Unser tägliches Brot (Lavant)
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Unser tägliches Brot.
Ich wand’re gern durch feuchtes Halmgeschwanke,
Wenn nah und ferne Lerchenjubel klingt,
Wenn über Laub und blühendes Geranke
Ein Falter sich im Morgenstrahle schwingt,
Der Landmann rüstig durch den Boden zwingt,
Um auf des Ackers ausgeruhten Breiten
Ein wohlig Bett dem Samen zu bereiten.
Ich wand’re gern das Erntefeld hinunter,
Und diesen Wald von braunen Aehren munter
In schweren Schwaden sich zu Füßen legt,
Wenn Abends über’m Scheuerthor ein bunter,
Kunstloser Kranz im Winde sich bewegt,
Die Ernte schwankend nach den Höfen tragen.
Ich seh‘ im Geist auf jedem solcher Gänge,
Die Vogellied und Blumenduft mir würzt,
Ein freundliches, ein hastiges Gedränge
Schon wenn der Plug das Feld in seiner Länge
Durchfurcht und spielend seine Krume stürzt,
Seh‘ ich, beladen mit der Ernte Gaben,
Den Esel langsam nach der Mühle traben.
Indeß die Spreu in alle Winde stiebt,
Seh‘ ich den Ofen schon mit heißem Munde,
In den der Bäcker seine Brote schiebt,
Damit er sie nach einer schwülen Stunde
Und zu des Tages mannigfachen Werken
Die Schaffenden und Hungrigen sie stärken.
Und wenn die Garbe sinkt vom raschen Schnitte,
Indeß am Himmel fahles Zucken loht,
Die Kinderschaar bei ihrem Vesperbrot.
Wie klagen sie mit hoffnungsvoller Bitte
Der treuen Mutter ihre kleine Noth,
Um dann von ihr mit freuderothen Wangen
Im Wetterscheine, wie in Regengüssen
Muß so ich träumen, wie im Abendroth;
Es giebt so viele, die da hungern müssen,
Und eine ernste Sache ist’s um’s Brot!
Sich über alles Lebende der Tod,
Und aus dem Garten würde bald auf Erden
Ein weiter Friedhof für die Armen werden.
R.L.