Ueber Recht und Verfassung des alten Gothenburg (1603–12)

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Autor: Konrad Maurer
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Titel: Ueber Recht und Verfassung des alten Gothenburg (1603–12)
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 12 (1894/95), S. 155–160.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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[155] Ueber Recht und Verfassung des alten Gothenburg (1603–12). Die Stadt Göteborg oder Gothenburg wurde zuerst im Jahre 1603 von König Karl IX. angelegt, und zwar auf der Insel Hisingen, der Festung Elfsborg, dem jetzigen Gamla-Elfsborg, gerade gegenüber. Ihr Dasein hatte indessen zunächst keinen Bestand, denn sie wurde schon im Jahre 1612 nach der Eroberung von Elfsborg durch die Dänen gänzlich zerstört und verbrannt. Erst im Jahre 1618 wurde die Stadt von König Gustaf Adolf unter ihrem früheren Namen wiederaufgebaut, aber nicht mehr an ihrer früheren Stelle, sondern da, wo sie jetzt liegt, also auf dem Festlande, südlich der Götaelf, und Hisingen gegenüber. Eine kürzlich erschienene Abhandlung über die älteste Verfassung Gothenburgs[1] bezieht sich nun auf die Verfassung jener älteren, nicht dieser jüngeren Stadt Göteborg, und obwohl jene nur wenige Jahre bestand, so besitzt deren Recht doch immerhin hinreichend erhebliche Bedeutung, um seine eingehendere Behandlung zu rechtfertigen, und zwar einmal wegen seiner grossen Eigenthümlichkeit nach Form und Inhalt, dann aber auch darum, weil es für das Recht der späteren Stadt mehrfach vorbildlich wurde.

Der Verfasser gibt in dem ersten Theile seiner Schrift (S. 1–64) einen Bericht über die Entstehung und den Inhalt der Verfassung der älteren Stadt, wogegen er in dem zweiten Theil (S. 67–102) den Text der von König Karl IX. ihr verliehenen Privilegien mit einigen beigefügten Anmerkungen bringt: zu jenem ersten Theil habe ich hier zunächst einige Bemerkungen zu machen.

Bei der Gründung der Stadt beabsichtigte Karl IX. zumal durch die Heranziehung ausländischen Capitals und ausländischer Arbeitstüchtigkeit an der Nordsee einen Stützpunkt für die Industrie und den Handel seines Reiches zu gewinnen. Zu diesem Behufe suchte er zunächst Niederländische Einwanderer heranzuziehen, wie denn Schweden schon längst in engen Handelsbeziehungen mit den Niederlanden gestanden war. Er setzte sich demgemäss mit verschiedenen Niederländischen Kaufleuten ins Benehmen, und verhandelte mit ihnen über die Bedingungen, unter welchen die zu gründende Stadt von Niederländischen Zuzüglern bevölkert werden sollte. Auf diese Verhandlungen ist sichtlich ein in Holländischer Sprache abgefasstes, übrigens weder datirtes noch unterzeichnetes Promemoria zurückzuführen, welches im Schwedischen Reichsarchive vorliegt, und über dessen Inhalt der Verfasser S. 5–13 ausführliche Mittheilungen macht. Nachdem der König die in diesem Schriftstücke enthaltenen Forderungen [156] in der Hauptsache genehmigt hatte, soll nun nach dem Verfasser (S. 13–14) ein Privilegienentwurf in Holländischer Sprache verfasst und von den Bevollmächtigten der Niederländer genehmigt, dann aber in der Reichskanzlei in Deutsche Fassung gebracht und am 14. März 1607 vom König unterzeichnet worden sein; indessen regt sich dabei ein Bedenken. Ganz abgesehen davon, dass der vom Verfasser in Deutscher Sprache mitgetheilte Text dieser Privilegien vom 14. August 1607 datirt ist, nicht vom 14. März, dürfte auch die Existenz einer Holländischen Vorlage desselben etwas problematisch erscheinen. Der Verfasser theilt eine solche weder mit, noch nennt er ein Archiv, in welchem sie erhalten wäre; er erklärt vielmehr anderwärts (S. 2–3, Anm. 2) ausdrücklich, dass alle auf das Hising’sche Göteborg bezüglichen Originalurkunden bei der Zerstörung der Stadt zu Grunde gegangen zu sein scheinen, und dass auch dem von ihm veröffentlichten Privilegientexte nur eine eigenhändige Abschrift zu Grunde liege, welche der Reichskanzler Axel Oxenstjerna nach einer älteren vidimirten Copie genommen hatte. Vorhanden scheint also jener angebliche Holländische Entwurf nicht zu sein; dagegen bemerkt der Verfasser S. 13, Anm. 1, dass in einer im Reichsarchive vorfindlichen Sammlung Göteborgischer Privilegien ein in Holländischer Sprache abgefasster Entwurf zu einem solchen vorliege, welcher nach Form und Inhalt den Privilegien Karl’s IX. genugsam gleiche, um für einen Entwurf zu diesen gelten zu können, während doch unzweideutige Anhaltspunkte ihn erst der Zeit Gustaf Adolf’s zuzuweisen erlauben. Hiernach liegt der Verdacht nahe, dass der Verfasser die Existenz eines älteren Holländisch geschriebenen Entwurfes nur aus diesem letzteren erschlossen und dann aus der Aehnlichkeit dieses letzteren mit den Privilegien Karl’s IX. weiter gefolgert habe, dass diese nur eine amtliche Uebersetzung jener seien. Es wird sich noch zeigen, warum ich auf diesen Punkt Gewicht legen zu sollen meine. – Die von den Niederländern in Nr. 1 ihres oben erwähnten Promemorias gestellte Forderung, die der neuen Stadt verwilligten Privilegien durch die Reichsstände bestätigen zu lassen, erfüllte König Karl nicht; vielmehr beschränkte er sich darauf, deren Anerkennung durch die Erbfürsten Gustaf Adolf, Karl Philipp und Johann, sowie durch den gesammten Reichsrath anzuordnen (§ 53 der Privilegien). Dagegen entsprach er dem in Nr. 21 des Promemorias ausgesprochenen Verlangen dadurch, dass er am 8. September 1607 ein Patent über die Errichtung einer Handelscompagnie in Göteborg erliess; über dessen Inhalt berichtet der Verfasser S. 15–16. Wenn ferner in Nr. 5 des Promemorias die Erlassung eines eigenen „jus municipale“ für die Stadt in Aussicht genommen war, so weist auch in § 20 der Privilegien [157] der König deren Schöffen an, Recht zu sprechen „nach den Stadt-Rechten, welche wir Ihnen gnedigst gegeben vndt bestetigtt haben; Welches auch den nahmen haben soll Gothenburgisch Recht“, und wirklich befindet sich im Schwedischen Reichsarchive in der bereits angeführten Sammlung Göteborgischer Privilegien das Concept einer Urkunde, welche folgenden Titel führt: „Gothenburgisch Recht, welches aus Götlichen, Kayserlichen und Königlichen Schwedischen Rechten zuesammengezogen und von dem Durchlautigsten, Grossmechtigsten, Hochgebornen Fürsten und Herren, Herrn Carolo den Neunden der Schweden etc. König, Ihnen gnedigst ist gegeben worden nebenst andern stadlichen privilegien so hiernach gesetzet wie man geschrieben hat, im Jahr nach der gnadenreichen Geburt unsers Herrn und Heilands Jesu Christi 1609 und In Truck verfertigt mit privilegien und begnadigungen nicht nachzuetruken ohne S. K. M. gnedigsten Consens und bewiliegung“. Obwohl der Verfasser, doch wohl mit Unrecht, annimmt, dass ein solches Stadtrecht niemals zu stande gekommen sei, bezeichnet er doch den Inhalt jenes Conceptes als eine sehr interessante Ergänzung der Privilegien (S. 17), und berücksichtigt ihn desshalb auch bei der Darstellung des Inhaltes dieser letzteren, welche er sofort folgen lässt (S. 18–60), indem er zugleich nachzuweisen sucht, dass dieser wesentlich dem Holländischen Rechte und insbesondere dem Stadtrechte von Amsterdam entlehnt sei, und dessen erheblichere Abweichungen von den Bestimmungen des gemeinen Schwedischen Stadtrechtes hervorhebt. Ein Zusatz zu den Privilegien, welcher undatirt und ununterschrieben im Schwedischen Reichsarchive vorliegt, dennoch aber vom Verfasser als wirklich ergangen angesehen wird (S. 4, Anm. 1 und S. 60. 62), enthält nur eine Reihe von Verwilligungen, welche Karl IX. zum Behufe der ersten Einrichtung der neuen Stadt machte, enthält aber keine auf deren Recht und Verfassung bezüglichen Bestimmungen. Am 26. April 1609 erfolgte die Ernennung der ersten Stadtobrigkeiten, wobei jedoch statt drei nur zwei Bürgermeister ernannt, und ihnen gestattet wurde, für den Fall ihrer Abwesenheit sich einen Stellvertreter aus der Zahl der Schöffen zu bestellen, und vorkommendenfalls auch einige der ältesten und vornehmsten Bürger als Beirath in schwereren Angelegenheiten heranziehen zu dürfen. Die Formulare für die Vereidigung des Burggrafen, der Bürgermeister, Schöffen und Bürger sind noch erhalten, und druckt der Verfasser S. 62–63, Anm. 2 das „Jurament“ des Burggrafen ab.

Da ist nun meines Erachtens zunächst zu bedauern, dass es dem Verfasser nicht gefallen hat, die sämmtlichen Quellen für Recht und Verfassung der älteren Stadt Gothenburg vollständig abzudrucken. Das von ihm excerpirte Holländische Promemoria und allenfalls auch [158] jener andere Holländische Entwurf aus Gustaf Adolf’s Zeit, den er im wesentlichen als die Vorlage jener Privilegien anzusehen scheint, ferner das Gothenburgische Recht und der von ihm mehrfach (S. 4, Anm. 1 und S. 60) angeführte Zusatz zu den Privilegien; endlich wohl auch das Patent für die Handelscompagnie, welches allerdings anderwärts bereits veröffentlicht worden, hätten doch wohl ebensogut einen Abdruck verdient wie die Privilegien selbst, und wäre nur zu wünschen, dass der Verfasser noch nachträglich in irgend einer Weise diesen Mangel ergänzen möchte.

Sodann aber scheint die Darstellung des Verfassers auch in materieller Hinsicht eine Lücke zu lassen. Es wurde (oben S. 155–156) bereits erwähnt, dass König Karl IX. die neu zu gründende Stadt zunächst mit Niederländern zu bevölkern gedachte, und dass demgemäss die Verhandlungen über deren Anlage zunächst in Holländischer Sprache geführt wurden. Dem gegenüber fällt nun auf, dass nicht nur die Stadtprivilegien von 1607, sondern auch das wenig später erlassene Patent für die Handelscompagnie, das Gothenburgische Recht, der Zusatz zu den Privilegien und die Eidesformeln für die städtischen Beamten in Deutscher Sprache und nicht in Holländischer oder Schwedischer abgefasst sind. Dazu kommt, dass auch der Inhalt der Privilegien und des Gothländischen Rechtes mehrfach auf Deutsche Beziehungen hinweist. Wenn freilich in Nr. 7 des mehrerwähnten Holländischen Promemorias ausdrücklich gefordert worden war, dass alle Urtheile, Protokolle, Notariatsurkunden und sonstigen öffentlichen Scripturen der Stadt in Niederländischer Sprache abgefasst werden sollten, so enthält der § 25 der Privilegien ganz dieselbe Bestimmung, und es mag dahin stehen, ob die Vorschrift des § 37 der Privilegien, wornach die Predigten und die gemeinen Schulen „jn Niederteutscher vndt Schwedischer Sprache gethan vndt gehallten werden“ sollen, nicht ebenfalls unter der Niederdeutschen die Niederländische Sprache verstanden haben will. Wenn ferner in § 20 und 21 der Privilegien das Stadtrecht Gothenburgs nicht nur aus „Göttlichen und Schwedischen“ sondern auch aus „Kaijserlichken vndt Niederländischen Rechtten“ gezogen, und in Fällen, in welchen das „jus municipale“ keine Entscheidung geben würde, „aus den Kaijserlichen vndt Niederländischen Rechtten“ entnommen werden sollte, so wird wohl unter den kaiserlichen Rechten nur das Römische Recht verstanden werden dürfen, wie denn auch nur dieses in Nr. 5 des Holländischen Promemorias genannt worden war[2]. Aber bedeutsamer ist schon, [159] dass das Gothenburgische Recht sich bereits in seinem Titel nur noch als aus göttlichen, kaiserlichen und Schwedischen Rechten zusammengezogen bezeichnet, ohne des Holländischen Rechtes weiter zu gedenken; dass ferner einzelne Aemter in der Stadt, wie z. B. das des Burggrafen und das der Syndici, mit diesem aus Deutschland entlehnten Titel, nicht mit dem Holländischen Shout, dann Pensionarisen bezeichnet werden. Noch weiter führt die in § 1 der Privilegien ausgesprochene und in I, § 1 des Gothenburgischen Rechtes wiederholte Vorschrift, dass nur Angehörige der Augsburger oder der Niederländischen reformirten Confession, sowie Mennoniten Bürger der Stadt sollten werden können, sowie die Vorschrift des § 15 und 26 derselben, wornach nur Angehörige der beiden ersteren Confessionen in den Rath gelangen oder Aemter der Stadt bekleiden dürfen. Zeigt sich schon hierin eine gleichmässige Berücksichtigung der Deutschen und freilich auch Schwedischen Lutheraner mit den Holländischen Calvinisten, so spricht sich das Gothenburgische Recht noch ungleich unzweideutiger aus. Nach II, § 18 soll von den drei Bürgermeistern der Stadt immer einer Schwedischer, der andere Niederländischer und der dritte Deutscher Abkunft sein, sollen ferner in dem grossen Rathe der Stadt je acht Schweden, Holländer und Deutsche sitzen, wogegen zum Schöffenamte drei Schweden und je zwei Niederländer und Deutsche herangezogen werden sollen, und dürfen auch zu den niederen Bedienstungen in der Stadt nur Schweden, Niederländer und Deutsche verwendet werden (S. 27. 32–33. 39 und 48). Damit wird annähernd zu einem in Schweden früher gültigen, später aber wieder aufgegebenen Grundsatze zurückgekehrt. Das gemeine Stadtrecht des Kg. Magnus Eriksson hatte nämlich die Regel ausgesprochen, dass in allen Schwedischen Städten die eine Hälfte der Bürgermeister und der Rathsherren Deutsche, und die andere Hälfte Schweden sein sollten; durch eine Verordnung vom 14. October 1471 war jedoch diese Bestimmung abgeschafft und durch die entgegengesetzte Vorschrift verdrängt worden, dass die Wahl von Ausländern zu Bürgermeistern oder Rathsherren verboten sein solle. Die älteren Handschriften dieses Stadtrechtes, und auch noch ein Theil der neueren, halten an dem älteren Texte fest, während andere ihn der neueren Rechtsregel entsprechend umgestaltet zeigen, so dass uns die betreffenden Capitel des Gesetzbuches (Konurgxb. 2 und 3) in doppelter Gestalt vorliegen, und ausserdem ist uns auch die Originalausfertigung [160] jener Urkunde erhalten (gedruckt bei Schlyter als Addit. A). Hier sehen wir nun die neuere Regel für die Stadt Göteborg wieder aufgegeben, und zwar aufgegeben nicht etwa bloss zu Gunsten der Holländer, sondern auch zu Gunsten der Deutschen, welche von jenen scharf getrennt gehalten werden. Es ist klar, dass die anfangs auf die Niederländische Einwanderung gesetzten Hoffnungen sich nicht ihrem vollen Umfange nach erfüllten, und dass aus diesem Grunde König Karl sich schon sehr bald genöthigt sah, neben den Holländischen auch auf Deutsche Zuzügler Rücksicht zu nehmen. Es wäre von Interesse zu erfahren, ob sich über diesen Punkt nicht Näheres ermitteln liesse.

K. Maurer.     

Anmerkungen

  1. Emil Wolff, Studier rörande Göteborgs äldsta författning. Göteborg, D. F. Bonniers Boktryckeri Aktiebolag, 1894. viij 103 p. 8°.
  2. Keinen Werth wird man jedenfalls darauf legen dürfen, dass nach § 12 der Privilegien in Bergsachen „nach Kaijserlicher vndt Churfürstlicher Sächsischer Bergkordnung“ verfahren werden sollte, und dass in § 43 nach „Teutscher Müntzordnung“ gerechnet wird. Dergleichen ist nicht anders anzusehen, als wenn in § 45 neben Schwedischen Massen für nasse Güter auf Brabanter Ellen und das Gewicht von Troyes Bezug genommen wird.