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Verlassen!

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Bn.
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Titel: Verlassen!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 245, 260
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[245]

Photographie im Verlage von V. Angerer in Wien.
Verlassen.
Nach dem Gemälde von Imre Knopp.

[260] Verlassen! (Zu dem Bilde S. 245.) Eine bittere Stunde für die Arme hier im einsamen Kirchenstuhl! Mit eigenen Augen hat sie’s sehen wollen und hätte doch besser gethan, ihre Verzweiflungsthränen in der stillen Kammer daheim zu weinen, denn, wie zerrissen auch ihr Herz sein mag, sie kann sich nicht einmal wirklich betrogen nennen von dem glücklichen Bräutigam da vorn am Altar. Es ist alles ganz „korrekt“ zugegangen, er hat ihr schon vor Monaten gesagt, daß es nun zwischen ihnen ein Ende nehmen müsse, und sie hat auf seine wiederholte Frage: „denn was sollte schließlich daraus werden?“ keine Antwort gewußt. Freilich – die Frage stellte er nicht, als er im vorigen Frühling stürmisch um die Liebe der schönen jungen Putzmacherin warb und sie – sie war viel zu glücklich, um an die Zukunft auch nur zu denken. Die Gegenwart war ja so wonnevoll! … Und nun? Frühling und Sommer sind dahingegangen, im Herbst hat sich der ehrgeizige junge Assessor auf die Pflichten gegen seine Zukunft besonnen und dieser eine ganz vortreffliche Basis verliehen durch die Verlobung mit dem schönen reichen Mädchen, das ihn schon seit ihrem ersten Ball still im Herzen trug. Die blonde Anna ist für ihn eine abgethane Episode; wie sie’s verwindet, „das ist ihre Sache“, „er braucht sich keinen Vorwurf zu machen!“

Nun, bis die Trauung zu Ende ist und das junge Ehepaar Arm in Arm den Kirchengang zurückschreitet, wird der Stuhl hier leer sein. Und die junge Frau erfährt vielleicht niemals, mit welchem Jammer ihr Glück dereinst bezahlt wurde!

Es ist eine leider recht alltägliche Geschichte, die uns der Künstler erzählt, aber durch die einfache Kontrastwirkung weiß er sie ergreifend genug darzustellen. Bn.