Stunden der Andacht/Zum Schlusse des Versöhnungstages

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« Zu Mincha des Versöhnungstages Stunden der Andacht An den ersten Tagen des Laubhüttenfestes »
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Zum Schlusse des Versöhnungstages. (Nëilah.)

So fern der Morgen ist vom Abend,
Entfernt er unsre Schuld von uns.
 (Ps. 103, 12.)

Allmächtiger, Allbarmherziger! Es neigt sich zu Ende der heilige Tag, den wir in ununterbrochener Buße und Kasteiung, im Ringen nach Läuterung und Heiligung unsrer Seele verlebt haben. Und noch einmal erheben wir unser flehendes Auge zu dir, und noch einmal rufen wir in heißer Inbrunst deinen Namen an, und preisen dich, der du die Pforten deiner Barmherzigkeit öffnest dem reuig wiederkehrenden Sünder, und die Schuld des Missethäters tilgest in der Kraft deiner Gnade!

Es scheidet der Tag, o juble und freue dich, meine Seele, mit ihm scheidet und schwindet die Sündenlast, die dich gedrückt. Geläutert, gesühnt, erhoben hat dich der Herr, er hat erhört seines Volkes flehende Stimme, unser Fasten und Kasteien als wohlgefälliges Sühnopfer aufgenommen und die versöhnende Vaterhand uns dargereicht. Als büßende Sünder haben wir das Haus betreten, als schuldlose Kinder verlassen wir es.

[64] Möge, o Gott, diese Reinheit, diese Unschuld des Herzens, die wir uns heute vor dir errungen, nimmer von uns scheiden, möge der Adel der Gefühle, dessen wir uns heute sind bewußt geworden, uns begleiten bis zum Neigen und Scheiben unsres Lebenstages, damit unsre Seele dereinst, wie nach einem heiligenden und verklärenden Versöhnungstage, voll Reinheit und Unschuld die Erde verlasse, um zu dir einzugehen in die himmlischen Wohnungen des Jenseits. Amen.