Vom „klugen Mann“ in Thüringen

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Autor: Reinhold Sigismund
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Titel: Vom „klugen Mann“ in Thüringen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 754–755
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Vom „klugen Mann“ in Thüringen.
Von Reinhold Sigismund.

Kein Stand in Thüringen hat durch die Befreiungen des Jahres 1848 so viel gewonnen, wie der einst so vielgeplagte Bauernstand. Was die Vorfahren vor dreihundert Jahren im schrecklichen Bauernkriege mit Feuer und Schwert erringen wollten, aus welchem Die, welche nicht auf dem Schlachtfelde oder durch Henkers Hand gefallen waren, nur zu einem noch härteren Loose, als ihnen vorher zu Theil war, hervorgingen, das gewährte den heutigen Bauern die Revolution des Jahres 1848, welche zumeist durch die Bevölkerung der Städte hervorgerufen und geleitet war, ohne daß sie sich selbst sehr zu bemühen brauchten. So erhielten sie die Befreiung von den Frohnden, in Folge deren sie im Stande waren, bei der Bearbeitung ihres Feldes mehr Mühe und Fleiß zu verwenden, als ihnen früher möglich war. Von dem erdrückenden Wildstande, der so übermäßig war, daß in manchen Fluren allein mehrere Hundert Rehe und unzählige Hasen hausten, befreiten sie sich selbst, und die schonungslose Erbitterung, mit der sie es thaten, beweist am besten, was sie bisher darunter gelitten hatten.

Durch Beseitigung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit wurden noch weitere Uebelstände entfernt, die schwer auf ihnen gelastet hatten, andere weniger bedeutende Erleichterungen, welche die neue Zeit brachte, gar nicht zu rechnen. Die materielle Lage unserer Bauern hat sich nun in dem verhältnißmäßig kurzen Zeitraume seit 1848 ganz auffallend gebessert. Das sieht man an den schöneren und wohnlicher gemachten Häusern, den netter gehaltenen Höfen, dem größeren Reichthume an Vieh, dem besseren Stande der Felder. Und entsprechend der alten Meinung, daß nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnen könne, hat auch der Geist des Bauernstandes bei gesunderen und menschenwürdigeren äußeren Verhältnissen, einen bedeutenden Aufschwung genommen, obgleich es offenbar ist, daß ein Jahrhunderte lang schwer gedrückter Menschenschlag nicht gleich beim Aufhören des Druckes jene Spannkraft annehmen könne, wie wir sie bei solchen Classen, die stets der Freiheit theilhaftig waren, beobachten können.

Man liest jetzt auf dem Dorfe politische, belehrende und unterhaltende Zeitungen, wobei die Gartenlaube natürlich nicht fehlt. Die Schulen waren auch vor Achtundvierzig in einem verhältnißmäßig guten Zustande, daher auch die ältesten Leute lesen können. In den meisten Häusern fehlt auch das Clavier nicht. In vielen Ortschaften giebt es selbstständige Musikchöre, die sich aus Dorfinsassen recrutiren, und das Streben, sich weiter zu bilden, kann man an dem Eifer erkennen, mit welchem unsere Bauern an landwirthschaftlichen Vereinen theilnehmen. Schlägereien, früher die wahre Weihe jeder Dorfkirmse, sind jetzt eine Seltenheit.

Trotz alledem ist der finstere Geist des Aberglaubens, der in früheren Zeiten überall so gewaltig war, noch weit davon entfernt, verlöscht zu sein, namentlich im Gebirge nicht, nur daß manche Ortschaften mehr, die anderen weniger davon befangen sind, und wir wollen versuchen, eine Skizze von demselben zu geben, wie wir ihn zu beobachten Gelegenheit hatten.

Daß der Mensch nur allzusehr geneigt ist, das Walten dunkler Mächte anzuerkennen, welche oft mit zerstörender Gewalt in sein Glück und Leben eingreifen, dafür sind selbst große Männer, die nicht frei davon waren, Zeuge genug. Um so weniger kann es uns befremden, diesen Glauben bei Leuten zu finden, welche gehindert waren, an der stetig fortschreitenden Bildung und Aufklärung des Menschengeschlechts genügenden Antheil zu nehmen. Auf vielen Dörfern ist es noch unumstößliche Gewißheit, daß es Hexen und Hexenmeister giebt, die im Stande sind, ihren Nebenmenschen allen möglichen Schaden an Gesundheit und Eigenthum zuzufügen. Das schreckliche Wort: „Es ist mir angethan“, hört man oft genug im Verlaufe von Krankheit und Unglücksfällen von dem Betroffenen in dumpfer Verzweiflung ausstoßen. Auf der andern Seite hält man aber schon diejenigen Personen als des Bündnisses mit dem Teufel verdächtig, welche in ihren Vermögensverhältnissen auf eine den Uebrigen unbegreifliche Weise vorwärts kommen, wenn sich dies auch meist für den Unbefangenen durch höhere Intelligenz, Fleiß und Sparsamkeit des Verdächtigen erklären läßt. Selbstverständlich wird die Fähigkeit und Macht zum Hexen meist nur durch Bündnisse mit dem Teufel erworben, doch kann man ausnahmsweise auch durch das Studium von Zauberbüchern dazu gelangen, sich die Geisterwelt dienstbar zu machen.

Glücklicherweise ist jedoch der Mensch nicht schutzlos und hülflos den teuflischen Künsten der Hexen und Hexenmeister preisgegeben. Es giebt Männer, welche ihnen überlegen und im Stande sind, den von Jenen ausgeübten Zauber zu brechen, ja auf die Urheber desselben selbst zurückfallen zu lassen. Es sind dies Bevorzugte, denen man, vielleicht im Gegensatze zu den Unklugen, welche an sie glauben und ihre Hülfe in Anspruch nehmen, den Namen „kluger Mann“ zu geben pflegte, eine Bezeichnung, welche in Thüringen Jedem verständlich ist.

Der kluge Mann ist meist ebenfalls Bauer und lebt auf dem Dorfe. Im gewöhnlichen Leben sieht man ihm oft nicht an, daß er über vier zählen könne, aber er besitzt geheimnißvolle Bücher und Werkzeuge, welche es ihm möglich machen, angethane Uebel zu heben, Gegenzauber zu vermitteln, durch Sympathie zu curiren, Diebstähle und andere dem gewöhnlichen Sterblichen verborgene Dinge zu entdecken. Dergleichen Zauberbücher sind Doctor Faustus Höllenzwang, das sechste und siebente Buch Mosis. Unter den Werkzeugen spielt der Erdspiegel, ein Instrument, um das Verborgenste zu entdecken, die Hauptrolle, doch ist es uns durchaus unmöglich, anzugeben, wie derselbe construirt ist und bei welchem Instrumentenmacher man ihn beziehen könne. Auch Erdschlüssel, dreierlei, siebenerlei, neunerlei Kräuter werden gebraucht. Bei allen Krankheiten, welche „angethan“ sind, ist es durchaus vergeblich, zum Doctor zu laufen, weil derselbe dagegen nichts thun kann, hier kann nur der kluge Mann helfen und es ist ganz unglaublich, daß Kranke oft wochenlang liegen und nur nach den Rathschlägen des klugen Mannes behandelt werden ohne Beistand des geprüften Arztes. Dieser wird oft erst gesucht, wenn der kluge Mann durchaus im Stiche läßt, was aber keineswegs, gegen die Kräfte desselben, höchstens dafür spricht, daß die Krankheit doch vielleicht dieses Mal nicht „angethan“ sei. Worin die von dem klugen Manne gegebenen Mittel bestehen, ist uns unmöglich anzugeben, da den Hülfe Suchenden unverbrüchliches Stillschweigen aufgelegt wird, widrigenfalls Alles nichts helfen würde. Endlich gehört dazu, daß Der, welcher die Macht des klugen Mannes in Anspruch nimmt, auch daran glaubt.

Hat eine Verhexung stattgefunden, so wird in Folge des vom klugen Manne angegebenen Gegenzaubers die Hexe oder der Hexenmeister gezwungen, sich selbst zu verrathen. Unwiderstehliche geheime Kräfte treiben ihn in das Haus, wo das Opfer seiner Bosheit sich befindet, und meist tritt er daselbst unter dem Vorwande ein, irgend ein Stück aus dem Haushalte borgen zu wollen, wo er dann natürlich nicht sehr freundschaftlich empfangen wird. Wie oft läßt sich ein sonst unerklärlicher Haß zwischen einzelnen Familien auf solche der einen Partei oft ganz unbekannte Ursache zurückführen! Welch ein fürchterlicher Frevel aber, bei oft wirklich zerschmetternden Unglücksfällen die Ursache derselben auf geheime Machinationen eines Nebenmenschen zurückzuführen! Ist uns doch ein Mann bekannt geworden, der, als er seine sämmtlichen Kinder schnell nach einander durch Krankheiten verloren hatte, in dem festen Glauben, daß ihm dies nur angethan sein könne, zum [755] klugen Manne reiste, um den Urheber entdecken zu lassen. Wir zweifeln nicht, daß der kluge Mann Alles that, diesen Glauben zu bestärken. Welches Gefühl aber mußte in der Brust des Unglücklichem gegen Den erstehen, auf den der Verdacht, der boshafte Vernichter seines ganzen Lebensglückes zu sein, gelenkt würde!

Bei Diebstählen bedient sich der kluge Mann meist des Kunstgriffes, zu sagen, daß durch seine Vorkehrungen gezwungen, der Dieb das Gestohlene selbst wiederbringen werde. Der Bestohlene werde es in so und so viel Zeit wiederfinden, sonst würde den Dieb die schwerste Strafe treffen. Ist nun der Dieb im Orte und ebenso abergläubisch wie der Bestohlene, so säumt derselbe natürlich nicht, sich des gefährlichen unrechten Gutes zu entledigen, sobald er von den Drohungen des klugen Mannes Kenntniß erhält. Dies trägt natürlich nicht wenig dazu bei, den wunderbaren Ruhm des Letzteren zu erhöhen. Die Fälle, in denen der Dieb nicht abergläubisch genug ist, das Gestohlene selbst wiederzubringen, wo also der kluge Mann im Stiche läßt, werden nicht gerechnet und vergessen. Ueber die Person des Diebes bewegt sich der kluge Mann in dunklen Andeutungen. Ist es ihm gelungen, zu erfahren, auf wen der Bestohlene Verdacht habe, so verfehlt er natürlich nicht, denselben zu bestärken.

Der kluge Mann steht meist mit dem Gastwirthe seines Dorfes in Verbindung. In dessen Hause muß natürlich jeder Hülfesuchende einkehren. Hier erfährt er auch am Ersten, wo der kluge Mann wohnt. Der Wirth äußert sofort die allerdings nicht fern liegende Vermuthung, daß dem Fremden gewiß irgend ein Leid widerfahren sei, gegen das er die Hülfe des klugen Mannes in Anspruch nehmen wolle, zeigt die wärmste Theilnahme und nöthigt seinen Gast, für’s Erste einmal sich leiblich zu stärken, und dann den klugen Mann aufzusuchen, der, versichert er, sein Handwerk verstehe wie Keiner.

Der Fremde, sichtlich aufgerichtet durch den tröstenden Zuspruch, der ihm hier zu Theil wird, setzt sich nieder, ißt und trinkt, läßt sich die Gesellschaft des gar so freundlichen Wirthes gern gefallen und wird dabei von diesem über Namen, Stand, Herkommen, über die Ursache seines Leidens über Alles auf das Genaueste ausgeforscht, ehe er’s nur ahnt. Plötzlich wird der Wirth hinausgerufen; er soll nach dem Stalle sehen, heißt es. Der Fremde bleibt noch eine Weile sitzen, denn er kann die Flasche Bier vor sich doch nicht halbgeleert stehen lassen. Endlich treibt auch ihn die Unruhe fort.

Der kluge Mann sitzt schon vor der Thür seines Hauses, wie wenn er ihn erwarte. Er ruft dem erstaunten Fremden dessen Namen entgegen, er weiß bereits, was ihm alles Schlimmes widerfahren, weiß, daß ihm während der Ernte ein Sack voll Thaler aus dem Wandschrank gestohlen worden ist, und weiß auch, daß sein Gast keinem Menschen noch ein „Sterbenswörtchen“ von seinem Unfall erzählt hat. Trotzdem weiß er, wie gesagt, Alles bis in’s Kleinste und der gute Fremde fällt vor Staunen fast auf den Rücken. Diese Allwissenheit des klugen Mannes kann unmöglich mit rechten Dingen zugehen und er schwört nunmehr darauf, daß er, wenn irgendwo, nur hier mehr zu seinem verlorenen Gute, wieder gelangen könne. Befriedigt verläßt er den klugen Mann, um einige harte Thaler ärmer, aber um eine gewichtige Hoffnung reicher. Im Wirthshause aber sitzt der Wirth, in die Faust lachend – denn daß der Fremde nun auch noch einmal bei ihm einkehren werde, auf das gute Gelingen seines Unternehmens eine zweite Flasche zu leeren, weiß er ganz gewiß, und daß sich binnen Kurzem auch der kluge Mann einfinden wird, mit ihm die erschwindelte Beute zu theilen, ist ebenso sicher.

Auch Leute, welche sich selbst nicht für abergläubisch halten, die zu den Erzählungen über Hexen und Hexenmeister spotten und lachen, glauben wenigstens an Sympathie und man kann sofort von ihnen Fälle anführen hören, in denen dieselbe Wunder gethan hat. Für Solche, denen das Verfahren unbekannt sein sollte, diene zu wissen, daß der leidende Körpertheil von dem Sympathiemanne mit irgend etwas, zum Beispiel einem Zwirnsfaden, unter Murmeln einer Zauberformel oder heiliger Namen in Berührung gebracht wird. Dieser Zwirnsfaden, oder was es sonst sei, wird dann vergraben, oder unter einer Dachtraufe angebracht, oder dem fließenden Wasser übergeben, und wie dergleichen Vorschriften mehr sind, die in tausend Arten existiren. Das Uebel verschwindet mit dem Gegenstande. Dem Abnehmen und Zunehmen des Mondes wird bei Vornahme des Sympathiezaubers eine sehr große Wirkung zugeschrieben.

Der meiste Wunderglaube aber ist, wie wohl auch anderswo in Deutschland, mit der die Phantasie unseres Volkes so gewaltig gefangen nehmenden Weihnachtszeit und der letzten Nacht im Jahre verknüpft. So geht Alles, was man in den zwölf Nächten vom Weihnachtsabende bis zum drei Königstage träumt, in dem Monate, welcher der Zahl nach der Nacht entspricht, in der man geträumt hat, in Erfüllung. Kein Spinnrocken darf in den zwölf Nächten unabgesponnen bleiben, sonst thut Frau Holle der nachlässigen Spinnerin Schimpf und Schabernack an.

Am Neujahrsabende aber ist es möglich, sichere Blicke in die Zukunft zu thun. Wer Muth genug in sich fühlt, kann die Ereignisse des folgenden Jahres in der Neujahrsnacht im Voraus sehen, wenn er in der Mitternachtsstunde auf ein frisches Saatfeld oder auf einen Kreuzweg tritt, ein Verfahren, welches man „gucken“ nennt. Hier ziehen die, welche im nächsten Jahre sterben werden, vor ihm vorüber; auch Feuersbrünste und andere Unglücksfälle zeigen sich ihm an. Doch wehe ihm, wenn er aus seinem Kreise tritt, oder vor Verlauf einer gewissen Zeit etwas von dem Gesehenen verräth, dann ist er selbst dem Tode verfallen!

Eine sehr ergötzliche Geschichte trug sich einmal in Folge einer solchen Zukunftseherei in unserer Nähe zu. Ein praktischer Arzt fuhr in der Neujahrsnacht auf seinem mit zwei Rappen bespannten Schlitten nach Hause. Da bemerkte er, als er zu einer Stelle kam, welche einen Kreuzweg bildet, daß ein Mann mitten auf der Straße stehe, welche er passiren mußte. Da derselbe unbeweglich blieb und nicht auf die Seite wich, mußte der Arzt seine Pferde vorbeilenken, um den Menschen nicht über den Haufen zu fahren. Erzürnt über die Mühe, die ihm die Hartnäckigkeit des Stehenden verursachte, gab er ihm im Vorbeifahren einen derben Schlag mit der Peitsche über das Gesicht, wobei er nur bemerkte, daß der Mensch wie ein Stück Holz zu Boden fiel. Ohne sich um das Schicksal desselben weiter zu kümmern, fuhr der Arzt nach Hause, wurde aber, als er noch nicht lange der Ruhe genossen hatte, herausgeklopft und zu einem, wie man ihm sagte, sehr gefährlichen Patienten über Land geholt. Er war nicht wenig erstaunt, an dem Kranken das Zeichen seines Peitschenhiebes über das Gesicht zu sehen. Die durch denselben verursachte Verletzung war jedoch weniger bedenklich, als die Sprachlosigkeit des Kranken, der auf keine Frage antwortete. Man kann sich leicht in die Lage des Arztes versetzen, der sich Vorwürfe darüber machte, durch den ausgetheilten Schlag und den dadurch verursachten Schreck diesen traurigen Zustand herbeigeführt zu haben. Er hütete sich aber wohl, sich als Thäter zu erkennen zu geben, und bot alle seine Kunst und allen seinen Scharfsinn auf, die Sprachlosigkeit des Kranken durch passende Mittel zu beseitigen, doch nichts wollte helfen. Arzt und Angehörige waren in Verzweiflung. Endlich nach neun Tagen kehrte die Sprache des Kranken von selbst zurück und mit ihr löste sich das Räthsel. Der Kranke erzählte nämlich, daß er in der Neujahrsnacht sich nach dem Rathe des klugen Mannes auf den Kreuzweg gestellt und „geguckt“ habe. Da seien ihm nun die schrecklichsten Gesichter erschienen, so daß er vor Furcht ganz von Sinnen gekommen sei. Das Furchtbarste aber sei gewesen, daß zuletzt der Teufel auf einem von zwei schwarzen feuerspeienden Höllenpferden gezogenen Schlitten erschienen sei, der ihn aus seinem Kreise hätte schrecken wollen, um ihm dann den Hals umzudrehen. Er aber hätte das wohl gewußt und sei standhaft stehen geblieben. Da habe ihn der Teufel aus Wuth, daß sein Plan nicht gelungen sei, mit seiner feurigen Geißel über das Gesicht geschlagen, so daß er umgestürzt sei. In diesem Augenblicke habe es Eins geschlagen und die ganze Erscheinung sei mit Schwefelgestank verschwunden. Da er wohl gewußt, daß er neun Tage lang nichts von dem, was er gesehen, verrathen dürfe, weil sonst der Teufel Macht über ihn erhalten hätte, ihm den Hals umzudrehen, so habe er sich stumm gestellt und gar oft innerlich über die Bemühungen des Doctors gelacht, der ihn mit seinen Arzneien wieder sprechen hätte machen wollen.

Man kann sich vorstellen, wie herzlich der Doctor nun seinerseits über den Narren lachte, obwohl er zu gleicher Zeit nicht übel Lust verspürte, ihm nochmals mit der Peitsche über’s Gesicht eine Lection zu geben, diesmal aber lediglich wegen seines einfältigen Köhlerglaubens.