Zum Inhalt springen

Unsere sächsischen Soldaten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Gerstäcker
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Unsere sächsischen Soldaten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 187–188
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[187] Unsere sächsischen Soldaten. Es war mir ein eigenthümliches, ja fast heimisches Gefühl – obgleich ich doch selber kein geborener Sachse bin, als ich nach Lagny zuerst zwischen die sächsischen Truppen kam und dort wieder den gemüthlichen, singenden Dialect hörte und ihr harmloses Treiben mitten in einem der blutigsten Kriege der Welt beobachten konnte.

Der sächsische Soldat hat sich genau so wacker und tapfer geschlagen wie der preußische und vor Metz und in vielen anderen blutigen Schlachten, besonders hier wieder vor Paris bewiesen, wie todesmuthig er in dem Feuer stand, wie kräftig er den Sieg verfolgen konnte, und doch, welch ein Unterschied zwischen den Beiden in der Ruhezeit! – Im Kampf mögen sie sich vollkommen gleich sein, aber wahrlich nicht in den Zwischenpausen, denn wo der Preuße stets sein mehr ernstes, strammes Wesen bewahrt, da läßt sich der Sachse in seiner angeborenen Gemüthlichkeit vollkommen gehen, und seine gute Laune wie seine fast sprüchwörtlich gewordene Höflichkeit brechen durch.

Als ich von Clichy aus – wohin ich von Lagny mit einem Wagen gefahren war, der die Briefsäcke beförderte – keine weitere Gelegenheit mehr nach der östlichen Einschließung von Paris und zu dem Hauptquartier des Kronprinzen von Sachsen bekommen konnte, schulterte ich meinen Bergsack und wanderte meine Bahn entlang, durch Livery nach Le Vert galant. Die Straße von Livery lag vollkommen menschenleer, nur hie und da an einem Fenster sah ein Soldat heraus und schien lange Weile zu haben. Da öffnete sich plötzlich eine Thür und hinter mir her kam, im bloßen Kopf und einen Pfriemen in der Hand, ein sächsischer Soldat gesprungen, so daß ich stehen blieb und ihn erwartete. Im Nu war er auch heran, schien aber so von einem Gedanken erfüllt, daß er selbst die Begrüßung vergaß. Nur meinen einen Pelzstiefel – ich trug das Paar, zusammengebunden, über der Schulter – nahm er in die Hand, betrachtete ihn genau von allen Seiten und frug mich dann in seinem blühendsten Dialect:

„Heren Se, wo haben Se denn die Pelzstiefeln her?“

Die Worte klangen genau wie ein mehr als angedeuteter Verdacht, daß ich sie irgendwo gestohlen haben konnte. Ich lachte auch und sagte: „aus Wien.“

„Ih sehn Se mal an – machen se die da ooch? Mir arbeiten zu Hause nur in Pelzstiefeln, und mein Vater hat mer geschrieben, daß se jetzt gar nich Hände genug hätten, um sie alle fertig zu bringen.“

Der Mann gehörte mit zur Handwerkercompagnie, die hier einquartiert war und ihre verschiedenen Werkstätten errichtet hatte.

„Na, heren Se,“ sagte er freundlich, „nähmen Sie’s nicht übel und leben Se recht wohl.“ Damit reichte er mir gemüthlich die Hand und trollte sich.

In Le Vert galant nahm mich ein junger Officier freundlich in sein Quartier auf, und der Bursche desselben sorgte ebenfalls mit für meine kleinen Bedürfnisse. Als er den Abend von mir ging, drehte er sich noch einmal in der Thür um und frug:

„Trinken Se Ihren Kaffee schwarz?“

„Ja,“ sagte ich, „so ziemlich.“

„Na, das ist gut,“ meinte er trocken, „mer han ooch jetzt keene Milch.“

Viele Menschen wollen behaupten – während ich nicht solcher Meinung bin – daß alle unsere Soldaten in diesem furchtbaren, von Tag zu Tage rücksichtsloser geführten Kriege verwildern und diese verwilderten Sitten auch nach Hause mit zurückbringen würden. Ich glaube das nicht, denn die nämliche Furcht stieg damals in Amerika mit weit mehr Grund und nach dem blutigen vierjährigen Kampfe auf, ohne daß sie auch nur in einem Punkt begründet gewesen wäre, und so wird es auch hier sein. Die Leute alle sehnen sich in die Heimath zurück, wenn sie auch fest entschlossen sind, vorher das Begonnene durchzuführen, aber erst einmal dort, erst einmal wieder in dem versöhnenden Kreise ihrer Frauen, Mütter und [188] Schwestern, und all dies wilde Leben und wüste Treiben, dem sie so oft folgen mußten, ist vergessen und liegt wie ein Traum hinter ihnen.

Der Deutsche ist, seiner ganzen Erziehung nach, eher weich als hart, und überhaupt von Grund aus gutmüthiger Natur. Das rauhe Leben und Wesen ist ihm nicht angeboren, sondern nur durch die Umstände augenblicklich aufgezwungen, und freudig wird er es abschütteln, sobald er den Fuß auf heimischen Boden setzt. Wie dem aber auch sei, und wenn es wirklich – was Gott verhüten wolle – bei einigen Stämmen noch eine Weile nachhalten sollte – für unsere Sachsen stehe ich ein, und daheim brauchen sie deshalb keine Sorge zu tragen.

Fr. Gerstäcker.