Unberufen (Lenau)

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Autor: Nikolaus Lenau
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Titel: Unberufen
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aus: Nicolaus Lenau’s dichterischer Nachlaß, Seite 106–107
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Erscheinungsdatum: 1858
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Erscheinungsort: Stuttgart und Augsburg
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[106]

Unberufen.

Nicht ein jeder wagt zu richten
Meister, so in Farben dichten,
Noch des Meisters Flug in Tönen
Schnell zu tadeln, flink zu krönen;

5
Denn mit Farben und Gestalten

Weiß der Laie nicht zu schalten,
Und im Contrapunkt zu reden
Ist nicht Sache eines jeden.
Doch des Worts ist, so und so,

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Wer nicht stumm, ein jeder froh.

Darum wer in Worten dichtet,
Wird vom ganzen Troß gerichtet;
Jeder weiß von ihm zu schwatzen,

[107]

Launisch greifen ihm, heut schmückend,

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An die Stirne, morgen pflückend,

Alle ungeweihten Tatzen.
Dieser Pöbel faßt es nie,
Daß er über Poesie,
Als die höchste Kunst von allen,

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Hat kein Urtheil hinzulallen.

Eben weil ihm ihre Zeichen
Altvertraut sind, dünkt ihm alt
Und vertraut auch ihr Gehalt,
Und er wird ihn nie erreichen;

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Ewig schließt für ihn die Pforte;

Weil er im bekannten Worte
Nur sein täglich Brod erkennt,
Ist’s für ihn kein Sacrament.