Untergang des Suckenthals

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Untergang des Suckenthals
Untertitel:
aus: Die Volkssagen der Stadt Freiburg im Breisgau S. 78-81
Herausgeber: Heinrich Schreiber
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Franz Xaver Wrangler
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Erscheinungsort: Freiburg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Freiburg und Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Die Mordgrube zu Freiberg
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46. Untergang des Suckenthals.

(Mit historischen Nachweisungen im Jahrgang 1840 des Taschenbuches für Geschichte und Alterthum in Süddeutschland. S. 269. ff.)


In der Nähe der Stadt Waldkirch senkt sich ein enges fruchtbares Thal, Suckenthal genannt, von einem Vorberge des Kandel herab. Wo es sich gegen den Elzfluß öffnet, steht das gleichnamige Badhaus, welches wegen der dortigen Schwefelquellen viel besucht wird.

In alter Zeit wohnten über tausend Bergleute im Thale [79] und förderten aus den Gruben zu beiden Seiten desselben Massen von Silber zu Tage. Ihrer Pochwerke, Schmelzhütten und Wohnhäuser waren so viele, daß die Katzen vom Ufer der Elz an bis zum obersten Hofe auf den Dachfirsten sich herumtreiben konnten. Ein besonders stattliches Gebäude, Engelsburg genannt, stand auf der jetzigen Schloßmatte; darin wohnte eine Edelfrau mit ihrer einzigen Tochter und lebte da in Glanz und Ueppigkeit. Es fehlte ihnen nicht an Gesellschaft, denn von allen Seiten kamen Freier herbei, welche sich um die Hand des schönen und reichen Fräuleins bewarben. Da jedoch die Edelfrau schon in den frühen Morgenstunden Unterhaltung haben wollte, so ließ sie über ihrer Himmelbettstatt, wie solche damals Mode war, ein kristallenes Becken anbringen und mit Goldfischchen besetzen, an deren Spiel sie sich ergötzte. Bald war sie so sehr dafür eingenommen, daß sie demjenigen, der einen Brunnen laufenden Wassers, woran es überhaupt im Thale mangelte, in dieses Becken zu leiten vermöchte, sogar die Hand ihrer Tochter zusagte. Ein Obmann der Bergleute, der schon lange in dieselbe verliebt war, unternahm das Werk, und führte es, – man vermuthete allgemein, nicht ohne Beihülfe des Bösen, – glücklich aus.

Am Hochzeittage war großer Jubel, die Gäste überließen sich der ausgelassensten Freude. Da geschah es, daß damals auf dem obersten Hofe ein armer Mann todkrank lag und den Geistlichen mit der letzten Wegzehrung zu sich bitten ließ. Eilig stieg dieser das Thal hinauf, voran, wie es üblich ist, der Kirchendiener mit dem tönenden Glöcklein. Da wollten denn auch Einige mit dem Geschrei und Tanz einhalten und niederknien, aber die Edelfrau rief ihnen mit übermüthigem Spotte zu: „Was fragt ihr nach der Schelle, jede von meinen Kühen hat eine solche am Hals.“ Und nun ging es auf’s Neue fort mit Spielen, Trinken, Lärmen und Tanzen.

[80] Zu verwundern war es, wie der todkranke Mann auf seinem einsamen Hofe, durch den Zuspruch des Geistlichen und die genossene Wegzehrung sich erleichtert fühlte. Denn kaum hatte ihn jener verlassen, so erhob er sich von seinem Lager und befahl seinem sechzehnjährigen Sohne, der allein bei ihm war, am Fenster nachzusehen, ob keine Wolke am Himmel sei? Die Antwort lautete: es komme ein Wölkchen, doch nicht größer als ein Hut, über den Schwarzenberg her. Noch zweimal mußte der Sohn nach der Wolke sich umsehen. Das erste Mal hinterbrachte derselbe, sie sei bereits so groß, wie eine Badwanne; das zweite Mal, nun habe sie die Größe eines Scheuernthores. Da befahl der Vater, ihn geschwind auf den Lusenberg zu tragen, sowie die besten Habseligkeiten dahin zu flüchten; denn Gottes Gericht breche jetzt über das Thal herein.

Nachdem sie auf der Höhe angelangt waren, sahen sie zu, wie das Gewitter, welches sich inzwischen über dem Thale zusammengezogen hatte, mit schrecklichen Blitzen und Donnerschlägen und einem Wolkenbruche ausbrach. Alle Gebäude im Thale, nur die Kirche und der oberste Hof ausgenommen, wurden vom Wasser weggerissen, alle Bergwerke verschwemmt und von der ganzen Einwohnerschaft nur der alte Mann mit seinem Sohne und ein kleines Kind am Leben erhalten. Dieses Kind, ein Knäblein, schwamm in seiner Wiege mitten in der Fluth und bei ihm befand sich eine Katze. So oft die Wiege sich auf eine Seite neigte, sprang die Katze auf die andere und brachte sie dadurch wieder in’s Gleichgewicht. Auf solche Weise gelangte die Wiege glücklich bis unterhalb Buchholz, wo sie im Dolden (Wipfel) einer hohen Eiche hängen blieb. Als der Baum wieder zugänglich geworden war, holte man die Wiege herab und fand Kind und Katze lebend und unversehrt. Da Niemand wußte, wer des Knäbleins Eltern gewesen, so nannte man es nach dem Wipfel des Baumes [81] „Dold“, und dieser Name wird von seinen Abkömmlingen noch heute geführt.

In Folge dieses schrecklichen Ereignisses wurde auch der damals gebräuchliche Name des Thales geändert. Vorher hatte man es als „Reichenthal“ oder gar „Paradiesthal“ gepriesen; von nun an erhielt es den Namen „Sunckenthal“, d. i. versunkenes Thal, woraus „Suckenthal“ geworden ist.