Unsere alten Harzer Wasserbottiche

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Karl Reinecke-Altenau
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Unsere alten Harzer Wasserbottiche
Untertitel:
aus: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1921, S. 1819
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum:
Verlag:
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[18]
Unsere alten Harzer Wasserbottiche.


     Im vorigen Winter wurde in der Stadtverordneten-Versammlung einer oberharzischen Stadt der Beschluß gefaßt, die alten eisernen Wasserbottiche an den Straßen abzureißen und zu verkaufen. Man führte verschiedene Gründe für diesen Verkauf ins Feld, die m. E. nicht stichhaltig waren und bei einer gründlichen Prüfung zusammenfielen. Als Hauptgrund aber wurde angegeben, man habe gerade Gelegenheit, das Eisen zu einem sehr vorteilhaften Preise loszuschlagen und könnte dadurch dem Stadtsäckel ein paar Taler zuführen.

     In diesem letzten Punkte, in der vorteilhaften Gelegenheit, lag natürlich der Hase im Pfeffer. Eine betrübliche Tatsache.

     Ja ja, das Eisen war hoch im Preise! Aber, ihr lieben Stadtväter, hat das Geld für die Wasserbottiche wirklich ein so großes Loch in Eurem städtischen Geldbeutel gestopft? Oder ist es doppelt und dreifach wieder draufgegangen, als ihr neue Hydranten aufstellen lassen mußtet?

     Es nimmt Euch sicherlich keiner übel, in dieser schweren Zeit das Geld herzunehmen, wo ihr es kriegen könnt. Ich weiß es ganz genau, daß die Finanzen unserer armen Oberharzer Städte nicht die rosigsten sind. Meine Ausführungen sollen selbstverständlich auch keinerlei persönliche Angriffe sein. Sie richten sich lediglich auf die Sache. Und da bin ich der Ansicht, daß sich dieser Weg des Geldherbeischaffens vermeiden ließ; denn einmal zweifle ich daran, daß ihr wirklichen materiellen Gewinn gehabt habt. Ihr mußtet ja für Ersatz sorgen. Und dann aber: Wißt Ihr überhaupt, was ihr getan habt?

     Ich will Euch meine meinung darüber sagen: Ihr habt nicht altes Eisen, sondern ein Stück guter alter Zeit, ein Stück Oberharzer Eigenart und Kultur an den Lumpensammler verkauft.

     Ob die alten Wasserbottiche denn wirklich so wertvoll waren, meint ihr verwundert?

     Nein, wertvoller als der Preis für das Eisen, pro Pfund eine Mark gerechnet, sind sie leider gewiß für manchen nicht.

     Aber der Heimatfreund sieht die Sache mit anderen Augen an.

     Hört: Unsere schönen Wasserbottiche mit ihrem rostroten, runden Eisenbauch sind etwas, was wir eigentlich nur im Oberharz haben. Höchstens finden sie sich noch in solchen Harzorten, die Eisenhütten besitzen oder besaßen. Sie sind ein reines und ganz ursprüngliches Heimaterzeugnis unserer alten Harzer Eisenhütten. Heute wird nirgendwo mehr ein solches Ding hergestellt. Was anderswo kunst- und prunkvolle Steinbrunnen waren, das stellten in unserer anspruchsloseren Heimat die Eisenbottiche dar, – auch in ihrer Schlichtheit und Einfachheit echte Kinder unserer Berge, eben wie ich oben sagte: ein charakteristisches Stück Oberharzer Eigenart. Sie stehen nun viele Jahre. Unsere Urgroßmutter hat schon aus ihnen Wasser geschöpft, und vielleicht hat unser Urgroßvater dort Plauderstündchen mit seinem Mädel gehalten. Uns allen ist der Anblick der Bottiche lieb und vertraut geworden. Wie schön machen sie sich aus im Straßenbild! Und gehört nicht ihr munteres Plätschern zur heimlichen Poesie der Bergstadtstraße?

     Seht, das alles sind Werte, die sich nicht pfundweis aufwiegen lassen.

     Und wieviel schöner waren unsere „Buttiche“ früher noch, als das Wasser noch aus hölzernen Pfosten sprudelte! Die wurden freilich leicht morsch und mußten oft erneuert werden. Aber die Holzpfosten machten den alten ursprünglichen Harzbrunnen erst vollständig. – Ich sehe immer noch unsern lieben alten Röhrenmeister Leunig und seinen Kameraden Heine mit dem mannslangen Bohrer Röhren und Pfosten bohren. Sie haben tüchtig anken müssen! – Zweifellos sind die neuerdings verwendeten eisernen Pfosten praktischer. Schade nur, daß man nicht eine schönere Form für sie gefunden hat.

     Aber die Hauptsache bleiben doch die rostigen, moos- und algenbewachsenen Eisenbecken mit ihrem klingenden Rande. Sie sind immer ein schönes und eigenes Moment im Oberharzer Stadtbild gewesen, etwas altväterlich Gemütliches, Poesievolles.

     Ist nicht schon gerade genug von dem, was wir an Schönem von unseren Vätern ererbten, verschwunden? Soll denn alles gute Alte sinnlos beiseite geschoben werden? Meint ihr, daß steife Hydranten die vielseitigen Verzüge der überlieferten Wasserbottiche ersetzen werden?

     Ich will die Sache nicht nur vom idealen Standpunkt verfechten, um nicht als weltfremder Schwärmer verschrieen zu werden. Werft das Alte ruhig über den Haufen, wenn es nicht mehr in die Zeit paßt. Verschließt euch durchaus nicht guten Neuerungen. Was ich will, ist immer nur das: Schmeißt aber nicht Altes weg, was schön und echt und zweckentsprechend ist, sich durch Jahre oder Jahrhunderte hindurch immer als brauchbar erwiesen hat und für das es zwar modernen, aber zweifelhafteren, unschöneren Ersatz gibt.

     Und das will ich auch auf die alten Wasserbottiche beziehen. Von der rein praktischen Seite ließen sich unendlich viele Gründe für ihre Erhaltung anführen. Jeder wird diese Gründe selbst finden. Aus der großen Reihe will ich nur den einen anführen: Was für wirklich vorzügliche Viehtränken [19] sind unsere Brunnen mit ihrem ständig fließenden, frischen Wasser! Nehmt ihr sie sämtlich weg, werdet ihr künftig eure Kühe und Pferde abrichten müssen, wenn sie bei sommerlicher Gluthitze auf der Straße Durst empfinden, mit dem Vorderfuß auf den Hebel des Hydranten zu drücken und das Maul kunstgerecht unter den Wasserstrahl zu halten. Ihr werdet bei der Dressur zunächst Schwierigkeiten haben. Aber vielleicht erbt sich einmal erworbene Intelligenz fort, wer weiß. Die Kälber können’s dann nachher schön von selbst... Sollte allerdings wider Erwarten alle Abrichterei nichts nützen, bleibt eurem Vieh weiter nichts übrig, als auf dem mehr oder weniger langen Nachhauseweg zu dursten oder aber das appetitliche Scheuer- und Abwaschwasser in den Gossenpfützen zu trinken. Doch Spaß beiseite. Oberharzer Landsleute! Unsere Wasserbottiche sind sicherlich an sich geringfügige Objekte. Ich überschätze sie keineswegs. Aber vergeßt nicht, daß sie neben rein praktischen Werten für uns viel Heimatwert haben. Darum schont sie, erhaltet sie, solange ihr könnt. Was heute in dem einen Ort geschehen ist, kann morgen in einem anderen Nachahmung finden. Und dann käme wo möglich einmal der Tag, wo auch der letzte Eisenbottich im Harz zum Lumpensammler wandert und dem Allerweltshydranten Platz machen muß. Euer Heimatempfinden mag diesen Unverstand verhüten. Sollten dennoch materielle Geister siegen, so bitte ich euch im Namen aller Heimatfreunde: Sorgt wenigstens dafür, daß der allerletzte Bottich dann ins Zellerfelder Oberharz-Museum kommt.