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Vom Sterbebette des Prinzen Albert

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Titel: Vom Sterbebette des Prinzen Albert
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 832
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha
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[832] Vom Sterbebette des Prinzen Albert. Erst ganz vor Kurzem ist in London ein Brief in die Oeffentlichkeit gedrungen, welchen eine der königlichen Familie sehr nahe stehende Persönlichkeit, die von den kleinsten Vorgängen im Windsorschloß und im Buckinghampalaste genau unterrichtet zu sein pflegte, wenige Tage nach dem Hintritte des Prinzen Albert an einen Freund geschrieben hat. Einige auf die letzten Tage des vielbeklagten Prinzen bezügliche Einzelheiten jenes Schreibens dürften auch heute noch in Deutschland nicht ohne ein wehmüthiges Interesse gelesen werden. –

Der letzte Sonntag, welchen der Prinz erlebte, wird der ganzen königlichen Familie, namentlich aber der Prinzessin Alice, unvergeßlich sein. Prinz Albert war schon sehr angegriffen und leidend und darum seine Tochter Alice um ihn geblieben, während die andern Glieder der Familie sich, der englischen Etikette gemäß, zum Gottesdienste begeben hatten. Er bat sie, das Sopha, auf dem er saß, an das Fenster rollen zu lassen, damit er den Himmel und die über ihn schiffenden Wolken sehen könnte, deren Bewegung für ihn immer so große Anziehung gehabt hatte, und äußerte dann den Wunsch, sie möchte ihm ein paar Stücke auf dem Piano spielen, welche er ihr bezeichnete. Die Prinzessin willfahrte ihm, und da der Vater sie so gern singen hörte, so sang sie ihm auch einige deutsche Lieder.

Als sie den Flügel zumachte und sich nach dem Kranken umschaute, hatte er sich auf den Divan gestreckt, die Augen geschlossen und die Hände gefaltet, als wenn er gebetet hätte, so unbeweglich liegend, daß die Prinzessin glaubte, der Vater sei eingeschlafen. Leise wollte sie sich in seine Nähe schleichen; doch wie sie sich erhob, schlug er plötzlich die Augen auf und lächelte.

„Hast Du geschlafen, lieber Papa?“ frug sie.

„Nein, mein Kind, ich hatte nur so süße Gedanken, daß ich sie durch keine Bewegung verscheuchen mochte.“

So faltete er während seiner letzten Krankheit häufig die Hände, und sein ruhiges, friedvolles Antlitz zeigte, daß diese „süßen Gedanken“ oft bei ihm einkehrten.

Die Fassung der Prinzessin Alice war bewundernswerth; sie hat uns Alle in Erstaunen gesetzt. Vom ersten Tage an, wo der Vater erkrankte, sah sie ein, daß sie sich zusammenraffen müßte, um durch ihre Energie und Standhaftigkeit Vater und Mutter Muth und Trost zu geben, und beschloß, diese ihre Pflicht getreulich bis zum Ende zu erfüllen, wie schwer es sie auch ankommen mochte, ruhig zu bleiben, wo sie nicht mehr hoffen konnte.

Der Prinz selbst täuschte sich nicht über die Bedeutung seiner Krankheit und lieh seinen Befürchtungen unverzagt und unumwunden Worte. Jedesmal aber, wenn er von der Möglichkeit seines Scheidens sprach, brach die Königin in solchen herzzerreißenden Jammer aus, daß er ihr nicht mehr von seinem Tode zu reden wagte. Und doch hatte er noch so Manches zu sagen, von so Manchem sein Herz zu erleichtern, so manchen Wunsch zu äußern, so vielerlei Anordnungen zu treffen!

Das entging der Tochter nicht, sie begriff daher, wie sie sich verhalten müßte, wollte sie dem geliebten Vater seine letzten Stunden wirklich erleichtern. Mit einer überraschenden Kraft wußte sie ihre Gefühle zu beherrschen, so daß sie im Beisein des Kranken nicht ein einziges Mal die schmerzliche Erregung verrieth, welche ihr die Brust zu zersprengen drohte, und nie den Thränen freien Lauf ließ, von denen ihre Augen überströmen wollten. Neben dem Kopfkissen des Vaters sitzend, hörte sie aufmerksam den Bestimmungen zu, die er gab, und den letzten Verfügungen, die er traf, und sang ihm von Zeit zu Zeit eines seiner Lieblingslieder, mit fester klarer Stimme, ob ihr auch das Herz dabei brechen wollte. Nur ab und zu einmal stahl sie sich in die Einsamkeit ihres Zimmers und weinte sich aus, um bald darauf mit der alten Fassung zu dem sterbenden Vater zurückzukehren.

Und als der Theuere den letzten Athemzug gethan und die unglückliche Königin sich nicht mehr täuschen konnte über den Verlust, welchen das Schicksal über sie verhängt hatte, wieder war es allein die Prinzessin Alice, welche für die in ihrem Schmerze schier zusammenbrechende Mutter das Wort linden Trostes fand, wo Niemand sonst das Ohr der in dumpfer Schwermuth hinbrütenden Königin zu erreichen vermochte.