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Aus der gebildeten Affenwelt

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Textdaten
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Autor: Heinrich Leutemann
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Titel: Aus der gebildeten Affenwelt
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 756–759
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus der gebildeten Affenwelt.

Die Herren Affen haben, seit sie uns von den Naturforschern in einer so bedenklichen Weise näher gerückt sind, ohne Zweifel das Recht, von den Menschen mehr beachtet zu werden als bisher.

Der Spaziergang der Madame Pompadour.

Denn wer ein gläubiger Jünger der theils berühmten theils berüchtigten Affentheorie ist, der darf nicht blos sich erinnern, wer seine Ahnen waren, sondern er muß auch erwägen was aus den jetzigen Affen noch werden kann, und darf es also aus Gründen der Klugheit nicht mit ihnen verderben. Aber auch diejenigen, welche sich mit Abscheu von der Idee wenden, daß ihre ältesten Vorfahren urhaarig und Gott weiß wie reizend sonst noch waren, haben doch auch ihrerseits Ursache, sich mehr als früher mit diesen angeblichen Verwandten zu beschäftigen, und wäre es auch nur, um dadurch Beweise für ihre Gegenansicht zu sammeln.

Hinter den Coulissen.

Recht unwissenschaftlich wollen wir nun gleich zum Zweck dieser Zeilen die Affen in gebildete und ungebildete eintheilen. Die letzteren sind natürlich diejenigen, welche in unvernünftiger Verachtung der menschlichen Gesellschaft sich einer miserabeln Wildheit in ihren heimathlichen Wäldern und Gebirgen befleißigen, ohne zu bedenken, daß dabei von einem Vorwärtskommen in Sitten und Gebräuchen nicht die Rede sein kann. Sie bilden immer noch die Mehrzahl, obgleich die ihnen benachbarten Menschen durch Fallen, Schlingen u. dgl. ihnen fortwährend zureden, diese tadelnswerthe Freiheit zu verlassen und sich ihnen anzuschließen, um ihre angebornen Fähigkeiten in würdiger Weise zu entwickeln und anzuwenden.

Zu den gebildeten Affen dagegen, und denjenigen, die es werden können und sollen, zählen wir natürlich nur die, welche diesem Zureden der Menschheit gefolgt sind und nun zahlreich die Menagerien, die Vorrathsräume der Thierhändler, die Affenhäuser der zoologischen Gärten bevölkern, welche in Affentheatern die schaulustige Kinderwelt von vier bis sechszig Jahren durch Geist und Kunstfertigkeit erquicken, und welche dann schließlich dem einzelnen Privatliebhaber durch möglichstes Beschädigen und Zertrümmern der Zimmergegenstände das Leben nach Kräften erheitern. Wenn man sich nicht verhehlen darf, daß dieser Anschluß an den Menschen stets ein unfreiwilliger und deshalb für uns nie so schmeichelhaft ist, als es eigentlich wünschenswerth wäre, so ist doch auch die Annahme gerechtfertigt, daß solche Affen mit dem schließlichen Ergebniß zufrieden sind, denn in den bei weitem meisten Fällen sind sie ja fortwährend urfidel, nur dann nicht, wenn sie „arbeiten“ müssen, aber mit dieser Eigenschaft befinden sie sich in sehr guter Gesellschaft, unserer höchsteignen selbst.

Wenn man sich erinnert, daß Musiker, Schauspieler vor dem Publicum „spielen“ so klingt es immer höchst sonderbar, daß man die wandernden Künstler nur von „Arbeiten“ sprechen hört. Der Thierbändiger „arbeitet“ mit seinen Löwen und Tigern, und mancher einzelne Löwe „arbeitet wunderschön“ die Seiltänzer „arbeiten“ auf dem Drahtseil, wie auf dem Thurmseil, daß ihnen der Schweiß von der Stirn läuft, ebenso die Reiter im Circus, und so ist es denn auch mit den gebildeten Affen, und bei ihnen allerdings mit vollem Recht. Nicht daß sie gerade sehr schwitzen, denn dazu scheinen sie nicht [757] angelegt zu sein; aber daß es ihnen, wenn wir über ihre Kunstleistungen lachen, keineswegs lächerlich zu Muthe ist, steht fest.

Als vor einer Reihe von Jahren das Affentheater von Herrn Broekmann sich in Leipzig befand, fügte der Besitzer seiner öffentlichen Anzeige noch die Bemerkung bei, daß man Vormittags sich die Affen, worunter sehr schöne seltene Exemplare, in der Nähe ansehen könne. Ich machte Gebrauch davon und wurde so mit dem Besitzer bekannt. Nie werde ich es vergessen, als derselbe den großen Mandrill,

Der Mandrill als Träger der französischen Civilisation.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

jenen scheußlichen Affen mit den aufgetriebenen blauen Backen und der rothen Nase, der ihm aber folgte wie ein Kind, aus seinem Käfig herausnahm und frei vor mich auf einen Stuhl setzte. Welcher Unterschied zwischen dem Thiere im engen Käfig und der frei in menschlicher Stellung dasitzenden Bestie mit dem ungeheuren fratzenhaften Kopfe, jeden Augenblick im Stande aufzuspringen und seiner Leidenschaft zu folgen! Es lag für den Neuling etwas furchtbar Dämonisches in der ganzen Situation; man kann sich bei solchem Anblick, obgleich er eben nur eine ungeheure Verzerrung alles Menschlichen bietet, doch des Gedankens kaum erwehren, ob doch nicht etwas Menschliches darin stecke, und dies vermehrte nur noch mehr das Grauen, das ich empfand. Noch gesteigert wurde dasselbe aber, als der Mandrill wieder in seinen Kasten gethan, und sein Nachbar, ein erwachsener Drill, an den leeren Platz gesetzt wurde. Es war der erste, den ich überhaupt sah. Der Drill, ganz von der Gestalt und Größe des Mandrill, auch ähnlicher Färbung, hat ein ganz schwarzes Gesicht, von hellen Haaren umsäumt, so daß dasselbe genau einer vorgebundenen Larve gleicht, durch welche die tiefliegenden thierisch wilden Augen unheimlich blitzen. Der Mandrill war mir wenigstens seinem Aussehen nach längst bekannt gewesen, als aber dieses mir fremde Larvenungethüm vor mir saß, gehalten von einer Hand des Besitzers – denn es war viel bösartiger als das andere –, da trat ich unwillkürlich einen Schritt zurück. Das Komische, das doch eigentlich alle Affen haben, verschwand hier vollständig vor dem ganz und gar Bestialisch-Dämonischen des ganzes Thieres. Und doch, wer sollte es meinen, waren gerade diese beiden Thiere so ausgezeichnet dressirt, sie „arbeiteten“, besonders der Mandrill, mit solcher Sicherheit, daß hier der Sieg der Bildung über die Wildheit vollständig erwiesen war.

Es ist nicht nöthig von den Leistungen der Affen auf der Bühne zu sprechen, weil dieselben der großen Mehrzahl der Leser durch eigne Anschauung bekannt sein werden; da ich mich aber in Folge meiner Bekanntschaft mit Herr Broekmann auch öfter während der Vorstellungen hinter den Coulissen befand und manchmal früh den Proben beiwohnte, so soll hier Einiges darüber mitgetheilt werden.

Ein Affentheater hat, wenn man von der Verschiedenheit des Personals absieht, mehr Aehnlichkeit mit einem großen Theater, als man glauben könnte; so werden z. B, die Proben auch ohne Costüm abgehalten, und zwar überhaupt hier ganz ohne alles Costüm. Wie einem solchen zukünftigen Bühnenkünstler die allerersten Begriffe von dem zu Lernenden beigebracht werden, habe ich nicht gesehen, denn es waren immer schon Angelernte, deren Studien ich beobachtete, aber Lob und Tadel werden mit Tact und Gerechtigkeit vertheilt und verfehlen ihre Wirkung nicht, ganz wie auf einer großen Bühne; nur wird dem Affen-Lob manchmal mit einer Rosine, u. dergl., dem Tadel, wenn auch sehr selten, mit einem sanften Hieb nachgeholfen, was wieder einen feinen Unterschied gegenüber der Menschenbühne zeigt. Die Hauptsache bleibt, daß Fortschritte gemacht werden, und wie unter Umständen den Schauspielern großer Bühnen das Extemporiren erlaubt ist, so ist das auch bei den Affen der Fall; denn wenn ein solcher Neigung zeigt, eine zwar vom Lehrer nicht beabsichtigte, doch kunstreiche Wendung zu machen, so wird diese sofort in richtiger Weise benutzt und der ganzen Leistung eingeflochten.

Viel anziehender als das Beobachten solcher Proben ist das Treiben hinter den Coulissen während der Vorstellungen. Als „Kunstfreund“ begiebt man sich natürlich hinter die Coulissen eines Theaters nur des Studiums wegen, d. h. also der Formen, der Farben, der Costüme u. s. w., und aus solchen Studien ist schon eine ganze Literatur entstanden, bei welcher aber bisher die Affen schmählicherweise vergessen wurden.

Es ist vielleicht eine halbe Stunde vor Beginn der Vorstellung, wenn der des Studiums wegen kommende Fremde den Raum durchschreitet, wo die Affen, Hunde und vielleicht die Ziege [758] wohnen. Vorher mußte er den Pferdestall passiren, in welchem die kleinen javanischen Pferdchen in einer stattlichen Reihe ihrer Verwendung harren. Das Gebell der Pudel darf nicht zurückschrecken, denn selbst der größte, welcher später Frau v. Pompadour vorzustellen hat, kommt dabei nicht aus seinem Verschlage heraus. Geschoren sind sie alle, so daß bei manchem die röthliche Haut in etwas überflüssiger Weise durch die Haare schimmert, die nicht mehr da sind. Geht man nun durch die Thür am Ende weiter, so ist man sofort auf dem hintern Räume der Bühne und kann bis an den Vorhang vortreten. Beiläufig gesagt, ist die Bühneneinrichtung des Affentheaters, möge dasselbe sich da oder dort befinden, überall genau dieselbe, nicht blos etwa wegen des Passens der mitgeführten Dekorationen, sondern auch, damit die dressirten Thiere durchaus nicht durch eine andere als die jahrelang gewohnte Umgebung irre gemacht werden. Jeder Stuhl, jede Kiste, jedes Fenster, kurz Alles ist stets nach einem Wechsel des Orts in der neuen Bude wieder an derselben Stelle.

Die Vorstellungen fast aller Affentheater beginnen mit dem bekannten Gastmahl, welches zwar, um neu zu erscheinen, immer andere Namen auf dem Zettel bekommt, aber gleichwohl dasselbe bleibt und zwar mit vollem Recht. Wir sehen also, wo der Vorhang uns noch von den Zuschauern trennt, die Affen bereits vor ihrer Tafel sitzen, alle auf Stühlen angebunden, und mit großem Ernst die Fresserei erwartend. Noch wird ihnen hier und da Etwas an ihren, Costüm zurecht gezupft, der schief gerutschte Hut wieder ordentlich aufgestülpt etc. Bei den letzten Vorbereitungen zur Vorstellung kommt das gemüthliche Verhältniß zu den Untergebenen noch zur Geltung, besonders das zu dem schon erwähnten großen Mandrill. Dieser hat als Vorsitzender quervor an der Tafel seinen Platz und empfängt als Günstling noch die besondere Liebkosung des älteren oder jüngeren Broekmann in aller Form einer inbrünstigen Umarmung, die er seinerseits freundlich grinsend erwidert, wobei man nicht weiß, ob er jetzt besser oder noch scheußlicher aussieht. Während dies geschieht, sitzt rechts hinter der hintersten Coulisse bereits ein Geschäftsbeflissener, um den die Tafel bedienenden Hausknecht nebst Kellnerin anzukleiden und auszustatten. Dem ersteren ist sein Paviansgesicht bereits mit Kreide weiß bemalt, weiße Hosen hat er auch an, nebst Jacke und Zipfelmütze, er sitzt ruhig auf seinem Bänkchen und sieht schon jetzt, ehe er seinen jammervollen Gang zum Besten giebt, ungeheuer dumm aus, während sein College, der Kellnerinaffe, in seinem bebänderten Kleid und dem schnippischen Hütchen einen grotesk-koketten Eindruck macht. Ganz ruhig, denn sie wissen wie der Schauspieler, der auf das Stichwort wartet, auf das Genauste alles Kommende, sitzen sie, ohne angebunden zu sein, dicht hinter der Coulisse, selbst nachdem der Vorhang aufgegangen ist und der Director das einleitende Gespräch mit der Tischgesellschaft angefangen hat. Jetzt aber ruft derselbe nach der Speisekarte. Schnell wird dieselbe der Affenkellnerin von dem jüngeren Broekmann oder dessen Onkel, die dieses Amt haben, in die Hand oder Pfote gedrückt und hinaus trippelt sie, aufrechten Ganges und unter dem Gejubel der Kinderwelt. Sie bringt auch sämmtliche Eßwaaren hinaus, die immer in einem Körbchen bereit stehen und ihr im nöthigen Augenblick gereicht werden.

Dann aber kommt die Rolle des Pavian-Hausknecht zur Geltung; derselbe erhält eine Flasche und mit mühsam aufrecht gehaltenem Gang humpelt er mit gebogenen Knieen an den Tisch, jede Gelegenheit zum Ausruhen benutzend. Während dies geschieht, werden bereits hinter den Coulissen die nöthigen Vorbereitungen zur zweiten Nummer der Vorstellung getroffen, und zwar wollen wir annehmen, es sei dies der Spaziergang der Madame Pompadour. Es dürfte schwer nachzuweisen sein, seit wann diese ehrwürdige Dame schon zur Affenschande geworden ist, ein guter Gedanke war es jedenfalls, ihr Andenken auf diese Weise zu ehren. So liegt denn Madame Pompadour, bereits angekleidet, an ihrem Platz dicht hinter der Coulisse, die Schnauze in die Falten des sammtnen Kleides gesteckt, während vielleicht ihr Begleiter, ebenfalls ein Pudel, aber um Vieles kleiner, noch angekleidet wird. Der Diener-Affe, bestimmt, Schleppe und Laterne zu tragen, ein schweres Amt für einen kleinen Affen, sitzt mit Ergebung und einem Bedientenmantel bekleidet schon bereit, und es kann nun losgehen. Frau Pompadour wird mit dem schnöden Hundenamen Caro oder dergleichen aufgerufen, bekommt eine große Lockenperücke aufgesetzt und hinaus geht es in der Reihenfolge, wie es bildlich dargestellt ist, mit stattlicher Haltung von Dame und Cavalier und trübseliger Sclavenmiene ihres Bedienten.

Hinter den Coulissen ein immer neues Leben. Der Mandrill, dessen erste Rolle eine ziemlich passive war, hat jetzt erst seine Kunst zu zeigen, vielleicht an dem schlaffen Seil. Er sitzt auf seinem Ankleidestuhl, immer demselben und, wie schon gesagt, stets an derselben Stelle stehend, neben der großen Garderobekiste, und wenn man sich nicht gerade mit ihm beschäftigt, so nimmt er wohl einstweilen die einzelnen Garderobestücke heraus, besieht und beriecht sie, ob Alles in Ordnung ist. Das bringt ihm aber gewöhnlich eine strenge Zurechtweisung oder sogar eine Ohrfeige ein, die er ruhig als wohlverdient einsteckt; sodann geht das Ankleiden in aller Form vor sich, beginnt zuerst mit den Unterbeinkleidern, denen die übrigen Kleidungsstücke folgen, bis endlich das silberglitzernde Tricotcostüm den Schluß macht, und der elegante Künstler fertig ist. Hat er recht ruhig gehalten, so bekommt er aus derselben Kiste ein Stückchen Feige, Dattel oder dergleichen, worauf er dann an der Hand des Directors in aufrechter Haltung hinausschreitet, um durch seine in der That überraschenden Leistungen Kenner und Nichtkenner zu überraschen. Selbstverständlich herrscht aber auch jetzt hinter den Coulissen die immer gleiche Thätigkeit. Eins der schon vorübergehend erwähnten Pferde ist bereits im Stall gezäumt und gesattelt worden und soll nun von dem Affen-Stallmeister der Gesellschaft, einem Babuin-Pavian, geritten werden. Sieht man diesen Kerl, genau in dem Reitcostüm, wie es der Circusbesitzer Renz beim Reiten der hohen Schule trägt, auf seinem Pferdchen frei sitzen und im Wesentlichen diese Beiden alle Leistungen ihres berühmten Vorbildes nachahmen, besonders wenn dann der Affe, man weiß kaum, ob mit mehr Ernst oder Gleichgültigkeit, den Hut abnimmt, so macht dies wirklich eine erschütternd komische Wirkung.

Natürlich kommen hinter den Coulissen manchmal auch unbeabsichtigte Scenen vor, zum Beispiel wenn ein Affe, dem das Warten auf seinem Posten zu lang wird, einen vorüberlaufenden Pudel in den Schwanz beißt oder zwickt, was der Gebissene durch großes Geheul anzeigt; oder wenn ein andrer unglücklicher Pudel seine Sache nicht gut gemacht hat und nun gerechte Vorwürfe empfängt, bei welchen ihm vielleicht der Stiefelabsatz seines Herrn aus Versehen etwas näher kommt als sonst. Am ernstesten geht es hinter den Coulissen zu, wenn ein Thier, und zwar kommt das nur ausnahmsweise bei den Affen vor, sich geradezu widerspenstig zeigt, wie ich das einmal bei dem schon erwähnten Drill sah, dem allerdings dann der Kopf gründlich gewaschen wurde. Dahingegen ist der erwähnte Mandrill ein wahres Muster von Folgsamkeit und Gutmüthigkeit, und man mochte vermuthen, daß dieser Affenart überhaupt mehr Bösartigkeit nachgesagt wird, als sie verdient.

Dieser Mandrill hat in seiner Dressur eine so große Vielseitigkeit, daß es mir schwer würde, alle seine verschiedenen Leistungen aufzuzählen. Unter Anderem exercirt er sehr gut; und zwar sah ich ihn, als das Affentheater im Herbst 1870 in Leipzig war, seine Uebungen als französischer Liniensoldat zeigen. Mir fiel dabei ein, daß eigentlich die Turcos, jene viehischen, von der großen Nation uns entgegengestellten Horden, noch mehr verdienten zur Affenschande zu werden, als Frau Pompadour, die wenigstens uns gleichgültiger sein kann, als den Franzosen.

Auf meinen Vorschlag ließ daher Herr Broekmann seinem großen Mandrill einen Turcoanzug fertigen und er mußte mir darin Modell sitzen. Ein Holzschnitt kann natürlich die grelle Färbung dieses Turcos, besonders seines blau-rothen Gesichtes nicht schildern, indessen wird das Grotesk-Komische der ganzen Erscheinung doch vielleicht in Etwas wiedergegeben sein.

Auf einige zum Zweck dieses Aufsatzes brieflich an Herrn Broekmann gerichtete Fragen habe ich folgende Auskunft erhalten, die ich wörtlich hier mittheile zum Besten derjenigen, welche sich vielleicht ein kleines Affentheaterchen anlegen wollen. Herr Broekmann schreibt mir: „Ich bin bereits siebenzehn Jahre im Besitze des Mandrills, er lebt heute noch und freut sich des besten Wohlseins. Ich halte denselben für zweiundzwanzig Jahre, da ich jetzt noch Gelegenheit habe, an einem andern kleineren Mandrill, der seit vierthalb Jahren in meinem Besitze ist, das spärliche Wachsthum zu beobachten. Am leichtesten sind Magot, Rhesus, Bären-Paviane zu dressiren. Mandrills sind deshalb schwer zu erhalten, weil man sie erst vollständig acclimatisiren muß, [759] ehe man mit der Dressur beginnen kann. Außerdem sind dieselben sehr nervenschwach und zu jeder Krankheit leicht geneigt. Sind dieselben groß, so sind sie ihrer fürchterlichen Zähne wegen sehr gefährlich, und gehören darum auch mit dem Rhesus und Hamadryas (Mantelaffen) zu den Bösartigsten.“

Bei den kleineren Affentheatern habe ich mich immer sehr über die auf Hunden reitenden Affen gefreut; ein deshalb von mir an Herrn Broekmann gerichteter Vorschlag blieb aber unberücksichtigt, da derselbe meinte, daß sich dergleichen eben nur für kleinere Theater schicke.

Möge mir zum Schlusse noch erlaubt sein, eine Geschichte, welche mir in dem Hamburger zoologischen Garten mit dem dort befindlich gewesenen Schimpanse-Affen passirt und in ihrer Art gewiß sehr eigenthümlich ist, hier zu erzählen.

Als ich 1865 in diesem Thiergarten war, lebte dort noch der Schimpanse Molly, welcher schon im Herbst 1863 dorthin gekommen war und also, das heißt als Schimpanse, seine Gefangenschaft sehr gut ertrug. Text und Bild ist ihm auch bereits in der Gartenlaube gewidmet worden. In der ersten Zeit seines Aufenthalts im Garten, als in demselben noch kein Affenhaus erbaut war, hatte das Thier einen besondern Wärter für sich, welcher mit demselben bei schönem Wetter im Garten spazieren ging, mit ihm gemeinschaftlich im Gebüsche sein Mittagsschläfchen hielt und nur die Trinkgelder allein einsteckte. Bei schlechtem Wetter aber hausten Beide in einem im Erdgeschoß befindlichen Stübchen des Inspectorhauses, von dessen Fenster aus man die Aussicht auf einen Theil des Gartens und des Thierhauses hatte. Wenn der Wärter draußen Besucher vorübergehen sah, säumte er nie, dieselben hereinzuwinken, wobei er freilich manchmal für den Affen gehalten wurde; aber das genirte ihn nicht, denn er hatte bereits seinen Schutzbefohlenen gelehrt, den Gästen das Geldtäschchen hinzuhalten, wobei er stets erläuterte, daß der Affe Geld wolle, ein Wunsch, der des Spaßes wegen oft erfüllt wurde. Das war einträglich und unterhaltend zugleich. Wenn nun aber das Wetter zu schlecht zum Besuche des Gartens überhaupt war, dann fiel natürlich diese hübsche Unterhaltung weg und der Affenwärter mußte sich die Langeweile auf andere Weise vertreiben. Er nahm zum Beispiel sein Notizbuch, welches in gewöhnlicher Weise durch einen Bleistift verschließbar war, zur Hand und versuchte wohl oder übel die von seinem Fenster aus sichtbaren Thierhäuser und Aehnliches abzuzeichnen, wobei ihm Molly natürlich zusah. Daß der Affe dadurch die Anwendung des Bleistifts bereits kennen gelernt hatte, sah ich später, als ihn der Wärter einmal dadurch zum Ruhigsitzen zu bringen suchte, daß er ihm sein Notizbuch gab, wobei das Thier in der That mit dem Bleistift in das Buch zu zeichnen versuchte, wenn auch mit sehr ungeschicktem Handgriff.

Das war also 1863. Im Jahre 1864 war das neue Affenhaus bereits fertig und der Schimpanse dort untergebracht, daher längst von seinem frühern Wärter getrennt. Als ich nun 1865 mich einmal im Affenhause befand, lehnte ich das eine meiner Studienbücher, in welchem sich bis dahin blos auf den ersten Blättern einige Studien aus Helgoland befanden, unten an den Schimpanse-Käfig, doch, wie ich glaubte, so, daß der Affe das Buch nicht sehen konnte, obgleich er mich offenbar beobachtet hatte. Das Buch war durch einen wie gewöhnlich in die Lederhülsen gesteckten Bleistift geschlossen. Als ich es nach einiger Zeit an mich nehmen wollte, war es verschwunden. Von den Wenigen, die anwesend waren, hatte es offenbar Niemand, und der Wärter fiel zuerst auf den Gedanken, daß Molly der Dieb sein könne. Als er dies aussprach, gab ich das Buch verloren, denn der Affe hatte sich in seinen innern Verschlag, wo er schlief, zurückgezogen und bewies schon dadurch, daß der Wärter Recht haben mochte. Richtig nahm dieser auch nach Oeffnung des Käfigs dem Affen das Buch ab, das derselbe nebst dem herausgenommenen Bleistift willig hergab. Mein erster Blick fiel auf den obern, etwas verbogenen Deckel, beim Oeffnen des Buches war ich aber auch auf Alles gefaßt, aber was sah ich? Den einzelnen Blättern mit den Helgoländer Studien war gar nichts geschehen; auf das nächste leere Blatt aber hatte der Affe mit dem Bleistift, durch dessen Herausnehmen er erst das Buch geöffnet hatte, genau in die Mitte etwas gezeichnet, einen unverständlichen Krikel-Krakel allerdings, aber nicht mehr und weniger, als was eben ein Kind in seinem Alter und unter gleichen Umständen zu Stande gebracht hätte. Selbstverständlich hütete ich mich, das Blatt anzutasten, sondern ich habe nur einige den Fall erläuternde Worte dazu geschrieben, und Jeder, der es gesehen, hat sein großes Gaudium an der Sache gehabt. Ich enthalte mich aller Schlußfolgerungen aus dieser vollkommen wahren Geschichte; daß sie aber wenigstens von einer großen Gedächtnißkraft, oder nenne man es Erinnerungsvermögen, zeugt, ist unbestreitbar.

L.