung ziehen möchte. Man kann die bei solchen Analysen gemachten Erfahrungen jedenfalls nicht bequemer und anschaulicher beschreiben, als wenn man sich auf den Standpunkt stellt, den man nach der Erledigung zur Ueberschau des Ganzen einnehmen darf.

Die Sachlage ist ja meist keine so einfache, wie man sie für besondere Fälle, z. B. für ein einzelnes, in einem grossen Trauma entstandenes Symptom dargestellt hat. Man hat zumeist nicht ein [253] einziges hysterisches Symptom, sondern eine Anzahl von solchen, die theils unabhängig von einander, theils mit einander verknüpft sind. Man darf nicht eine einzige traumatische Erinnerung und als Kern derselben eine einzige pathogene Vorstellung erwarten, sondern muss auf Reihen von Partialtraumen und Verkettungen von pathogenen Gedankengängen gefasst sein. Die monosymptomatische traumatische Hysterie ist gleichsam ein Elementarorganismus, ein einzelliges Wesen im Vergleich zum complicirten Gefüge einer schwereren hysterischen Neurose, wie wir ihr gemeinhin begegnen.

Das psychische Material einer solchen Hysterie stellt sich nun dar als ein mehrdimensionales Gebilde von mindestens dreifacher Schichtung. Ich hoffe, ich werde diese bildliche Ausdrucksweise bald rechtfertigen können. Es ist zunächst ein Kern vorhanden von solchen Erinnerungen (an Erlebnisse oder Gedankengänge), in denen das traumatische Moment gegipfelt, oder die pathogene Idee ihre reinste Ausbildung gefunden hat. Um diesen Kern herum findet man eine oft unglaublich reichliche Menge von anderem Erinnerungsmaterial, die man bei der Analyse durcharbeiten muss in, wie erwähnt, dreifacher Anordnung. Erstens ist eine lineare chronologische Anordnung unverkennbar, die innerhalb jedes einzelnen Themas statthat. Als Beispiel für diese citire ich bloss die Anordnungen in Breuer’s Analyse der Anna O. Das Thema sei das des Taubwerdens, des Nichthörens (pag. 28); das differenzirte sich dann nach 7 Bedingungen, und unter jeder Ueberschrift waren 10 bis über 100 Einzelerinnerungen in chronologischer Reihenfolge gesammelt. Es war, als ob man ein, wohl in Ordnung gehaltenes, Archiv ausnehmen würde. In der Analyse meiner Patientin Emmy v. N … sind ähnliche, wenn auch nicht so vollzählig dargestellte Erinnerungsfascikel enthalten: sie bilden aber ein ganz allgemeines Vorkommniss in jeder Analyse, treten jedesmal in einer chronologischen Ordnung auf, die so unfehlbar verlässlich ist wie die Reihenfolge der Wochentage oder Monatenamen beim geistig normalen Menschen, und erschweren die Arbeit der Analyse durch die Eigenthümlichkeit, dass sie die Reihenfolge ihrer Entstehung bei der Reproduction umkehren; das frischeste, jüngste Erlebniss des Fascikels kommt als „Deckblatt“ zuerst, und den Schluss macht jener Eindruck, mit dem in Wirklichkeit die Reihe anfing.

Ich habe die Gruppirung gleichartiger Erinnerungen zu einer linear geschichteten Mehrheit, wie es ein Actenbündel, ein Paket udgl. darstellt, als Bildung eines Themas bezeichnet. Diese Themen nun [254] zeigen eine zweite Art von Anordnung; sie sind, ich kann es nicht anders ausdrücken, concentrisch um den pathogenen Kern geschichtet. Es ist nicht schwer zu sagen, was diese Schichtung ausmacht, nach welcher ab- oder zunehmenden Grösse diese Anordnung erfolgt. Es sind Schichten gleichen, gegen den Kern hin wachsenden Widerstandes und damit Zonen gleicher Bewusstseinsveränderung, in denen sich die einzelnen Themen erstrecken. Die periphersten Schichten enthalten von verschiedenen Themen jene Erinnerungen (oder – Fascikel), die leicht erinnert werden und immer klar bewusst waren; je tiefer man geht, desto schwieriger werden die auftauchenden Erinnerungen erkannt, bis man nahe am Kern auf solche stösst, die der Patient noch bei der Reproduction verleugnet.

Diese Eigenthümlichkeit der concentrischen Schichtung des pathogenen psychischen Materials ist es, die dem Verlaufe solcher Analysen ihre, wie wir hören werden, charakteristischen Züge verleiht. Jetzt ist noch eine dritte Art von Anordnung zu erwähnen, die wesentlichste, über die am wenigsten leicht eine allgemeine Aussage zu machen ist. Es ist die Anordnung nach dem Gedankeninhalt, die Verknüpfung durch den bis zum Kern reichenden logischen Faden, der einem in jedem Falle besonderen, unregelmässigen und vielfach abgeknickten Weg entsprechen mag. Diese Anordnung hat einen dynamischen Charakter, im Gegensatz zum morphologischen der beiden vorerst erwähnten Schichtungen. Während letztere in einem räumlich ausgeführten Schema durch starre, bogenförmige und gerade Linien darzustellen wären, müsste man dem Gang der logischen Verkettung mit einem Stäbchen nachfahren, welches auf den verschlungensten Wegen aus oberflächlichen in tiefe Schichten und zurück, doch im Allgemeinen von der Peripherie her zum centralen Kern vordringt und dabei alle Stationen berühren muss, also ähnlich wie das Zickzack der Lösung einer Rösselsprungaufgabe über die Felderzeichnung hinweggeht.

Ich halte letzteren Vergleich noch für einen Moment fest, um einen Punkt hervorzuheben, in dem er den Eigenschaften des Verglichenen nicht gerecht wird. Der logische Zusammenhang entspricht nicht nur einer zickzackförmig geknickten Linie, sondern vielmehr einer verzweigten, und ganz besonders einem convergirenden Liniensystem. Er hat Knotenpunkte, in denen zwei oder mehrere Fäden zusammentreffen, um von da an vereinigt weiterzuziehen, und in den Kern münden in der Regel mehrere unabhängig von einander verlaufende oder durch Seitenwege stellenweise verbundene Fäden ein. Es ist sehr bemerkenswerth, [255] um es mit anderen Worten zu sagen, wie häufig ein Symptom mehrfach determinirt, überbestimmt ist.

Mein Versuch, die Organisation des pathogenen psychischen Materials zu veranschaulichen, wird abgeschlossen sein, wenn ich noch eine einzige Complication einführe. Es kann nämlich der Fall vorliegen, dass es sich um mehr als einen einzigen Kern im pathogenen Material handle, so z. B. wenn ein zweiter hysterischer Ausbruch zu analysiren ist, der seine eigene Aetiologie hat, aber doch mit einem, Jahre vorher überwundenen, ersten Ausbruch acuter Hysterie zusammenhängt. Man kann sich dann leicht vorstellen, welche Schichten und Gedankenwege hinzukommen müssen, um zwischen den beiden pathogenen Kernen eine Verbindung herzustellen.

Ich will an das so gewonnene Bild von der Organisation des pathogenen Materiales noch die eine oder die andere Bemerkung anknüpfen. Wir haben von diesem Material ausgesagt, es benehme sich wie ein Fremdkörper; die Therapie wirke auch wie die Entfernung eines Fremdkörpers aus dem lebenden Gewebe. Wir sind jetzt in der Lage einzusehen, worin dieser Vergleich fehlt. Ein Fremdkörper geht keinerlei Verbindung mit den ihn umlagernden Gewebsschichten ein, obwohl er dieselben verändert, zur reactiven Entzündung nöthigt. Unsere pathogene psychische Gruppe dagegen lässt sich nicht sauber aus dem Ich herausschälen, ihre äusseren Schichten gehen allseitig in Antheile des normalen Ich über, gehören letzterem eigentlich ebenso sehr an wie der pathogenen Organisation. Die Grenze zwischen Beiden wird bei der Analyse rein conventionell, bald hier, bald dort gesteckt, ist an einzelnen Stellen wohl gar nicht anzugeben. Die inneren Schichten entfremden sich dem Ich immer mehr und mehr, ohne dass wiederum die Grenze des Pathogenen irgendwo sichtbar begänne. Die pathogene Organisation verhält sich nicht eigentlich wie ein Fremdkörper, sondern weit eher wie ein Infiltrat. Als das Infiltrirende muss in diesem Gleichniss der Widerstand genommen werden. Die Therapie besteht ja auch nicht darin, etwas zu exstirpiren, – das vermag die Psychotherapie heute nicht, – sondern den Widerstand zum Schmelzen zu bringen und so der Circulation den Weg in ein bisher abgesperrtes Gebiet zu bahnen.

(Ich bediene mich hier einer Reihe von Gleichnissen, die alle nur eine recht begrenzte Aehnlichkeit mit meinem Thema haben, und die sich auch unter einander nicht vertragen. Ich weiss dies, und bin nicht in Gefahr, deren Werth zu überschätzen, aber mich leitet [256] die Absicht, ein höchst complicirtes und noch niemals dargestelltes Denkobject von verschiedenen Seiten her zu veranschaulichen, und darum erbitte ich mir die Freiheit, auch noch auf den folgenden Seiten in solcher, nicht einwandfreien Weise mit Vergleichen zu schalten.)

Wenn man nach vollendeter Erledigung das pathogene Material in seiner nun erkannten, complicirten, mehrdimensionalen Organisation einem Dritten zeigen könnte, würde dieser mit Recht die Frage aufwerfen: Wie kam ein solches Kameel durch das Nadelöhr? Man spricht nämlich nicht mit unrecht von einer „Enge des Bewusstseins“. Der Terminus gewinnt Sinn und Lebensfrische für den Arzt, der eine solche Analyse durchführt. Es kann immer nur eine einzelne Erinnerung in’s Ichbewusstsein eintreten; der Kranke, der mit der Durcharbeitung dieser einen beschäftigt ist, sieht nichts von dem, was nachdrängt, und vergisst an das, was bereits durchgedrungen ist. Stösst die Bewältigung dieser einen pathogenen Erinnerung auf Schwierigkeiten, wie z. B. wenn der Kranke mit dem Widerstande gegen sie nicht nachlässt, wenn er sie verdrängen oder verstümmeln will, so ist der Engpass gleichsam verlegt; die Arbeit stockt, es kann nichts anderes kommen, und die eine im Durchbruch befindliche Erinnerung bleibt vor dem Kranken stehen, bis er sie in die Weite des Ich’s aufgenommen hat. Die ganze räumlich ausgedehnte Masse des pathogenen Materials wird so durch eine enge Spalte durchgezogen, langt also, wie in Stücke oder Bänder zerlegt, im Bewusstsein an. Es ist Aufgabe des Psychotherapeuten, daraus die vermuthete Organisation wieder zusammenzusetzen. Wer noch nach Vergleichen gelüstet, der mag sich hier an ein Geduldspiel erinnern.

Steht man davor, eine solche Analyse zu beginnen, wo man eine derartige Organisation des pathogenen Materials erwarten darf, kann man sich folgende Ergebnisse der Erfahrung zu Nutze machen: Es ist ganz aussichtslos, directe zum Kern der pathogenen Organisation vorzudringen. Könnte man diesen selbst errathen, so würde der Kranke doch mit der ihm geschenkten Aufklärung nichts anzufangen wissen und durch sie psychisch nicht verändert werden.

Es bleibt nichts übrig, als sich zunächst an die Peripherie des pathogenen psychischen Gebildes zu halten. Man beginnt damit, den Kranken erzählen zu lassen, was er weiss und erinnert, wobei man bereits seine Aufmerksamkeit dirigirt und durch Anwendung der Druckprocedur leichtere Widerstände überwindet. Jedesmal, wenn man [257] durch Drücken einen neuen Weg eröffnet hat, darf man erwarten, dass der Kranke ihn ein Stück weit ohne neuen Widerstand fortsetzen wird.

Hat man eine Weile auf solche Weise gearbeitet, so regt sich gewöhnlich eine mitarbeitende Thätigkeit im Kranken. Es fallen ihm jetzt eine Fülle von Reminiscenzen ein, ohne dass man ihm Fragen und Aufgaben zu stellen braucht; man hat sich eben den Weg in eine innere Schichte gebahnt, innerhalb welcher der Kranke jetzt über das Material von gleichem Widerstande spontan verfügt. Man thut gut daran, ihn eine Weile unbeeinflusst reproduciren zu lassen; er ist selber zwar nicht im Stande, wichtige Zusammenhänge aufzudecken, aber das Abtragen innerhalb derselben Schichte darf man ihm überlassen. Die Dinge, die er so beibringt, scheinen oft zusammenhanglos, geben aber das Material ab, das durch späterhin erkannten Zusammenhang belebt wird.

Man hat sich hier im Allgemeinen vor zweierlei zu bewahren. Wenn man den Kranken in der Reproduction der ihm zuströmenden Einfälle hemmt, so kann man sich manches „verschütten“, was späterhin mit grosser Mühe doch freigemacht werden muss. Andererseits darf man seine „unbewusste Intelligenz“ nicht überschätzen und ihr nicht die Leitung der ganzen Arbeit überlassen. Wollte ich den Arbeitsmodus schematisiren, so könnte ich etwa sagen, man übernimmt selbst die Eröffnung innerer Schichten, das Vordringen in radialer Richtung, während der Kranke die peripherische Erweiterung besorgt.

Das Vordringen geschieht ja dadurch, dass man in der vorhin angedeuteten Weise Widerstand überwindet. In der Regel aber hat man vorher noch eine andere Aufgabe zu lösen. Man muss ein Stück des logischen Fadens in die Hand bekommen, unter dessen Leitung man allein in das Innere einzudringen hoffen darf. Man erwarte nicht, dass die freien Mittheilungen des Kranken, das Material der am meisten oberflächlichen Schichten, es dem Analytiker leicht machen zu erkennen, an welchen Stellen es in die Tiefe geht, an welche Punkte die gesuchten Gedankenzusammenhänge anknüpfen. Im Gegentheil; gerade diess ist sorgfältig verhüllt, die Darstellung des Kranken klingt wie vollständig und in sich gefestigt. Man steht zuerst vor ihr wie vor einer Mauer, die jede Aussicht versperrt und die nicht ahnen lässt, ob etwas und was denn doch dahinter steckt.

Wenn man aber die Darstellung, die man vom Kranken ohne viel Mühe und Widerstand erhalten hat, mit kritischem Auge mustert, [258] wird man ganz unfehlbar Lücken und Schäden in ihr entdecken. Hier ist der Zusammenhang sichtlich unterbrochen und wird vom Kranken durch eine Redensart, eine ganz ungenügende Auskunft nothdürftig ergänzt; dort stösst man auf ein Motiv, das bei einem normalen Menschen als ein ohnmächtiges zu bezeichnen wäre. Der Kranke will diese Lücken nicht anerkennen, wenn er auf sie aufmerksam gemacht wird. Der Arzt aber thut Recht daran, wenn er hinter diesen schwachen Stellen den Zugang zu dem Material der tieferen Schichten sucht, wenn er gerade hier die Fäden des Zusammenhanges aufzufinden hofft, denen er mit der Druckprocedur nachspürt. Man sagt dem Kranken also: Sie irren sich; das, was Sie angeben, kann mit dem Betreffenden nichts zu thun haben. Hier müssen wir auf etwas Anderes stossen, was Ihnen unter dem Druck meiner Hand einfallen wird.

Man darf nämlich an einen Gedankengang bei einem Hysterischen, und reichte er auch in’s Unbewusste, dieselben Anforderungen von logischer Verknüpfung und ausreichender Motivirung stellen, die man bei einem normalen Individuum erheben würde. Eine Lockerung dieser Beziehungen liegt nicht im Machtbereich der Neurose. Wenn die Vorstellungsverknüpfungen der Neurotischen und speciell der Hysterischen einen anderen Eindruck machen, wenn hier die Relation der Intensitäten verschiedener Vorstellungen aus psychologischen Bedingungen allein unerklärbar scheint, so haben wir ja gerade für diesen Anschein den Grund kennen gelernt und wissen ihn als Existenz verborgener, unbewusster Motive zu nennen. Wir dürfen also solche geheime Motive überall dort vermuthen, wo ein solcher Sprung im Zusammenhang, eine Ueberschreitung des Maasses normal berechtigter Motivirung nachzuweisen ist.

Natürlich muss man sich bei solcher Arbeit von dem theoretischen Vorurtheil frei halten, man habe es mit abnormen Gehirnen von Dégénerés und Deséquilibrés zu thun, denen die Freiheit, die gemeinen psychologischen Gesetze der Vorstellungsverbindung über den Haufen zu werfen, als Stigma eigen wäre, bei denen eine beliebige Vorstellung ohne Motiv übermässig intensiv wachsen, eine andere ohne psychologischen Grund unverwüstlich bleiben kann. Die Erfahrung zeigt für die Hysterie das Gegentheil; hat man die verborgenen – oft unbewusst gebliebenen – Motive herausgefunden und bringt sie in Rechnung, so bleibt auch an der hysterischen Gedankenverknüpfung nichts räthselhaft und regelwidrig.

[259] Auf solche Art also, durch Aufspüren von Lücken in der ersten Darstellung des Kranken, die oft durch „falsche Verknüpfungen“ gedeckt sind, greift man ein Stück des logischen Fadens an der Peripherie auf und bahnt sich durch die Druckprocedur von da aus den weiteren Weg.

Sehr selten gelingt es dabei, sich an demselben Faden bis in’s Innere durchzuarbeiten; meist reisst er unterwegs ab, indem der Druck versagt, gar kein Ergebniss liefert oder eines, das mit aller Mühe nicht zu klären und nicht fortzusetzen ist. Man lernt es bald, sich in diesem Falle vor den naheliegenden Verwechslungen zu schützen. Die Miene des Kranken muss es entscheiden, ob man wirklich an ein Ende gekommen ist oder einen Fall getroffen hat, welcher eine psychische Aufklärung nicht braucht, oder ob es übergrosser Widerstand ist, der der Arbeit Halt gebietet. Kann man letzteren nicht alsbald besiegen, so darf man annehmen, dass man den Faden bis in eine Schichte hinauf verfolgt hat, die für jetzt noch undurchlässig ist. Man lässt ihn fallen, um einen anderen Faden aufzugreifen, den man vielleicht ebensoweit verfolgt. Ist man mit allen Fäden in diese Schichte nachgekommen, hat dort die Verknotungen aufgefunden, wegen welcher der einzelne Faden isolirt nicht mehr zu verfolgen war, so kann man daran denken, den bevorstehenden Widerstand von Neuem anzugreifen.

Man kann sich leicht vorstellen, wie complicirt eine solche Arbeit werden kann. Man drängt sich unter beständiger Ueberwindung von Widerstand in innere Schichten ein, gewinnt Kenntniss von den in dieser Schichte angehäuften Themen und den durchlaufenden Fäden, prüft, bis wie weit man mit seinen gegenwärtigen Mitteln und seiner gewonnenen Kenntniss vordringen kann, verschafft sich erste Kundschaft von dem Inhalt der nächsten Schichten durch die Druckprocedur, lässt die Fäden fallen und nimmt sie wieder auf, verfolgt sie bis zu Knotenpunkten, holt beständig nach und gelangt, indem man einem Erinnerungsfascikel nachgeht, jedesmal auf einen Nebenweg, der schliesslich doch wieder einmündet. Endlich kommt man auf solche Art so weit, dass man das schichtweise Arbeiten verlassen und auf einem Hauptweg direct zum Kern der pathogenen Organisation vordringen kann. Damit ist der Kampf gewonnen, aber noch nicht beendet. Man muss die anderen Fäden nachholen, das Material erschöpfen; aber jetzt hilft der Kranke energisch mit, sein Widerstand ist meist schon gebrochen.

[260] Es ist in diesen späteren Stadien der Arbeit von Nutzen, wenn man den Zusammenhang erräth und ihn dem Kranken mittheilt, ehe man ihn aufgedeckt hat. Hat man richtig errathen, so beschleunigt man den Verlauf der Analyse, aber auch mit einer unrichtigen Hypothese hilft man sich weiter, indem man den Kranken nöthigt, Partei zu nehmen, und ihm energische Ablehnungen entlockt, die ja ein sicheres Besserwissen verrathen.

Man überzeugt sich dabei mit Erstaunen, dass man nicht im Stande ist, dem Kranken über die Dinge, die er angeblich nicht weiss, etwas aufzudrängen oder die Ergebnisse der Analyse durch Erregung seiner Erwartung zu beeinflussen. Es ist mir kein einziges Mal gelungen, die Reproduction der Erinnerungen oder den Zusammenhang der Ereignisse durch meine Vorhersage zu verändern und zu fälschen, was sich ja endlich durch einen Widerspruch im Gefüge hätte verrathen müssen. Traf etwas so ein, wie ich es vorhergesagt, so war stets durch vielfache unverdächtige Reminiscenzen bezeugt, dass ich eben richtig gerathen hatte. Man braucht sich also nicht zu fürchten, vor dem Kranken irgend eine Meinung über den nächstkommenden Zusammenhang zu äussern; es schadet nichts.

Eine andere Beobachtung, die man jedesmal zu wiederholen Gelegenheit hat, bezieht sich auf die selbständigen Reproductionen des Kranken. Man kann behaupten, dass keine einzige Reminiscenz während einer solchen Analyse auftaucht, die nicht ihre Bedeutung hätte. Ein Dareinmengen beziehungsloser Erinnerungsbilder, die mit den wichtigen irgendwie associirt sind, kommt eigentlich gar nicht vor. Man darf eine nicht regelwidrige Ausnahme für solche Erinnerungen postuliren, die an sich unwichtig, doch als Schaltstücke unentbehrlich sind, indem die Association zwischen zwei beziehungsvollen Erinnerungen nur über sie geht. – Die Zeitdauer, während welcher eine Erinnerung im Engpass vor dem Bewusstsein des Patienten verweilt, steht, wie schon angeführt, in directer Beziehung zu deren Bedeutung. Ein Bild, das nicht verlöschen will, verlangt noch seine Würdigung, ein Gedanke, der sich nicht abthun lässt, will noch weiter verfolgt werden. Es kehrt auch nie eine Reminiscenz zum zweiten Mal wieder, wenn sie erledigt worden ist; ein Bild, das abgesprochen wurde, ist nicht wieder zu sehen. Geschieht dies doch, so darf man mit Bestimmtheit erwarten, dass das zweite Mal ein neuer Gedankeninhalt sich an das Bild, eine neue Folgerang an den Einfall knüpfen wird, d. h., dass [261] doch keine vollständige Erledigung stattgefunden hat. Eine Wiederkehr in verschiedener Intensität, zuerst als Andeutung, dann in voller Helligkeit kommt hingegen häufig vor, widerspricht aber nicht der eben aufgestellten Behauptung. –

Wenn sich unter den Aufgaben der Analyse die Beseitigung eines Symptoms befindet, welches der Intensitätssteigerung oder der Wiederkehr fähig ist (Schmerzen, Reizsymptome wie Erbrechen, Sensationen, Contracturen), so beobachtet man während der Arbeit von Seiten dieses Symptoms das interessante und nicht unerwünschte Phänomen des „Mitsprechens“. Das fragliche Symptom erscheint wieder oder erscheint in verstärkter Intensität, sobald man in die Region der pathogenen Organisation gerathen ist, welche die Aetiologie dieses Symptoms enthält, und es begleitet nun die Arbeit mit charakteristischen und für den Arzt lehrreichen Schwankungen weiter. Die Intensität desselben (sagen wir: einer Brechneigung) steigt, je tiefer man in eine der hiefür pathogenen Erinnerungen eindringt, erreicht die grösste Höhe kurz vor dem Aussprechen der letzteren und sinkt mit vollendeter Aussprache plötzlich ab oder verschwindet auch völlig für eine Weile. Wenn der Kranke aus Widerstand das Aussprechen lange verzögert, wird die Spannung der Sensation, der Brechneigung, unerträglich und kann man das Aussprechen nicht erzwingen, so tritt wirklich Erbrechen ein. Man gewinnt so einen plastischen Eindruck davon, dass das „Erbrechen“ an Stelle einer psychischen Action (hier des Aussprechens) steht, wie es die Conversionstheorie der Hysterie behauptet.

Diese Intensitätsschwankung von Seiten des hysterischen Symptoms wiederholt sich nun jedesmal, so oft man eine neue, hiefür pathogene Erinnerung in Angriff nimmt; das Symptom steht sozusagen die ganze Zeit über auf der Tagesordnung. Ist man genöthigt, den Faden, an dem dies Symptom hängt, für eine Weile fallen zu lassen, so tritt auch das Symptom in die Dunkelheit zurück, um in einer späteren Periode der Analyse wieder aufzutauchen. Dieses Spiel währt so lange, bis durch das Aufarbeiten des pathogenen Materials für dieses Symptom endgiltige Erledigung geschaffen ist.

Streng genommen, verhält sich hierbei das hysterische Symptom gar nicht anders als das Erinnerungsbild oder der reproducirte Gedanke, den man unter dem Drucke der Hand heraufbeschwört. Hier wie dort dieselbe obsedirende Hartnäckigkeit der Wiederkehr in der Erinnerung des Kranken, die Erledigung erheischt. Der Unterschied liegt nur in dem anscheinend spontanen Auftreten der hysterischen [262] Symptome, während man sich wohl erinnert, die Scenen und Einfälle selbst provocirt zu haben. Es führt aber in der Wirklichkeit eine ununterbrochene Reihe von den unveränderten Erinnerungsresten affectvoller Erlebnisse und Denkacte bis zu den hysterischen Symptomen, ihren Erinnerungssymbolen.

Das Phänomen des Mitsprechens des hysterischen Symptoms während der Analyse bringt einen praktischen Uebelstand mit sich, mit welchem man den Kranken sollte aussöhnen können. Es ist ja ganz unmöglich, eine Analyse eines Symptoms in einem Zuge vorzunehmen oder die Pausen in der Arbeit so zu vertheilen, dass sie gerade mit Ruhepunkten in der Erledigung zusammentreffen. Vielmehr fällt die Unterbrechung, die durch die Nebenumstände der Behandlung, die vorgerückte Stunde und dgl. gebieterisch vorgeschrieben wird, oft an die ungeschicktesten Stellen, gerade wo man sich einer Entscheidung nähern könnte, gerade wo ein neues Thema auftaucht. Es sind dieselben Uebelstände, die jedem Zeitungsleser die Lectüre des täglichen Fragmentes seines Zeitungsromanes verleiden, wenn unmittelbar nach der entscheidenden Rede der Heldin, nach dem Knallen des Schusses udgl. zu lesen steht: (Fortsetzung folgt). In unserem Falle bleibt das aufgerührte, aber nicht abgethane, Thema, das zunächst verstärkte und noch nicht erklärte Symptom, im Seelenleben des Kranken bestehen und belästigt ihn ärger vielleicht, als es sonst der Fall war. Damit muss er sich eben abfinden können; es lässt sich nicht anders einrichten. Es gibt überhaupt Kranke, die während einer solchen Analyse das einmal berührte Thema nicht wieder loslassen können, die von ihm auch in der Zwischenzeit zwischen zwei Behandlungen obsedirt sind, und da sie doch allein mit der Erledigung nicht weiter kommen, zunächst mehr leiden als vor der Behandlung. Auch solche Patienten lernen es schliesslich, auf den Arzt zu warten, alles Interesse, das sie an der Erledigung des pathogenen Materials haben, in die Stunden der Behandlung zu verlegen, und sie beginnen dann, sich in den Zwischenzeiten freier zu fühlen.




Auch das Allgemeinbefinden der Kranken während einer solchen Analyse erscheint der Beachtung werth. Eine Weile noch bleibt es, von der Behandlung unbeeinflusst, Ausdruck der früher wirksamen Factoren, dann aber kommt ein Moment, in dem der Kranke „gepackt“, sein Interesse gefesselt wird, und von ab geräth auch sein Allgemeinzustand immer mehr in Abhängigkeit von dem Stande der Arbeit. Jedesmal, wenn eine neue Aufklärung gewonnen, ein wichtiger [263] Abschnitt in der Gliederung der Analyse erreicht ist, fühlt sich der Kranke auch erleichtert, geniesst er wie ein Vorgefühl der nahenden Befreiung; bei jedem Stocken der Arbeit, bei jeder drohenden Verwirrung wächst die psychische Last, die ihn bedrückt, steigert sich seine Unglücksempfindung, seine Leistungsunfähigkeit. Beides allerdings nur für kurze Zeit; denn die Analyse geht weiter, verschmäht es, sich des Momentes von Wohlbefinden zu rühmen, und setzt achtlos über die Perioden der Verdüsterung hinweg. Man freut sich im Allgemeinen, wenn man die spontanen Schwankungen im Befinden des Kranken durch solche ersetzt hat, die man selbst provocirt und versteht, ebenso wie man gerne an Stelle der spontanen Ablösung der Symptome jene Tagesordnung treten sieht, die dem Stande der Analyse entspricht.

Gewöhnlich wird die Arbeit zunächst um so dunkler und schwieriger, je tiefer man in das vorhin beschriebene, geschichtete psychische Gebilde eindringt. Hat man sich aber einmal bis zum Kern durchgearbeitet, so wird es Licht, und das Allgemeinbefinden des Kranken hat keine starke Verdüsterung mehr zu befürchten. Den Lohn der Arbeit aber, das Aufhören der Krankheitssymptome darf man erst erwarten, wenn man für jedes einzelne Symptom die volle Analyse geleistet hat; ja, wo die einzelnen Symptome durch mehrfache Knotungen an einander geknüpft sind, wird man nicht einmal durch Partialerfolge während der Arbeit ermuthigt. Kraft der reichlich vorhandenen causalen Verbindungen wirkt jede noch unerledigte pathogene Vorstellung als Motiv für sämmtliche Schöpfungen der Neurose, und erst mit dem letzten Wort der Analyse schwindet das ganze Krankheitsbild, ganz ähnlich, wie sich die einzelne reproducirte Erinnerung benahm.–

Ist eine pathogene Erinnerung oder ein pathogener Zusammenhang, der dem Ichbewusstsein früher entzogen war, durch die Arbeit der Analyse aufgedeckt und in das Ich eingefügt, so beobachtet man an der so bereicherten psychischen Persönlichkeit verschiedene Arten sich über ihren Gewinn zu äussern. Ganz besonders häufig kommt es vor, dass die Kranken, nachdem man sie mühsam zu einer gewissen Kenntniss genöthigt hat, dann erklären: Das habe ich ja immer gewusst, das hätte ich Ihnen vorher sagen können. Die Einsichtsvolleren erkennen dies dann als eine Selbsttäuschung und klagen sich des Undankes an. Sonst hängt im Allgemeinen die Stellungnahme des Ich gegen die neue Erwerbung davon ab, aus welcher Schicht der Analyse letztere stammt. Was den äussersten Schichten angehört, wird ohne Schwierigkeit [264] anerkannt, es war ja im Besitze des Ich geblieben, und nur sein Zusammenhang mit den tieferen Schichten des pathogenen Materials war für das Ich eine Neuigkeit. Was aus diesen tieferen Schichten zu Tage gefördert wird, findet auch noch Erkennung und Anerkennung, aber doch häufig erst nach längerem Zögern und Bedenken. Visuelle Erinnerungsbilder sind hier natürlich schwieriger zu verleugnen als Erinnerungsspuren von blossen Gedankengängen. Gar nicht selten sagt der Kranke zuerst: Es ist möglich, dass ich diess gedacht habe, aber ich kann mich nicht erinnern, und erst nach längerer Vertrautheit mit dieser Annahme tritt auch das Erkennen dazu; er erinnert sich und bestätigt es auch durch Nebenverknüpfungen, dass er diesen Gedanken wirklich einmal gehabt hat. Ich mache es aber während der Analyse zum Gebote, die Werthschätzung einer auftauchenden Reminiscenz unabhängig von der Anerkennung des Kranken zu halten. Ich werde nicht müde zu wiederholen, dass wir daran gebunden sind, alles anzunehmen, was wir mit unseren Mitteln zu Tage fördern. Wäre etwas Unechtes oder Unrichtiges darunter, so würde der Zusammenhang es später ausscheiden lehren. Nebenbei gesagt, ich habe kaum je Anlass gehabt, einer vorläufig zugelassenen Reminiscenz nachträglich die Anerkennung zu entziehen. Was immer auftauchte, hat sich trotz des täuschendsten Anscheines eines zwingenden Widerspruches doch endlich als das Richtige erwiesen.

Die aus der grössten Tiefe stammenden Vorstellungen, die den Kern der pathogenen Organisation bilden, werden von den Kranken auch am schwierigsten als Erinnerungen anerkannt. Selbst wenn alles vorüber ist, wenn die Kranken, durch den logischen Zwang überwältigt und von der Heilwirkung überzeugt, die das Auftauchen gerade dieser Vorstellungen begleitet, – wenn die Kranken, sage ich, selbst angenommen haben, sie hätten so und so gedacht, fügen sie oft hinzu: Aber erinnern, dass ich es gedacht habe, kann ich mich nicht. Man verständigt sich dann leicht mit ihnen: Es waren unbewusste Gedanken. Wie soll man aber selbst diesen Sachverhalt in seine psychologischen Anschauungen eintragen? Soll man sich über dies verweigerte Erkennen von Seiten der Kranken, das nach gethaner Arbeit motivlos ist, hinwegzusetzen; soll man annehmen, dass es sich wirklich um Gedanken handelt, die nicht zu Stande gekommen sind, für welche bloss die Existenzmöglichkeit vorlag, so dass die Therapie in der Vollziehung eines damals unterbliebenen psychischen Actes bestünde? Es ist offenbar unmöglich, hierüber, d. h. also über den Zustand des [265] pathogenen Materials vor der Analyse etwas auszusagen, ehe man seine psychologischen Grundansichten, zumal über das Wesen des Bewusstseins, gründlich geklärt hat. Es bleibt wohl eine des Nachdenkens würdige Thatsache, dass man bei solchen Analysen einen Gedankengang aus dem Bewussten in’s Unbewusste (d. i. absolut nicht als Erinnerung Erkannte) verfolgen, ihn von dort aus wieder eine Strecke weit durch’s Bewusstsein ziehen und wieder im Unbewussten enden sehen kann, ohne dass dieser Wechsel der „psychischen Beleuchtung“ an ihm selbst, an seiner Folgerichtigkeit, dem Zusammenhang seiner einzelnen Theile, etwas ändern würde. Habe ich dann einmal diesen Gedankengang ganz vor mir, so könnte ich nicht errathen, welches Stück vom Kranken als Erinnerung erkannt wurde, welches nicht. Ich sehe nur gewissermaassen die Spitzen des Gedankenganges in’s Unbewusste eintauchen, umgekehrt wie man es von unseren normalen psychischen Vorgängen behauptet hat.




Ich habe endlich noch ein Thema zu behandeln, welches bei der Durchführung einer solchen kathartischen Analyse eine unerwünscht grosse Rolle spielt. Ich habe bereits als möglich zugestanden, dass die Druckprocedur versagt, trotz alles Versicherns und Drängens keine Reminiscenz heraufbefördert. Dann, sagte ich, seien zwei Fälle möglich, entweder, es ist an der Stelle, wo man eben nachforscht, wirklich nichts zu holen; diess erkennt man an der völlig ruhigen Miene des Kranken; oder man ist auf einen erst später überwindbaren Widerstand gestossen, man steht vor einer neuen Schichte, in die man noch nicht eindringen kann, und das liest man dem Kranken wiederum von seiner gespannten und von geistiger Anstrengung zeugenden Miene ab. Es ist aber noch ein dritter Fall möglich, der gleichfalls ein Hinderniss bedeutet, aber kein inhaltliches, sondern ein äusserliches. Dieser Fall tritt ein, wenn das Verhältniss des Kranken zum Arzte gestört ist, und bedeutet das ärgste Hinderniss, auf das man stossen kann. Man kann aber in jeder ernsteren Analyse darauf rechnen.

Ich habe bereits angedeutet, welche wichtige Rolle der Person des Arztes bei der Schöpfung von Motiven zufällt, welche die psychische Kraft des Widerstandes besiegen sollen. In nicht wenigen Fällen, besonders bei Frauen und wo es sich um Klärung erotischer Gedankengänge handelt, wird die Mitarbeiterschaft der Patienten zu einem persönlichen Opfer, das durch irgend welches Surrogat von Liebe vergolten werden muss. Die Mühewaltung und geduldige Freundlichkeit [266] des Arztes haben als solches Surrogat zu genügen. Wird nun dieses Verhältniss der Kranken zum Arzt gestört, so versagt auch die Bereitschaft der Kranken; wenn der Arzt sich nach der nächsten pathogenen Idee erkundigen will, tritt der Kranken das Bewusstsein der Beschwerden dazwischen, die sich bei ihr gegen den Arzt angehäuft haben. Soviel ich erfahren habe, tritt dieses Hinderniss in 3 Hauptfällen ein:

1. Bei persönlicher Entfremdung, wenn die Kranke sich zurückgesetzt, geringgeschätzt, beleidigt glaubt oder Ungünstiges über den Arzt und die Behandlungsmethode gehört hat. Diess ist der am wenigsten ernste Fall; das Hinderniss ist durch Aussprechen und Aufklären leicht zu überwinden, wenngleich die Empfindlichkeit und der Argwohn Hysterischer sich gelegentlich in ungeahnten Dimensionen äussern können.

2. Wenn die Kranke von der Furcht ergriffen wird, sie gewöhne sich zu sehr an die Person des Arztes, verliere ihre Selbständigkeit ihm gegenüber, könne gar in sexuelle Abhängigkeit von ihm gerathen. Dieser Fall ist bedeutsamer, weil minder individuell bedingt. Der Anlass zu diesem Hinderniss ist in der Natur der therapeutischen Bekümmerung enthalten. Die Kranke hat nun ein neues Motiv zum Widerstand, welches sich nicht nur bei einer gewissen Reminiscenz, sondern bei jedem Versuch der Behandlung äussert. Ganz gewöhnlich klagt die Kranke über Kopfschmerz, wenn man die Druckprocedur vornimmt. Ihr neues Motiv zum Widerstand bleibt ihr nämlich meistens unbewusst, und sie äussert es durch ein neu erzeugtes hysterisches Symptom. Der Kopfschmerz bedeutet die Abneigung, sich beeinflussen zu lassen.

3. Wenn die Kranke sich davor schreckt, dass sie aus dem Inhalt der Analyse auftauchende peinliche Vorstellungen auf die Person des Arztes überträgt. Dies ist häufig, ja in manchen Analysen ein regelmässiges Vorkommnis. Die Uebertragung auf den Arzt geschieht durch falsche Verknüpfung (vgl. p. 55). Ich muss hier wohl ein Beispiel anführen: Ursprung eines gewissen hysterischen Symptoms war bei einer meiner Patientinnen der vor vielen Jahren gehegte und sofort in’s Unbewusste verwiesene Wunsch, der Mann, mit dem sie damals ein Gespräch geführt, möchte doch herzhaft zugreifen und ihr einen Kuss aufdrängen. Nun taucht einmal nach Beendigung einer Sitzung ein solcher Wunsch in der Kranken in Bezug auf meine Person auf; sie ist entsetzt darüber, verbringt eine schlaflose Nacht [267] und ist das nächste Mal, obwohl sie die Behandlung nicht verweigert, doch ganz unbrauchbar zur Arbeit. Nachdem ich das Hindernis erfahren und behoben habe, geht die Arbeit weiter und siehe da, der Wunsch, der die Kranke so erschreckt, erscheint als die nächste, als die jetzt vom logischen Zusammenhang geforderte, der pathogenen Erinnerungen. Es war also so zugegangen: Es war zuerst der Inhalt des Wunsches im Bewusstsein der Kranken aufgetreten, ohne die Erinnerungen an die Nebenumstände, die diesen Wunsch in die Vergangenheit verlegen konnten; der nun vorhandene Wunsch wurde durch den im Bewusstsein herrschenden Associationszwang mit meiner Person verknüpft, welche ja die Kranke beschäftigen darf, und bei dieser Mesalliance – die ich falsche Verknüpfung heisse – wacht derselbe Affect auf, der seinerzeit die Kranke zur Verweisung dieses unerlaubten Wunsches gedrängt hat. Nun ich das einmal erfahren habe, kann ich von jeder ähnlichen Inanspruchnahme meiner Person voraussetzen, es sei wieder eine Uebertragung und falsche Verknüpfung vorgefallen. Die Kranke fällt merkwürdiger Weise der Täuschung jedes neue Mal zum Opfer.

Man kann keine Analyse zu Ende führen, wenn man dem Widerstande, der sich aus diesen drei Vorfällen ergibt, nicht zu begegnen weiss. Man findet aber auch hierzu den Weg, wenn man sich vorsetzt, dieses nach altem Muster neu producirte Symptom so zu behandeln wie die alten. Man hat zunächst die Aufgabe, das „Hinderniss“ der Kranken bewusst zu machen. Bei einer meiner Kranken z. B., bei der plötzlich die Druckprocedur versagte und ich Grund hatte, eine unbewusste Idee wie die unter 2. erwähnte anzunehmen, traf ich es das erste Mal durch Ueberrumpelung. Ich sagte ihr, es müsse sich ein Hinderniss gegen die Fortsetzung der Behandlung ergeben haben, die Druckprocedur habe aber wenigstens die Macht, ihr dieses Hinderniss zu zeigen, und drückte auf ihren Kopf. Sie sagte erstaunt: Ich sehe Sie auf dem Sessel hier sitzend, das ist doch ein Unsinn; was soll das bedeuten? – Ich konnte sie nun aufklären.

Bei einer anderen pflegte sich das „Hinderniss“ nicht direct auf Druck zu zeigen, aber ich konnte es jedesmal nachweisen, wenn ich die Patientin auf den Moment zurückführte, in dem es entstanden war. Diesen Moment wiederzubringen, weigerte uns die Druckprocedur nie. Mit dem Auffinden und Nachweisen des Hindernisses war die erste Schwierigkeit hinweggeräumt, eine grössere blieb noch bestehen. Sie bestand darin, die Kranken zum Mittheilen zu bewegen, wo anscheinend persönliche Beziehungen in Betracht kamen, wo die dritte [268] Person mit der des Arztes zusammenfiel. Ich war anfangs über diese Vermehrung meiner psychischen Arbeit recht ungehalten, bis ich das Gesetzmässige des ganzen Vorganges einsehen lernte, und dann merkte ich auch, dass durch solche Uebertragung keine erhebliche Mehrleistung geschaffen sei. Die Arbeit für die Patientin blieb dieselbe: etwa den peinlichen Affect zu überwinden, dass sie einen derartigen Wunsch einen Moment lang hegen konnte, und es schien für den Erfolg gleichgiltig, ob sie diese psychische Abstossung im historischen Falle oder im recenten mit mir zum Thema der Arbeit nahm. Die Kranken lernten auch allmählich einsehen, dass es sich bei solchen Uebertragungen auf die Person des Arztes um einen Zwang und um eine Täuschung handle, die mit Beendigung der Analyse zerfliesse. Ich meine aber, wenn ich versäumt hätte, ihnen die Natur des „Hindernisses“ klar zu machen, hätte ich ihnen einfach ein neues hysterisches Symptom, wenn auch ein milderes, für ein anderes, spontan entwickeltes, substituirt.




Nun, meine ich, ist es genug der Andeutungen über die Ausführung solcher Analysen und die dabei gemachten Erfahrungen. Sie lassen vielleicht manches complicirter erscheinen, als es ist; vieles ergibt sich ja von selbst, wenn man sich in solch einer Arbeit befindet. Ich habe die Schwierigkeiten der Arbeit nicht aufgezählt, um den Eindruck zu erwecken, es lohne sich bei derartigen Anforderungen an Arzt und Kranke nur in den seltensten Fällen, eine kathartische Analyse zu unternehmen. Ich lasse mein ärztliches Handeln von der gegentheiligen Voraussetzung beeinflussen. – Die bestimmtesten Indicationen für die Anwendung der hier geschilderten therapeutischen Methode kann ich freilich nicht aufstellen, ohne in die Würdigung des bedeutsameren und umfassenderen Themas der Therapie der Neurosen überhaupt einzugehen. Ich habe bei mir häufig die kathartische Psychotherapie mit chirurgischen Eingriffen verglichen, meine Curen als psychotherapeutische Operationen bezeichnet, die Analogien mit Eröffnung einer eitergefüllten Höhle, der Auskratzung einer cariös erkrankten Stelle und dgl. verfolgt. Eine solche Analogie findet ihre Berechtigung nicht so sehr in der Entfernung des Krankhaften als in der Herstellung besserer Heilungsbedingungen für den Ablauf des Processes.

Ich habe wiederholt von meinen Kranken, wenn ich ihnen Hilfe oder Erleichterung durch eine kathartische Cur versprach, den Einwand [269] hören müssen: Sie sagen ja selbst, dass mein Leiden wahrscheinlich mit meinen Verhältnissen und Schicksalen zusammenhängt; daran können Sie ja nichts ändern; auf welche Weise wollen Sie mir denn helfen? Darauf habe ich antworten können: – Ich zweifle ja nicht, dass es dem Schicksal leichter fallen müsste als mir, Ihr Leiden zu beheben; aber Sie werden sich überzeugen, dass viel damit gewonnen ist, wenn es uns gelingt, Ihr hysterisches Elend in gemeines Unglück zu verwandeln. Gegen das letztere werden Sie sich mit einem wieder genesenen Nervensystem besser zur Wehre setzen können.


  1. E. Hecker, Centralblatt für Nervenheilkunde, Dec. 1893.


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