Ueber den gegenwärtigen Zustand von Columbia

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: J. M. Salazar
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ueber den gegenwärtigen Zustand von Columbia
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 123-124; S. 489-490; 495-496
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel: Observaciones sobra las Reformas politicas de Colombia
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[489]

Ueber den gegenwärtigen Zustand von Columbia.

[1]

Zwei große politische Parteien stehen sich auf allen Puncten der neuen, wie der alten Welt gegenüber, die wir nicht treffender bezeichnen können, als durch die alten in der neuesten Zeit, wie es scheint, etwas außer Credit gekommenen Namen der Demokraten und der Aristokraten. Ueberall fordern die erstern Freiheit des Thuns und Lassens, Gleichheit der Rechte und Pflichten für alle Individuen, welche die Staatsgemeinde bilden; die andern verlangen dieselbe Freiheit und Gleichheit als Vorrecht für einen einzelnen Stand, den sie allein derselben würdig achten. In den europäischen Monarchien sucht die demokratische Partei das, was sie die Rechte des Volkes nennt, durch Constitutionen zu verwahren und neuerdings fängt man daher an, nachdem der temporäre Name der Liberalen seine Bedeutung verloren hat, sie die Constitutionellen zu heißen. Die Aristokraten haben, ungeachtet ihrer unaufhörlichen Niederlagen seit der französischen Revolution, ihre Ansprüche auf die Feudalrechte des Mittelalters (die im Allgemeinen etwa darauf hinauslaufen, möglichst viel von der Staatsgemeinde zu erhalten, z. B. Ehren, Aemter, Besoldungen etc. und möglichst wenig für sie zu leisten, z. B. Abgaben, Dienste etc.) noch keinesweges aufgegeben, und, da sie sich in der That mit dem, was sie haben, nie begnügen, so scheinen sie ihren gewöhnlichen Namen der „Ultra’s“ mit vollem Rechte zu verdienen. In den amerikanischen Republiken sind es dieselben Gesinnungen, die wir einander gegenüber finden; aber natürlich ist hier nicht mehr von Bevorrechtung eines Standes, oder von möglichster Verwahrung der Rechte des Volkes gegen Unterdrückung die Rede, sondern nur von einem höheren oder niederen Grade der Freiheit, die man den einzelnen Individuen zugestanden wissen will. Die Stellung, welche die beiden Parteien in den verschiedenen Republiken einnehmen, wird durch die jeweiligen Localverhältnisse verschieden bestimmt; in allen aber sehen wir sie zwei einander entgegengesetzte Verwaltungssysteme verfechten, das der Centralisation und des Föderalismus. Sonderbar ist es, daß in Nordamerika, wo das Föderativsystem seine höchste Ausbildung erhalten hat, die Demokraten es sind, welche in der neuesten Zeit am Eifrigsten die Union aufrecht erhalten haben, während die aristokratische Partei, die Alles auf dem status quo zur Zeit des Ausbruches der Revolution möglichst zu erhalten wünschte, und daher, so fern dieser Grundsatz Princip des Congresses war, föderalistisch gesinnt durch die Convention von Hartford geradezu die Union zu sprengen drohte [2]. In den südamerikanischen Republiken kämpft dagegen die aristocratische Partei, ihrem ursprünglichen Princip treu, für Centralisation der Regierung, die democratische für Trennung der Provinzen in selbstständige Staaten, die nur durch das Band eines freien Vereins zusammenhalten würden. In beiden sind es natürlich die Aristocraten, welche sich am Geneigtesten zeigen, den Interessen des Mutterlandes Zugeständnisse zu machen. So vereinigten sich in Mexico die gemäßigt-republikanischen Escoceres mit den Altspaniern, während die streng republikanischen Yorkinos auf Verbannung derselben drangen. Durch den Sieg der Yorkinos wurde vor wenigen Monaten [3] die Revolution in den Vereinigten Staaten von Mexico in demselben Sinne, wie durch den Sieg der Democraten im J. 1813 die Revolution von Nordamerika vollendet. – Auch in den Vereinigten Staaten von Mittelamerika ist es das wesentlich democratische Föderativsystem, welches die Grundlage der Verfassung bildet; doch behauptet hier die aristocratische Regierungspartei, wie es scheint, die Oberhand. Der Hauptsitz der Democraten ist in dem Staate St. Salvador, der sich bekanntlich in offener Fehde gegen die Centralregierung von Guatimala befindet. – In Columbia, Peru und Bolivia schien der Sieg der Centralisten entschieden, als der Aufstand der columbischen Truppen in Lima den Ausgang des Kampfes der beiden Parteien aufs Neue unentschieden machte. In Peru siegte die Sache der Democratie, in Bolivia wird Bolivars aristocratisches System durch den columbischen General Sucre aufrecht erhalten; in Columbia hängt die Entscheidung von der Bestimmung der durch den Congreß berufenen allgemeinen constituirenden Versammlung ab. In Chile sind Bolivar’s Bemühungen, durch Unterstützung der Partei des vertriebenen Präsidenten O’Higgins die democratische Centralregiergung nach seinem System zu modificiren, vergeblich geblieben. In Buenos Ayres herrscht die unumschränkteste Demokratie.

Welche Wendung der Kampf der beiden einander gegenüberstehenden Parteien in Columbia nehmen wird, ist [490] – wie ein Correspondent aus New-York unter dem 14 März uns schreibt - selbst in America unmöglich vorauszusehen. Wenn auf der einen Seite nicht geleugnet werden kann, daß Bolivars Einfluß von großem Gewicht ist, so geben doch auf der andern seine Gegner ihre Sache keinesweges verloren und ihr Organ, die Zeitung El Federal, erscheint zu Caraccas ungehindert und unmittelbar unter den Augen der Militärregierung.

Ein sehr unterrichteter Columbier, der in Nordamerica lebt, Don J. M. Salazar, sagt in einer kürzlich zu Philadelphia erschienenen Flugschrift in Bezug auf den mehrfach gemachten Vorschlag, auch in Columbien, wie neuerdings in Mexico, die Verfassung der V. St. von Nordamerica zum Muster zu nehmen:

„Die Gerechtigkeit verlangt, daß wir die wesentlichen Vortheile und den practischen Nutzen der Verfassung der V. St. anerkennen, aber es ist eine Absurdität, sie Ländern, wo die Elemente des Lebens völlig verschieden sind, ohne Weiteres anpassen zu wollen. Weder Politik noch Medizin lassen eine Panacea zu – Utopien eines Morus und die Flexio des Paracelsus sind gleich chimärisch. Die Form der Regierung ist mehr die Wirkung als die Ursache des gesellschaftlichen Zustandes wenigstens in ihrem Ursprunge, obgleich die Rückwirkung später allerdings bedeutend seyn kann; Gesetze wirken nicht wie Maschinen; Menschen sind es, die sie handhaben und ihnen gehorchen; und eine politische Verfassung ist kein Zauberstab, mit dem man Völker umzaubern könnte.“ – An einer andern Stelle betrachtet er den Wunsch einiger seiner Landsleute, eine constitutionelle Monarchie zu errichten und führt als einen unüberwindlichen Grund dagegen, merkwürdig genug, an, daß das Land zu arm sey, um Adel und hohe Geistlichkeit für ein Oberhaus zu ernähren, was aber doch bei einer constitutionellen Monarchie als Gegengewicht gegen die Krone unerläßlich sey. Doch wir können ihn selbst reden lassen: „Eine constitutionelle Verfassung ist der Gegenstand vieler Debatten bei uns gewesen, obgleich fast nur privatim und kaum in öffentlichen Blättern erwähnt; aber ohne Zweifel haben wir das Recht, unsere Meinung über diesen Gegenstand durch die Presse auszudrücken. Es scheint nun, nach dem Verlauf von 16 Jahren, seit dem Sieg der republicanischen Grundsätze, zu spät zu seyn, über einen Punkt zu räsonniren, der so lange bereits practisch entschieden ist. Wer indessen die Monarchie vertheidigen oder empfehlen wollte, müßte vor allen Dingen drei Punkte beweisen, daß eine constitutionelle Monarchie die beste Regierungsform sey; daß wir die Mittel besitzen, den Glanz und Pomp eines Hofes, eines Adels und einer hohen Geistlichkeit – um ein Oberhaus zu bilden, das der Krone als Gegengewicht dienen muß – so wie alle die andern Einrichtungen, die diese Regierungsform nöthig macht, zu erhalten; endlich, daß die Monarchie der öffentlichen Meinung willkommen sey, ohne welche sie offenbar nicht bestehen könnte. Das erste ist sehr schwer, wenn nicht unmöglich, das zweite wird von unsern eignen Augen widerlegt, das dritte durch die Thatsache, die man sehr wohl durch ganz Südamerika kennt, daß sich seit unserer politischen Umbildung (de su transformacion politica) in allen Schriften und allen Versammlungen die entschiedenste Meinung für eine repräsentative, republikanische Regierung ausgesprochen hat.“ – [495] Salazar empfiehlt ein Föderativsystem, in welchem indessen die Bundesregierung größere Macht besäße, als in den Vereinigten Staaten. Er schlägt zu diesem Zweck folgende Eintheilung der Republik in Departamentos vor:

Departamentos.       Provincias.             Bevölkerung.       Hauptstadt.
Orinoco Margarita
Barcelona
Cumaná
Guyana
Apure
Varinas
211,833 Angostura
 
Venezuela Caracas
Carabobo
326,480 Caracas
 
Zulia Coro
Maracaibo
Trujillo
Merida
Pamplona
Socorro
322,167 Rosario de Cácuta
 
Magdalena Rio-Hacha
Santa-Marta
Cartagena
Mompor
176,982 Cartagena
 
Istmo Panamá
Veraguas
100,085 Panamá

[496]

Departamentos.       Provincias.             Bevölkerung.       Hauptstadt.
Cundinamarca Tunja
Casanare
Bogotá
Mariquita
Neiba
495,932 Bogotà
 
Cauca Antioquia
Chocó
Popayan
Buenaventura
226,253 Cartago
 
Ecuador Pasto
Imbabura
Pichincha
Chimborazo
334,933 Quito
 
Sur Loja
Cuenca
Guayaquil
Manabi
184,382 Cuenca
_________________________________________________
 9  37 2,379,045  9

Der hier angegebene Census ist der vor kurzem in der offiziellen Zeitung mitgetheilte, aber der Minister des Innern bemerkt in seinem letzten Berichte an den Congreß, daß „die verschieden Beamten der Departamentos erklärt hätten, daß die Zählung zu niedrig sey, weil die Einwohner sich häufig aus Furcht vor Steuererhebung oder Recrutirungen der Aufzeichnung entzögen. Nach einer genauen Berechnung würde sich die Bevölkerung Columbiens gewiß auf 2,800,000 belaufen, die 204,000 uncivilisirte und unabhängige Indianer nicht mitgerechnet, im Ganzen also auf ungefähr 3 Millionen.“

Ein Hauptgrund, der nach Salazar die Annahme eines Föderativsystems für Columbia wünschenswerth macht, ist dessen Ausdehnung. Um dieß begreiflich zu finden, muß man sich erinnern, daß jene 3,000,000 Einwohner über einen Flächenraum von 1,350,000 englischen Quadratmeilen verbreitet, und oft durch weite unbewohnte Gegenden getrennt sind, so daß die bei einer republikanischen Centralregierung so nöthige Verbindung oft höchst beschwerlich wird.


  1. J. M. Salazar, Oberservaciones sobra las Reformas politicas de Colombia. Filadelfia, 1828.8.
  2. S. Ausland Nr. 47 S. 186
  3. S. Ausland Nr. 98 S. 389.