Von den österreichisch-ungarischen Manövern bei Güns

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Von den österreichisch-ungarischen Manövern bei Güns
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 689, 693, 707
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[689]

Von den österreichisch-ungarischen Manövern bei Güns: Infanterie im Feuergefecht.
Nach einer Zeichnung von M. Ledeli.

[693]

Kaiser Franz Joseph und Kaiser Wilhelm II. bei den österreichisch-ungarischen Manövern.
Nach einer Originalzeichnung von M. Ledeli.

[707]

Von den österreichisch-ungarischen Manövern bei Güns.

Zu den Bildern Seite 689, 693 und 707.

Nicht weit entfernt von der Grenze zwischen Oesterreich und Ungarn, in dem ungarischen Komitat Eisenburg, liegt ein kleines alterthümliches Städtchen von etwa 7000 Einwohnern, fast vergessen von der Welt, trotzdem es die Ehre hatte, einmal – es sind allerdings schon vierhundertfünfzig Jahre her – einem gewaltigen Türkenheer erfolgreich Trotz zu bieten und es zum Abzug in seine östliche Heimath zu veranlassen. Ueber der ungeheuren Glanzthat der Errettung Wiens aus den Händen der Muselmanen trat der Ruhm jener kleinen Stadt und ihrer muthigen Vertheidiger in den Schatten, und die Muse der Geschichte hat seither keine besondere Veranlassung mehr gefunden, den Namen des wackeren Türkenbollwerks in der Erinnerung der wechselnden Menschengeschlechter aufzufrischen. Heute auf einmal ist er wie ein Meteor aus dem Dunkel aufgetaucht, glänzend und farbenschillernd, aber auch darin einem Meteor vergleichbar, daß es mit dem Glanz bald wieder ein Ende nahm. Das Städtchen heißt Güns, und es ist in den Tagen vom 17. bis zum 21. September der Mittelpunkt jenes gewaltigen Kriegsspiels geworden, das durch die Masse der aufgebotenen Truppen eine hohe technische Bedeutung und durch die Anwesenheit des deutschen und des österreichischen Kaisers, des Königs von Sachsen, zahlreicher Erzherzöge, Prinzen und hoher Würdenträger aus den beiden verbündeten Reichen einen so außerordentlichen Glanz erhielt.

Es kann nicht unsere Absicht sein, dem Leser den Gang dieser Manöver im einzelnen zu erzählen. Es genüge ihm, zu erfahren, daß vier Armeecorps und drei ungarische Landwehrdivisionen, im ganzen etwa 130 000 Mann – also über ein Drittel der österreichisch-ungarischen Friedensarmee – daran betheiligt waren. Diese Truppenmasse war in zwei große Armeen getheilt, in eine Nordarmee unter dem Befehl des Feldzeugmeisters Baron von Schönfeld, welche den Auftrag hatte, sich einem bei Warasdin über die Drau gegangenen Gegner möglichst rasch über Güns entgegenzuwerfen, und in eine eben diesen Gegner darstellende Südarmee unter dem Befehl des Feldzeugmeisters Freiherrn von Reinländer, welcher ein weiteres Vorgehen in der Richtung auf Wien vorgeschrieben war. Beide Theile mußten ungefähr bei Güns zusammenstoßen.

Infanteriefeldwache, durch eine Kavalleriepatrouille aufgestört.
Nach einer Originalzeichnung von M. Ledeli.

Ausrüstung, Verpflegung, alles war ganz kriegsgemäß angeordnet, damit der Hauptzweck solcher großer Truppenübungen, ein möglichst getreues Bild des Ernstfalls zu bieten und daraus für diesen Ernstfall gültige Erfahrungen zu sammeln, erreicht werde. Insbesondere gelangte auch die Feldtelegraphie und Feldtelephonie in ausgedehntem Maße zur Anwendung, und bei den zum Theil riesigen Entfernungen, auf welche die kämpfenden Truppen selbst einer und derselben Partei sich zerstreuten, war ihre Mitwirkung eine ganz unerläßliche. Hat man doch am 20. September die Länge der Gefechtslinie auf nicht weniger als 12 Kilometer, das ganze, von den kämpfenden Truppen eingenommene Gebiet auf 65 Quadratkilometer geschätzt! Die Artillerie hatte Protzen und Geschütze mit alten Eisenkernen kriegsgemäß belastet, als ob sie wirkliche Granaten und nicht die leichten Manöverkartuschen mit sich führte; und es hat die Bewunderung deutscher Zuschauer nicht wenig erregt, daß sie trotzdem einen breiten Graben im Galopp, gleichsam „fliegend“, zu nehmen vermochte. Durch gelegentliche Entziehung von Truppen sorgte die Oberleitung – sie lag in den Händen des Erzherzogs Albrecht – dafür, die beiderseitigen Führer soweit möglich vor unbekannte Größen zu stellen. Kurz, es geschah alles, die Friedensübung den Verhältnissen des Krieges so nah wie möglich anzupassen. Daß unter solchen Umständen Einheimische und Fremde, der Kaiser Franz Joseph und seine hohen Gäste diesen Manövern mit der gespanntesten Aufmerksamkeit folgten, braucht nicht hervorgehoben zu werden. Unser Zeichner hat denn auch auf seinem Hauptbilde S. 693 die beiden Kaiser, den König von Sachsen und ihr fürstliches und militärisches Gefolge dargestellt, wie sie von einer günstig gelegenen Anhöhe aus die Bewegungen der beiden Armeen beobachten. Kaiser Wilhelm trägt dabei die Uniform seines österreichischen Husarenregiments.

Sehr beachtenswerth sind die Erfahrungen, die man bei diesen Uebungen wieder mit dem rauchschwachen Pulver gemacht hat. Obwohl eine riesige Streitmasse versammelt war und eine unendliche Menge Pulvers verschossen wurde, ließ sich doch von Rauch so gut wie gar nichts wahrnehmen, frei und offen lag das ganze Schlachtfeld da. Und nun erinnere man sich der Bedenken, die so vielfach schon, auch von der „Gartenlaube“, gegen alle grellfarbigen oder blitzenden Theile unserer deutschen Infanterieausrüstung erhoben worden sind. Nicht mehr werden in den Schlachten der Zukunft diese blanken Knöpfe und Helmspitzen von schützenden Rauchwolken verhüllt, unfehlbar müssen sie dem Gegner die Linie unserer Schützen verrathen. Ganz anders bewährt sich da die österreichische Uniform. Ihre Farbe verschwimmt mit dem Grün des Waldes und der Wiesen so gut wie vollständig, und auch auf Ackerfeldern ist sie nur schwer zu unterscheiden. Ein Berichterstatter bezeugt, daß man selbst mit einem guten Glase lange und scharf habe beobachten müssen, bis man dahinter kam, ob dieser oder jener dunkle Streifen ein Gebüsch oder eine Infanterieabtheilung sei. Solche Erfahrungen, sollte man meinen, müßten doch auch unsere deutsche Heeresverwaltung bestimmen, dem unleugbaren Mißstand, welcher der deutschen Uniform anhaftet, ein Ende zu machen, damit er sich nicht eines Tages schwer an den Söhnen unseres Vaterlandes räche.

Während der Manövertage wohnten die beiden Kaiser zu Güns in der sogenannten „Militär-Unterrealschule“, Kaiser Wilhelm II. in dem für dies[e]n Zweck glänzend eingerichteten ersten Stock des linken, Kaiser Franz Joseph im ersten Stock des rechten Flügels. Der König von Sachsen hatte im Hause eines Herrn Kortsmaros Wohnung gefunden, auch die übrigen Fürstlichkeiten waren, so gut es eben ging, in dem bescheidenen Landstädtchen untergebracht. Etwas eng mag es da manchmal hergegangen sein. Die Bewohner aber hatten das Möglichste gethan, ihre Häuser schmuck und sauber herauszuputzen. In ihrem Feuereifer gingen sie sogar so weit, daß sie ihr interessantes altes Rathhaus aus dem 15. Jahrhundert schön gelb und ihre uralte Pfarrkirche samt ein paar daran befindlichen kunstgeschichtlich merkwürdigen Basreliefbildern schön weiß anstrichen. Das hätten sie nun lieber bleiben lassen sollen! Aber was thut man nicht um der Ehre willen, einmal auf ein paar Tage aus dem Dunkel der Vergessenheit ans helle Licht der Weltgeschichte emporsteigen zu dürfen!