Ueber einen Mittelwerthssatz

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Textdaten
Autor: Otto Hölder
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Titel: Ueber einen Mittelwerthssatz
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aus: Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg-Augusts-Universität zu Göttingen: aus dem Jahre 1889, S. 38-47
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Dieterichsche Verlags-Buchhandlung
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Erscheinungsort: Göttingen
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Quelle: GDZ , Commons
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Ueber einen Mittelwerthssatz.
Von
O. Hölder.
Vorgelegt von H. A. Schwarz.
1.

Im Messenger of Mathematics vol. XVII no. 10 hat Herr L. J. Rogers gezeigt, wie aus der Thatsache, daß das geometrische Mittel aus beliebig vielen positiven Werthen stets kleiner ist als das arithmetische, eine Reihe von Ungleichungen abgeleitet werden kann. Diese Ungleichungen, welche bei Convergenzuntersuchungen Dienste leisten können, lassen sich aus einem allgemeinen Theorem unmittelbar ableiten, welches durch seinen Zusammenhang mit den Principien der Differentialrechnung ein besonderes Interesse beansprucht.

Bedeutet nämlich eine Function einer reellen Veränderlichen mit zunehmendem Differentialquotienten, so ist das arithmetische Mittel aus einer beliebigen Zahl von Functionswerthen stets größer als der Functionswerth, welcher dem in derselben Weise gebildeten Mittelwerth der zugehörigen Argumente entspricht. Dabei ist der Begriff des arithmetischen Mittels gleich in der allgemeinen Weise zu nehmen, daß jedem der Werthe, aus welchen dasselbe zu bilden ist, eine beliebige positive Größe als Gewicht zugeordnet wird, so daß also die Formel

den Ausdruck des genannten Satzes darstellt.

2.

Um diesen Satz zu beweisen, beginne ich mit dem Fall, in welchem zwei Argumente und vorhanden sind. Der Mittelwerth werde mit bezeichnet,

wo und positive Größen bedeuten.

Der Einfachheit wegen möge angenommen werden, daß die Größe die kleinere sei, so daß also

ist. Nach dem Fundamentalsatz der Differentialrechnung ist nun

wo einen unbekannten Mittelwerth aus den Werthen von im Intervall bedeutet. Man findet daher

und ganz ebenso

Indem man jetzt mit beziehungsweise mit multiplicirt und dann addirt, ergeben die beiden letzten Gleichungen die Relation

Nach Voraussetzung ist der Differentialquotient eine zunehmende Function, es ist also auch

und es folgt somit aus der vorhergehenden Relation, daß

ist.

3.

Aus dem zuletzt gewonnenen Resultat kann der gewünschte Beweis durch Wiederholung hergestellt werden. Ich nehme noch weitere Argumente an; die zugehörigen positiven Gewichte seien . Zur Abkürzung werde außerdem

gesetzt.

Nun ist

Durch Addition erhält man hieraus

womit der ausgesprochene Satz bewiesen ist.

Aus der Art der Herleitung ergiebt sich, daß in der letzten Ungleichung das Zeichen im strengen Sinn zu nehmen, d. h. die Gleichheit auszuschließen ist, vorausgesetzt, daß die Function wirklich stets zunimmt, also in keinem Intervall constant ist, daß ferner die Argumente nicht alle einander gleich sind und die Größen sämmtlich einen von Null verschiedenen Werth haben. Tritt eine der genannten Ausnahmen ein, so ist an Stelle des Zeichens das Zeichen zu setzen.

Ein analoger Satz besteht unter der Voraussetzung, daß eine abnehmende Function ist; man hat dann das Zeichen in das Zeichen zu verwandeln.

4.

Unter der Voraussetzung, daß die Function einen zweiten Differentialquotienten besitzt, kann noch eine weitere Schlußfolgerung gezogen werden. Zunächst gewinnt der Satz jetzt die Form, daß

ist, je nachdem der zweite Differentialquotient in dem ganzen in Betracht kommenden Intervall positiv oder im ganzen Intervall negativ ist.

Ich lasse jetzt die Voraussetzung fallen, daß der erste Differentialquotient immer zunehmen oder immer abnehmen soll. Die Function kann also ihr Vorzeichen ändern, dieselbe möge aber zwischen endlichen Grenzen bleiben in dem betrachteten Intervall, in welchem die Argumente gelegen sind. sei die obere, die untere Grenze dieser Function. Es ist dann

eine Function mit positivem und

eine Function mit negativem zweiten Differentialquotienten.

Wendet man auf jede dieser beiden Functionen den gefundenen Satz an, so ergiebt sich, wenn jetzt an Stelle von gesetzt wird, daß der Ausdruck

größer ist als

und kleiner als

Es ist also

wo

einen zwischen und gelegenen Werth bedeutet und eine Abkürzung ist:

Dieser Ausdruck kann auch so dargestellt werden:

wo die Summationsbuchstaben und in den Doppelsummen die ganzen Zahlen von 1 bis durchlaufen. Der Ausdruck

ist mit dem vorhergehenden identisch. Bildet man die halbe Summe von beiden, so erhält man

In dieser Summe reduciren sich alle diejenigen Glieder auf Null, für welche ist. Mann kann den Factor weglassen, wenn man dafür die Summe über alle Paare von einander verschiedener Zahlen aus der Reihe erstreckt und dabei jedes Zahlenpaar nur einmal nimmt.

Schließlich findet man also

wo einen Mittelwerth bedeutet aus den Werthen des zweiten Differentialquotienten , und die Summe im Zähler rechts in der angegebenen Weise aufzufassen ist. Dabei ist

5.

Dieses Resultat kann auch aus der Restformel der Taylor’schen Reihe abgeleitet werden. Es ist

wo einen Mittelwerth aus den Werthen der Function im Intervall bedeutet. Multiplicirt man mit und summirt man von bis , so ergiebt sich

Nun ist

Ferner ist nach dem gewöhnlichen Mittelwerthssatz

wo einen Mittelwerth von

bedeutet. Es ist aber

Setzt man hierin

so erhält man

also den früher mit

bezeichneten Ausdruck. Damit kommt man auf die Formel

zurück.

6.

In dem Fall, in welchem zwei Argumente und nur vorhanden sind, erhält man, falls gesetzt wird:

Dieses Ergebniß ist sehr bekannt. In der Theorie der Functionen zweier reellen Veränderlichen besteht eine analoge Beziehung. Bedeutet nämlich eine Function von und und den Radius eines Kreises in der Ebene, deren Punkte die Werthepaare vorstellen, so ist

Das Integral ist über die Peripherie des Kreises zu erstrecken, ist das Bogenelement. ist der Werth der Function im Mittelpunkt des Kreises und ist ein Mittelwerth aus den Werthen der Größe

für die Kreisfläche. Unter der Annahme, daß die Function mit ihren ersten und zweiten Differentialquotienten stetig sei, läßt die genannte Relation sich aus dem Green’schen Satz ableiten.

7.

Es mögen jetzt in der Grundformel für die einfachsten Functionen eingesetzt werden. Zunächst sei

wo eine beliebige reelle Größe bedeuten soll. Es ist wenn oder ist, und wenn ist; dabei soll das Argument auf positive Werthe beschränkt werden. Man findet nun

falls oder ist. Nimmt man an, daß

ist, so erhält man für den Exponenten die Ungleichung

Durch Combination der beiden letzten Relationen ergiebt sich

Setzt man zur Abkürzung

so kann man die gewonnenen Ungleichungen in die Formen

und

setzen. Da man nun in den Formeln durch und durch ersetzen kann, so muß es gestattet sein, in jeder der letzten Ungleichungen die Indices der Größen sämmtlich um eine und dieselbe Größe zu vermehren oder zu vermindern, oder diese Indices sämmtlich mit derselben Größe zu multipliciren. Dadurch gewinnt man unmittelbar die von Herrn Rogers aufgestellten Ungleichungen § 3 (1), (2) und § 1 (3), (5).

8.

Setzt man so erhält man

[WS 1]

oder, wenn

gesetzt wird,

Dies ist der Satz vom arithmetischen und geometrischen Mittel in seiner allgemeinsten Gestalt, wie ihn Herr Rogers zum Ausgangspunkt wählt, § 1 (1).

Setzt man so ergiebt sich, indem man sich auf positive Argumente beschränkt

Vgl. a. a. O. § 4.

Falls an Stelle von die Function genommen wird, und die Größen

gesetzt werden, so erhält man wieder für positive Argumente

oder, wenn man die Logarithmen fortschafft,

[WS 2]

Vergl. a. a. O. § 1 (2).

9.

Für die trigonometrischen Functionen ergeben sich folgende Resultate:

vorausgesetzt, daß

Liegen die Größen alle im Intervall so hat man an Stelle des Zeichens das Zeichen zu nehmen. Ebenso findet man

falls die Argumente alle im Intervall oder alle im Intervall gelegen sind. Für die Intervalle und gilt wieder das Umgekehrte.

10.

Von dem bekannten Satz, daß (für )

ist, welcher durch Specialisirung einer unter 7. gegebenen Formel sich ergiebt, folgt hier noch eine Anwendung auf Reihenconvergenz. Ich beweise den Lehrsatz: Wenn für die positiven Größen die Summe

convergirt, so gilt dasselbe von der Summe

wenn ist.

Aus der gegebenen Formel schließt man, daß

ist, also wegen der Convergenz der Summe

daß für jeden Werth von

bleibt.

Wendet man jetzt die partielle Summation an, so ergiebt sich, indem

gesetzt wird:[WS 3]

Weil nun

ist, so muß

sein, denn [WS 4] ist eine positive, von Null verschiedene Größe. Um den anderen Theil zu beurtheilen, entwickelt man

Wenn unendlich wächst, so erhält das Verhältniß der rechten Seite dieser Gleichung zur Größe

den Grenzwerth 1. Es convergirt also die Summe

denn sie reducirt sich auf

wo die Größen unter einer festen Grenze liegen.

Durch Zusammenfassung des Vorhergehenden erhärtet man die behauptete Convergenz der Summe

Anmerkungen (Wikisource)

  1. "+" im letzten Nenner ergänzt
  2. links im Exponent Index bei ergänzt.
  3. Die Laufvariable(n) der beiden Summen – – ist in der Vorlage nicht richtig zu erkennen.
  4. Hier und in dem übernächsten Ausdruck (aber nur in der Klammer) wurde (statt ) ein verwendet.