Ueber das Vorkommen eines diastatischen und peptonbildenden Ferments in den Wickensamen
423. v. Gorup-Besanez: Ueber das Vorkommen eines diastatischen und peptonbildenden Ferments in den Wickensamen.
(Eingegangen am 1. November; verl. in der Sitzung von Hrn. Oppenheim.)
Nachdem durch eine Reihe von Versuchen, die Hr. Hermann Will unter meiner Leitung anstellte[1], das constante Auftreten von Leucin neben Asparagin in den Wickenkeimen, wenn der Keimprocess unter Abschluss des Sonnenlichtes vor sich ging, nachgewiesen war, und sich bei einer weiteren Versuchsreihe, bei welcher die Wicken in Gartenerde eingesät unter normalen Bedingungen der Keimung überlassen wurden, die Abwesenheit beider genannten Stoffe in den Keimen ergeben hatte, lag es um so näher, in diesen Derivaten der Eiweisskörper Produkte eines durch ein in den Wickensamen enthaltenes Ferment eingeleiteten Spaltungsprocesses zu vermuthen, als sie, wie ich constatirte, in den Samen selbst ebenfalls fehlen und für Umwandlung der Eiweisskörper während der Keimung schon der Umstand spricht, dass das in den Samen enthaltene Legumin in den Keimen völlig verschwunden ist. Die durch v. Wittich, Hüfner, Brücke u. A. nachgewiesene allgemeine Verbreitung diastatischer und peptonbildender Fermente im Thierreiche, sowie die zu ihrer vortheilhaften Gewinnung und Isolirung von v. Wittich eingeschlagenen Wege, konnten auch hier, wenn die Vermuthung eine richtige war, zum Ziele führen. Eine Anzahl nach dieser Richtung mit aller Vorsicht ausgeführter Versuche, bei denen sich Hr. Hermann Will zum Theile ebenfalls hülfreich erwies, ergaben nun in ganz unzweifelhafter Weise, dass in den Wickensamen ein durch Glycerin extrahirbares Ferment enthalten ist, welches sehr energisch Stärke in Traubenzucker und Eiweisskörper (Fibrin) in Peptone verwandelt. Bei seiner Isolirung nach der Hüfner’schen Methode[2] [1479] zeigten sich genau dieselben Erscheinungen, welche dieser Chemiker bei der Isolirung der Fermente aus Pankreas u. s. w. wahrgenommen hatte.
Die fein gestossenen Wickensamen wurden mit Alkohol von 96 pCt. übergossen, 48 Stunden lang stehen gelassen, sodann vom Alkohole abfiltrirt und bei gelinder Wärme getrocknet. Nachdem sie trocken geworden, wurden sie mit syrupdickem Glycerin tüchtig durchgearbeitet und das Glycerin 36–48 Stunden lang einwirken gelassen. Nach Verlauf dieser Zeit wurde der Glycerinauszug colirt, was sehr gut und rasch von Statten ging, der Rückstand gelinde ausgepresst, die erhaltenen Flüssigkeiten vereinigt, abermals colirt und nun die Lösungen tropfenweise in ein in hohen Cylindern befindliches Gemisch von 8 Thl. Alkohol und 1 Thl. Aether eingetragen. Jeder einfallende Tropfen bildete sofort einen Ring, welcher sich beim Passiren der Alkoholätherschicht allmählich trübte und in Gestalt eines flockigen Niederschlages zu Boden setzte. Der Niederschlag wurde 2–3 Tage unter Alkohol liegen gelassen, wobei er immer dichter und harziger wurde, sodann abfiltrirt und zur weiteren Reinigung, nachdem er mit Alkohol ausgewaschen war, abermals mit Glycerin behandelt. Der grösste Theil desselben löste sich; das nun in Glycerin Unlösliche zeigte alle Reactionen der Eiweisskörper. Aus der Glycerinlösung wurde das Ferment nun abermals nach dem oben beschriebenen Verfahren, wobei sich dieselben Erscheinungen zeigten, gefällt und in Gestalt eines schön weissen, körnigen Niederschlags erhalten, welcher sich auf dem Filter bald grau färbte und beim Trocknen sich in eine hornartige, durchscheinende Masse verwandelte. Das so erhaltene Ferment war stickstoff- und schwefelhaltig und hinterliess beim Verbrennen ziemlich viel Asche. Es löst sich in Glycerin und in Wasser.
Einige Tropfen der wässrigen oder der Glycerinlösung zu dünnem Stärkekleister gesetzt, verwandelten innerhalb 2–3 Stunden erhebliche Mengen von Stärke bei +20 bis +30° C. in Zucker. Der gebildete Zucker wurde nachgewiesen: 1) durch Fehling’sche Lösung, 2) durch alkalische Wismuthlösung, 3) durch die Gährungsprobe mit wohl ausgewaschener Bierhefe. Proben von Stärkekleister für sich, und mit etwas Glycerin versetzt, verhielten sich unter den gleichen Bedingungen völlig negativ.
Gut ausgewaschenes, schneeweisses Blutfibrin wurde nach der Grünhagen’schen Methode mit höchst verdünnter Salzsäure von 2 pr. m. Säuregehalt zu glasartiger Gallerte aufquellen gelassen und etwas davon mit der gleichen Salzsäure und ein paar Tropfen der Fermentlösung versetzt. Schon nach wenigen Minuten, und zwar bei gewöhnlicher Zimmertemperatur, verschwanden die Contouren der Fibrinflocken. Das Ganze wurde homogen und verwandelte sich in eine [1480] schwach opalisirende Flüssigkeit. Nach 1–2 Stunden war der grösste Theil gelöst. Längere Einwirkung, ebenso eine Steigerung der Temperatur auf +35 bis +39° C. schienen ohne weitere Wirkung zu sein. Dass bei derartigen Peptonisirungsversuchen ein Theil der Eiweisskörper grössere Resistenz zeigt und nicht in Lösung geht, ist längst bekannt. Die filtrirten Lösungen gaben alle Reactionen der Peptone in vollkommener Schärfe. Die Lösungen wurden nicht gefällt durch verdünnte Mineralsäuren, Kupfersulfat und Eisenchlorid und blieben beim Kochen völlig klar, gefällt dagegen durch Quecksilberchlorid (nach der Neutralisation), durch Quecksilberoxyd-[WS 1] und -oxydulsalz, mit Ammoniak versetztes Bleiacetat, Silbernitrat und durch Gerbsäure; Blutlaugensalz rief in der mit Essigsäure angesäuerten Lösung nur eine Trübung hervor. Mit Kupferoxyd und Kali gaben sie prachtvoll blaue Lösung. Mit dem Millon’schen Reagens gekocht, rothe Färbung, mit Salpetersäure gekocht, färbten sie sich gelb. Alkohol erzeugte nur in grossem Ueberschusse flockige Fällung. Aufgequollenes Fibrin mit 0.2procentiger Salzsäure allein behandelt, hatte sich nach mehrstündiger Einwirkung äusserlich wenig verändert und seine flockige, halb opake Beschaffenheit nicht verloren.
Mit weiteren Versuchen zur Reindarstellung des Fermentes, welche jedoch nach meinen bisherigen Erfahrungen sehr viele Schwierigkeiten darbietet, bin ich gegenwärtig beschäftigt.
Erlangen, 29. October 1874.
Anmerkungen
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Queksilberoxyd-