Verbrannte Papiere

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: St. J.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Verbrannte Papiere
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 695–696
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[695]

Verbrannte Papiere.

Handschriften, Urkunden, Geschäftsbücher können gegen Feuersgefahr nicht versichert werden, man muß sie darum ebenso wie das Geld besonders schützen. Man thut dies, indem man sie in die bekannten feuerfesten Schränke einschließt. Sind aber diese lange Zeit der Gluth ausgesetzt gewesen, so werden die Papiere in ihrem Innern durch die gewaltige Hitze verändert, und wenn sie auch nicht verbrennen, so verkohlen sie doch zum Theil. Sie befinden sich alsdann in einem eigenartigen Zustand, der für ihre Erhaltung gefährlich werden kann.

Man hat diese Gefahren erst nach und nach kennengelernt. Zu ihnen gehört vor allem ein zu frühzeitiges Oeffnen der Schränke nach stattgehabtem Brande. In den siebziger Jahren hat man in Berlin bei dem großen Brande einer Wollwarenfabrik eine trübe Erfahrung in dieser Beziehung gemacht. Man grub einen Geldschrank aus dem rauchenden Schutt hervor und fand ihn stark erhitzt, durch kräftiges Bespritzen mit Wasser wurde er zwar, wie man glaubte, in kurzer Zeit gehörig abgekühlt, und man schritt zur Oeffnung, die jedoch nur mit Anwendung großer Gewalt möglich war, kaum aber hatte man die Thür aufgebracht, so schlug aus dem Innern des Schrankes eine Flamme hervor, welche alle darin befindlichen Bücher und Papiere verzehrte.

Die Erklärung dieser Erscheinung ist ganz leicht. Die Doppelwände solcher Schränke sind mit schlechten Wärmeleitern ausgefüllt, welche die Gluth von dem Innern abhalten sollen. Ist nun der Brand ein bedeutender und steht der Schrank lange im Feuer, so wird trotz der schlechten Wärmeleiter das Innere des Schrankes stark erhitzt. Wird dieser schließlich aus dem Schutt hervorgezogen, so kühlen sich die äußeren eisernen Theile leichter ab, während das Innere noch lange heiß bleiben muß, da die schlechten Wärmeleiter in den Zwischenräumen der Wände die Wärme nicht herauslassen. Die Papiere im Inneren befinden sich aber in einem mehr oder weniger angesengten Zustande. Sind sie im Augenblick der Oeffnung noch heiß, so genügt schon ein frischer Luftzug, ein reichlicherer Zutritt sauerstoffhaltiger Luft, um sie zu entflammen. Darum ist die Regel aufgestellt worden, daß man Geldschränke, die im Feuer gestanden haben, erst nach gehöriger Abkühlung und nach einer geraumen Zeit öffnen soll.

Außer Verbrennungsgefahr ist freilich das Papier dann noch keineswegs. Das beweist ein anderer Vorfall, der in Amerika sich ereignete. Dort wurden Papiere und Bücher nach gehöriger Abkühlung der Schränke aus denselben herausgenommen, sie waren zwar, namentlich an den Rändern, angekohlt, befanden sich aber sonst in einem ganz leidlichen Zustande, so daß man die Schrift gut lesen und die einzelnen Blätter auseinanderfalten konnte. Froh, die Geschäftsbücher und -papiere gerettet zu haben, legte sie der Besitzer in seiner Privatwohnung auf einen Marmortisch. Als er aber am andern Morgen das Zimmer betrat, fand er anstatt der Bücher und Papiere nur einen Haufen Kohle und Asche, der zwar genau die Form der Bücher beibehalten hatte, jedoch bei der leisesten Berührung in Staub zerfiel. Die eingeleitete Untersuchung erwies, daß eine nachträgliche Brandstiftung ausgeschlossen war.

Dieser sonderbare Vorgang läßt sich ebenfalls auf Grund der physikalischen und chemischen Gesetze erklären.

Wir müssen dabei an die Selbstentzündungsprozesse in der Natur denken. Die Holzkohle z. B. besitzt die Eigenschaft, in ihren Poren gas- und dampfförmige Körper zu verdichten. Frische Buchsbaumkohle saugt das 35- bis 40-fache ihres Raumgehalts an Kohlensäure auf. Wo aber Gase verdichtet werden, da wird Wärme frei, und so kann sich auch frische Holzkohle an der Luft erhitzen, ja sich selbst entzünden. In Fabriken, die viel Holzkohle brauchen, sind derartige Selbstentzündungen schon öfters vorgekommen.

[696] Es ist nun anzunehmen, daß die Ränder der angekohlten Bücher in dem geheimnißvollen amerikanischen Fall wie frische Holzkohle gewirkt und eine Selbstentzündung herbeigeführt haben.

Uebrigens sind verbrannte Papiere, verkohlte Urkunden u. dgl. nicht immer verloren, denn man kann auch auf dem verkohlten Blatt die Schrift noch lesen. Eine Massenentzifferung solcher Schriften wurde seinerzeit in Paris vorgenommen. Während des Kommuneaufstandes war nämlich eine große Anzahl wichtiger Akten des Pariser Gerichtshofes verbrannt, und zwar waren sie so lange der Einwirkung der Hitze ausgesetzt gewesen, daß die einzelnen Bände verkohlten Holzblöcken glichen; die Blätter waren fest aneinander geklebt, wollte man sie aber selbst mit der größten Vorsicht voneinander trennen, so zerfielen sie in Staub und Asche. Einem Beamten des Pariser Gerichtshofes Namens Rathelot gelang es jedoch, diese Schriftstücke zum großen Theil zu retten. Er nahm einen solchen Band und schnitt zunächst den Rücken durch, so daß die Bogen nunmehr einzelne Blätter ohne Zusammenhang bildeten; dann tauchte er den ganzen verkohlten Band ins Wasser und nahm ihn, nachdem er sich vollgesogen, wieder heraus. Hierauf wurde die Masse an der Oeffnung eines Luftheizungsofens der Einwirkung einer starken Hitze ausgesetzt. Das Wasser in den Poren verdampfte rasch und der Dampfdruck löste die einzelnen Blätter voneinander, sodaß sie unter Anwendung der nöthigen Vorsicht getrennt werden konnten. Das Lesen der Schrift war durchaus nicht schwierig, denn das verbrannte Papier sah glänzend schwarz, die Schrift aber matt aus, und das Ganze hatte das Aussehen von Sammetverzierungen auf schwarzem Atlasgrunde. Selbstverständlich wurden die einzelnen Blätter sofort abgeschrieben, die Abschriften von anwesenden Beamten beglaubigt und auf diese Weise gegen 70 000 Schriftstücke gerettet.

Uebrigens ist es nicht gleichgültig, mit welcher Tinte solche Papiere beschrieben sind. An verkohlten Schriften, die aus tagelang durchglühten Kassenschränken herausgenommen wurden, hat man die Erfahrung gemacht, daß die alte Galläpfeltinte sich im Nothfall durch verschiedene chemische Lösungen wieder sichtbar machen ließ, während dies bei den Anilintinten weniger oder gar nicht gelingen wollte. Diese Wahrnehmungen haben zur Herstellung sogenannter feuerfester Tinten geführt. Eine derselben besteht aus folgender Mischung: 82 g fein gemahlenem und fein gesiebtem Graphit, 0,75 g Kopallack, 7,5 g Eisenvitriol, 30 g Galläpfeltinktur und Indigokarmin.

Man fertigt auch „feuersicheres“ Papier aus einer Mischung von vegetabilischen Fasern, Asbest, Borax und Alaun; es ist aber nicht feuerfest, sondern nur sehr schwer entzündlich. Wirklich unverbrennbar ist nur Asbestpapier, allein dieses eignet sich nicht zur Einführung im großen, und es ist uns auch nicht bekannt, ob es im Handel zu beziehen ist. In Amerika hat man viel darüber geschrieben, jetzt ist es aber still geworden davon. Vermuthlich haben sich die Versuche nicht bewährt, und der wir[k]samste Schutz für den Geschäftsmann, der seine Bücher und Papiere vor dem Brande sichern will, ist immer noch ein guter feuerfester Schrank. St. J.