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Volksleben in Kopenhagen

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Textdaten
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Autor: Franz Wallner
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Titel: Volksleben in Kopenhagen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 763-766
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Volksleben in Kopenhagen.

Federzeichnung von Franz Wallner.

„Sie wollen jetzt nach Dänemark reisen, was haben Sie als Deutscher dort zu suchen?“

Diese permanente Antwort mußte ich durch acht Tage von Jedem anhören, den ich aufforderte, mich auf einen Ausflug nach Kopenhagen zu begleiten. Es kostete mich Mühe und Ueberredung genug, ein paar vernünftigen Menschen begreiflich zu machen, daß ich für die „Dänen“ und namentlich für die dänische Regierung ebenso wenig Sympathien empfinde, als irgend ein anderer Mensch im Vaterlande, daß mich diese Abneigung aber nicht hindere, einen Ausflug nach der skandinavischen Hauptstadt für das lohnendste zu halten, was man bei beschränkter Zeit erreichen kann. Meine Reisegefährten machten nur noch die Bedingung, vor der Fahrt nach Kopenhagen die prächtige Insel Helgoland zu besuchen, auf welcher wir eben ankamen, um der Feier der glücklichen Rettung des Königs von Preußen aus Mörderhand mit beizuwohnen und zwei Hannoveraner sich unsterblich blamiren zu sehen, die einen Beitrag zu einer Sammlung für die deutsche Flotte verweigerten, „wenn selbe unter preußischer Oberherrschaft stehe“. Eine bessere Einleitung zu unserer dänischen Reise konnten wir wohl nicht finden, als diesen Beitrag zur Lächerlichkeit der Nationalitäts-Eifersüchtelei unter deutschen Landsleuten für eine wahrhaft deutsche Sache. Gott besser’s!

Ein Beweis der bitter feindlichen Stimmung der Dänen gegen Deutschland tritt dem Fremden schon bei der Ankunft in Kopenhagen auffallend entgegen. Während vor einigen Jahren, bei meiner letzten Anwesenheit daselbst, alle Aufschriften, Schilder, Bekanntmachungen etc. in dänischer und deutscher Sprache abgefaßt waren, sind letztere spurlos verschwunden. Es überfällt uns ein sonderbar unheimliches Gefühl, mit dem ersten Schritt in ein fremdes Land von den heimathlichen Lauten so ganz und gar abgeschnitten zu sein. Selbst der Gang der Züge auf der Eisenbahn, ja selbst die Speisekarte in den deutschen Hotels ist dänisch abgefaßt. Natürlich begünstigt die Regierung diesen Deutschenhaß auf das Allerwärmste und mit beinahe kindischem Eifer, wofür die „Feier des Sieges bei Idstedt“, der wir beiwohnten, und aus die ich später zurückkommen werde, einen recht auffallenden Beleg abgab. Offenbar aber lauert hinter dieser so ostensibel zur Schau getragenen Abneigung die Furcht vor „deutschen Hieben“ nur vor dem, was die nächste Zeit verhängnißvoll bringen könnte.

Die Hauptsache, warum ich nach Kopenhagen gekommen und warum ich meine Freunde zu diesem Ausflug gepreßt hatte, war die Beobachtung des Volkslebens, welches sich in voller Naturwüchsigkeit fast nur hier allein noch vorfindet, wenigstens in Deutschland nichts auch nur annähernd Aehnliches aufzuweisen hat. Die reizende Lage der dänischen Hauptstadt, die reiche Sammlung von Kunstwerken, die selbe ihrem edelsten Sohne, dem großen Thorwaldsen, dankt, ist bereits in zahllosen Reisewerken genügend geschildert worden, wenden wir daher unsere Schritte diesmal zuerst zu dem A und O eines jeden richtigen Kopenhageners, zu dem großartigen

Tivoli.

Nirgend existirt, sowohl in der Anlage, als in der Ausführung, ein ähnliches Etablissement. Alle nur denkbaren Bedingungen für ein Vergnügungslocal für alle Classen der Bevölkerung sind hier vereinigt und gelöst. Als der geniale Carstenson, auf welchen wir später zurückkommen werden, dem Ministerium den Plan zu diesem Unternehmen vorlegte, überließ dies der Actiengesellschaft, die sich zur Realisirung desselben gebildet hatte, den prachtvollen Platz hierzu, der ein Capital von mindestens einer halben Million repräsentirt, auf unbestimmte Zeit unentgeltlich, indem die Gemeinnützigkeit der Idee klar auf der Hand lag. Wollte das Ministerium den Platz heute zurück oder bezahlt verlangen, so wäre der Sturz desselben, ja eine Revolution die unabänderliche Folge. Wer den Kopenhagener und sein Tivoli kennt, der wird diese Behauptung nicht für übertrieben halten. Reich und Arm, Hoch und Niedrig, Jung und Alt hat das Tivoli in's Herz geschlossen, jeder Kopenhagener, ich behaupte Jeder, ohne Ausnahme, besucht sein liebes Tivoli die Woche ein oder zwei Mal, und an Sonntagen gleicht der Zug dahin in Wahrheit einer Völkerwanderung.

Worin liegt dieser Zauber, der alle Welt anzieht? Zuerst in der ungemeinen Billigkeit, die den Platz für Jedermann zugänglich macht, eine Billigkeit, die eben nur dadurch ermöglicht wird, daß Grund und Boden nicht verzinst zu werden braucht.

Das Entrée beträgt pro Person l Mark = 31/2 Sgr. – Wolle mir der freundliche Leser folgen und mit mir sehen, was ihm für seine 31/2 Silbergroschen geboten wird.

Um den Weg brauchen wir uns nicht zu erkundigen, zahlreiche Fußgänger und fortwährend ab und zu fahrende Omnibuswagen führen uns ohne Frage die kurze Strecke vor das Westerthor, wo das geschmackvolle Eingangsgitter, beim Einbruch der Dunkelheit mit unzähligen reizend gruppirten farbigen Lampen beleuchtet, uns sofort in die Augen fällt.

Ein stets zahlreiches, aus allen Ständen bestehendes Publicum durchschwärmt bereits fröhlich die ausgedehnten großartigen Anlagen. An Sonntagen werden z. B. zwölf- bis vierzehntausend Billets ausgegeben, die Actiengesellschaft, als Eigenthümerin des Etablissements, ist dadurch im Stande, trotz des winzigen Eintrittspreises, auch in diesem Jahre den Theilhabern eine Dividende von [767] zehn Procent zu bezahlen. Besehen wir uns das stets wechselnde Programm einer Verstellung im Tivoli.

1) Um 5 Uhr beginnt unter Leitung des bekannten Componisten E. Lumbye in dem reizend arrangirten großen Musiksaal ein großes Concert, wobei derselbe ein Schlachtgemälde „Unter Accompagnement von Kanonenschlägen, Musketensalven, Horn-, Trommel- und Trompetensignalen“ zum ersten Mal executiren läßt. 2) und 3) Aus dem Theater im Freien folgen die Productionen der Geschwister Cotrelly und im offenen Circus jene des bekannten Kunstreiters Loisset mit seiner Gesellschaft. 4) Im geschlossenen Circus zeigt Professor Förster aus London großartige Nebelbilder. 5) Komische Pantomime auf dem Theater, unter Mitwirkung der Geschwister Osmond, worin der ungemein beliebte, und in seiner Art auch treffliche Pierot-Darsteller Herr Volkerson mitwirkt. 6) Eine Seiltänzergesellschaft zeigt ihre Kunststücke. 7) Lebende Bilder. 8) Tombola. 9) Vorstellung des Kunstreiters Loisset im geschlossenen Circus. 10) Großartiges Feuerwerk. 11) Auf der sogenannten Insel und in den vielen Restaurationslocalen sind fortwährend Concerte und Vorträge von deutschen, schwedischen und dänischen Volkssängergesellschaften.

Die Anlage ist mit geschmackvollen Blumengruppen, Irrgärten, riesigen Lauben, Statuen etc. und unzähligen Volksbelustigungen versehen, Caroussel, Kraftmesser, Menagerien, eine Rutschbahn im größten Maßstabe, Kegelbahnen mit künstlichen Ueberraschungen für den Sieger, Schießstände, Bazare etc. stoßen dem Beschauer fast bei jedem Schritte auf, große und kleine Speise- und Erfrischungslocale laden den Müden und Durstigen zu trefflicher Naturalverpflegung bei billigen, von der Direktion[1] streng normirten Preisen ein; unter Ab- und Zuströmen der Menge, im bunten Wechsel der fortwährend sich ablösenden Unterhaltungen bleibt die Schaulust bis Mitternacht rege, wo die Massen dicht gedrängt und froh bewegt nach Hause eilen.

Kein Mann Polizei wird in den weiten Räumen sichtbar, jede Rohheit, jede Unanständigkeit, würde je eine solche hier gewagt werden, würde sofort an jedem der Anwesenden einen strengen Richter finden, ehe die Behörde Zeit hätte, sich in’s Mittel zu legen.

Nach diesen einfachen Umrissen wird es der freundliche Leser wohl begreiflich finden, daß den Fremden sofort die Frage empfängt: Waren Sie schon in unserem Tivoli? und daß der echte Kopenhagener den Tag für verloren ansieht, an dem er verhindert ist, sein geliebtes Tivoli zu besuchen. Es war daher ein mehr als kühnes Wagniß, als Carstenson, der Gründer desselben, mit dem Plane hervorrückte, seiner Schöpfung eine Nebenbuhlerin zu schaffen, die dieselbe noch überflügeln sollte.

Carstenson ist für das Vergnügen der Kopenhagener das, was Thorwaldsen für den künstlerischen Ruf der Hauptstadt ist. Wir wollen daher in flüchtigen Umrissen die Laufbahn dieses genialen Abenteurers zu zeichnen suchen. Nach einem bewegten Leben als ehemaliger Officier der Fremdenlegion von Algier in seine Vaterstadt zurückgekehrt, entwarf er, ein geborener, nicht gelernter Architekt, die Pläne zum Tivoli in allen Details und rief selbe auf Rechnung einer von ihm gegründeten Actiengesellschaft in’s Leben. Es wurde ihm ein so namhafter Antheil am Gewinn zugesichert, daß er sich ruhig hätte in seiner Heimath niederlassen und seiner Schöpfung freuen können. Aber Ruhe lag nicht im Charakter Carstenson’s. Nachdem unter seiner Leitung das ungemein beliebte und an Zweckmäßigkeit und Genialität der Anlage unübertroffene Casinotheater ebenfalls auf Actien gebaut wurde, ließ sich unser Carstenson seinen Antheil an den beiden Unternehmen mit einer namhaften Summe abkaufen und ging nach – New York, um mit einem Compagnon den dortigen Industriepalast für die Ausstellung zu bauen. Die Speculation schlug fehl, das große Unternehmen rentirte nicht, und Carstenson kehrte nach zwei Jahren von Amerika ebenso arm und mittellos nach Kopenhagen zurück, als er von Algier dahin gekommen war.

Mit der ihm eigenen kühnen Genialität entwarf er nun den Plan zur Alhambra, welche das Tivoli überflügeln sollte. In wenig Wochen war das nöthige Capital dazu, abermals durch Actionäre, aufgebracht und der Bau in Angriff genommen. Mit fieberhafter Hast trieb Carstenson zur Vollendung, die er nicht mehr schauen sollte, denn kurz vor Beendigung des Baues starb er, arm und körperlich wie pecuniär ruinirt, und das Geschick seiner Familie der öffentlichen Wohlthätigkeit überlassend, welche sich auch an derselben in glänzender Weise bewährte. Während er ein großes Vermögen hätte hinterlassen können, versplitterte er dasselbe in der Manie, sich fortwährend neue, feenhaft decorirte Wohnungen zu arrangiren. Kaum war mit enormen Kosten eine Idee ausgeführt und er in die prachtvollen Räume eines neuen Hauses eingezogen, so widerte seine stets arbeitende Phantasie das originelle Einerlei seiner Schöpfung an, die reiche Ausstattung wurde mit außerordentlichen Verlusten verkauft und eine neue Einrichtung erfunden; ähnlich wie Alexander Dumas verschleuderte er die reichen Früchte seiner Arbeit in phantastischen Entwürfen und ruhelosem Schaffen genialer Projecte.

Das Hauptgebäude (Theater und Concertsaal) der Alhambra ist beides in maurischem Styl erbaut. Das Theater enthält in amphitheatralischer Form über bequeme Sitzplätze, die hohen Bogenfenster von farbigem Glas machen einen imposanten Effect. Statt des in Schauspielhäusern gewöhnlichen Kronleuchters im Zuschauerraume entzündet sich hier im Zwischenakt plötzlich eine aus unzähligen dicht an einander gedrängten Gasflammen bestehende und unter einem concaven Glasbehälter befindliche Sonne, deren Licht sich, durch Reverberen vervielfältigt, über das Auditorium tageshell ergießt und mit dem Beginn der Vorstellung wieder erlischt. Es ist dies eine ganz vortreffliche, zweckmäßige und wahrhaft überraschende Neuerung, deren Einführung an allen deutschen Bühnen zu wünschen wäre.

Schreiber dieses wohnte in der Alhambra – am 25. Juli – dem Siegesfest der Schlacht bei Idstedt bei, bei dem freilich der Wille, die Festlichkeit recht großartig zu gestalten, eben so wie im Tivoli, weit hinter der Ausführung zurückblieb und wie eine kindische Ostentation aussah. Schon den ganzen Tag lief eine Bande in schlechte Uniformen gekleideter Jungen trommelnd durch die Straßen der Stadt. Ich habe nicht erfahren können, ob diese bettelhafte Militairkleidung irgend einem Institut angehört oder bloß als Maskerade zur Feier des Tages dienen sollte. Auch an den öffentlichen Belustigungsorten fand ich diese jugendlichen Lärmmacher wieder in voller Thätigkeit. Das Fest eröffnete ein Schlachtgesang in Begleitung von 24 Kanonenschlägen. Drei Lustspiele mit Gesang, von denen ich, der dänischen Sprache nicht mächtig, nichts verstand, als daß selbe recht mangelhaft aufgeführt wurden, lebende Bilder auf dem Theater im Garten unter Gottes blauem Himmel von der Gesellschaft eines Herrn Alfonso und „dessen Damen“ ausgeführt, wobei fleischfarbene Tricots die Hauptrolle spielten, großes Concert mit einem neuen Tongemälde: „Die Schlacht bei Idstedt“, ein ziemlich wilder Tanz einer bildhübschen Künstlerin, Frl. Louise Hélin, die Pantomime: „Pierot als Barbier“ und ein von hundert Soldaten ausgeführtes Schlachttableau unter Feuerwerksbegleitung, das waren so ziemlich die Ingredienzien zur mageren Siegesfeier. Das zahlreich versammelte Publicum verhielt sich leidlich passiv und gab dem Schreiber dieser Zeilen auch hier Gelegenheit, den Takt zu bewundern, mit welchem in Kopenhagen sich die Menge bei Massenversammlungen aus allen Ständen benimmt. Nicht die geringste Störung fällt vor, Alles bewegt sich froh durcheinander und vergnügt sich harmlos an dem Gebotenen. In Berlin würde – leider muß dies ausgesprochen sein – ein öffentlicher Vergnügungsort für alle Classen der Gesellschaft mit einem so geringen Eintrittspreis ohne Exceß nicht denkbar sein. Freilich zeichnet sich der Berliner Pöbel an Rohheit vor dem der anderen deutschen Hauptstädte auf traurige Weise aus.

Uebrigens liegen die jetzigen Leiter der Alhambra und die Actionäre des Institutes nicht auf Rosen. Das Local konnte nur ein Jahr, durch den Reiz der Neuheit getragen, der gewaltigen Concurrenz des Tivoli widerstehen, schon im nächsten Monat wird dasselbe unter dem Subhastationshammer dem Meistbietenden zugeschlagen werden, ob es dann unter tüchtigerer Leitung als die jetzige, allerdings sehr mangelhafte und einseitige, sich wird halten können, bleibe dahin gestellt. Vor dem Westerthore hinaus schließt sich ein Vergnügungslocal, eine Schaustellung an die andere an; ich erwähne als Curiosum „die Mumie der Pastrana“; die prachtvollsten Gärten für Biertrinker mit eleganten Salons reihen sich an einander, und an allen diesen Bauten ist der Einfluß der originellen Carstenson’schen Architektur unverkennbar.

Auch das Seebad Marienlyst cultivirt in neuester Zeit durch Aufstellung einer Masse von Schaubuden, Restaurationen mit Tanzböden und Sängergesellschaften die Lust an öffentlichen Unterhaltungen. [768] Dies Unternehmen ist ebenfalls durch eine Actiengesellschaft in’s Leben gerufen und durch Schenkung des prachtvollsten und ausgedehntesten Waldbodens, in Berücksichtigung des gemeinnützigen Zweckes, vom Ministerium auf’s Humanste unterstützt worden.

Einen lohnenderen Ausflug, als den nach Helsingör[2] über Marienlust und zurück durch den Thiergarten kann man sich nicht denken. Für Personen von etwas lebhafter Phantasie wird am ersteren Ort auch die Hamletterrasse, auf welcher Shakespeare den Geist des Dänenkönigs erscheinen läßt, und Hamlet’s Grab Interesse haben. Letzteres wird auf einer kleinen Wiese des Gasthausgartens gezeigt, ist mit einem abgerundeten, sehr roh gearbeiteten Säulenstumpf verziert und läßt der Einbildungskraft des Beschauers den ausgedehntesten Spielraum übrig, Für Personen, welche auch die 31/2 Sgr. Entrée in’s Tivoli oder Alhambra nicht auftreiben können, bieten die Volksfeste im Thiergarten während zwei Monaten (Juni und Juli) den ausgedehntesten Unterhaltungsstoff. Bekanntlich zeichnet sich der Thiergarten durch seinen riesigen Baumwuchs und seine wunderbar schönen Anlagen aus. Während nun die glücklich situirte Minderheit in ihren Equipagen auf und ab stolzirend ihr liebes Ich die Allee entlang zur Schau führen läßt, treibt sich die Menge auf den von prachtvollen Buchen eingeschlossenen Wiesen herum, wo zahllose Zelte, Buden mit Erfrischungen, Gauklerbanden, Seiltänzer, Taschenspieler, Caroussels, Feuerfresser etc. etc. für den Preis von einem Shilling – 3 Pfennige – zum Besuche einladen. Hier geht es, namentlich an Sonn- und Festtagen, toll und lustig zu, und hier sollen sich allerdings, um mit dem Herzog Heinrich von Reuß-Schleiz-Lobenstein zu sprechen, mit einbrechender Dunkelheit die Begriffe von Anständig und Unanständig etwas zu verwirren anfangen. Nichts desto weniger hört aber auch dann die Gemüthlichkeit nicht auf, und rohe Aeußerungen von Betrunkenheit, Scandal und wüstem Lärm, wie bei ähnlichen Gelegenheiten in großen Städten unvermeidlich, wird der Fremde hier vergebens suchen. Welch’ ein Contrast zwischen den ekelhaften Orgien des Hamburger Berges und dem frohen Volkstreiben in Kopenhagen! Worin liegt der Unterschied? Die Regierung unterstützt an letzterem Ort die Unternehmer öffentlicher Vergnügungslocale in jeder denkbaren Weise und ermöglicht es denselben, diese durch kleine Eintrittspreise für alle Classen zugleich zu öffnen, während die schweren Lasten, die in Deutschland auf derartigen Etablissements ruhen, dies geradezu unmöglich machen. Wäre in Wien, Hamburg oder Berlin das Zustandekommen eines Institutes, wie das Kopenhagener Tivoli, unter ähnlichen Bedingungen denkbar, so würde dem Volke eine wahre Wohlthat erwiesen werten; die sogenannten kleinen Leute würden ihre paar Pfennige nicht mehr den Schnapsbuden zutragen, sondern nach und nach Sinn für anständigere Vergnügungen finden, das Zusammentreffen mit Gebildeteren würde nicht ohne Einfluß bleiben, und viele Rohheiten würden verschwinden, die uns jetzt mit Indignation erfüllen. Darauf hinzudeuten, ist der Zweck dieser Zeilen; möge derselbe kein verlorener sein!



  1. Die Direktion besteht stets aus einem Beamten, einem geachteten, intelligenten Bürger und einem namhaften Schriftsteller.
  2. Das Dampfboot fährt dahin durch den Hafen, mitten durch die halbvermoderte dänische Kriegsflotte, von der ein Schiff im Jahre 1848 den ganzen Ostseehandel darnieder streckte. Schreiber dieses sah diesen Popanz auf einer Reise nach Petersburg auf dem russischen Dampfboot Wladimir drohend vor Swinemünde liegen und vor dem russischen Adler salutiren. Möge jeder Deutsche, der diesen Namens werth ist, jetzt nach Kräften sein Scherflein zur Bildung einer deutschen Flotte, zur Abwendung ähnlicher Schmach, beitragen!