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Von der Südgrenze des Reiches

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Textdaten
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Autor: A.
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Titel: Von der Südgrenze des Reiches
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 188
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[188] Von der Südgrenze des Reiches. Der Ernst der Zeit ist nicht im Stande, den in unserem Volke lebenden Humor gänzlich niederzuhalten. Das zeigte ein Maskenspiel, welches an den drei Faschingstagen auf offenem Marktplatze des bairischen Marktfleckens Oberstdorf unter großem Zulauf von Nah und Ferne abgehalten wurde. Die Lage des Dorfes inmitten der acht- bis neuntausend Fuß hohen Bergriesen des Allgäu, berühmt an sich, zeigt auch im Winterkleide die volle Großartigkeit einer Alpenlandschaft; die eis- und schneebedeckten Felsenhäupter, die in den Schauplatz herniederblickten, bildeten eine grandiose Staffage zu dem munteren Treiben der Menschen. Das aufgeführte Spiel nennt sich der „Wildmännli“ – ober „Faunentanz“, der zu Anfang unseres Jahrhunderts von einem Ortsangehörigen aus der Schweiz eingeführt worden sein soll, jedoch unverkennbar auf italienischen Ursprung zurückweist. Die Originalmusik, die unter Leitung des Chorregenten des Ortes von einem gut besetzten Orchester einheimischer Dilettanten aufgeführt wurde, geht in allen Theilen mit dem dargestellten Spiele Hand in Hand. Letzteres ist wohl am besten als ein groteskes Ballet zu bezeichnen.

Die Bühne ist in allen ihren Theilen von lebendem Grün hergestellt, ohne Vorhang. Die „wilden Männer“, ihrer zwölf an der Zahl, beginnen damit, daß sie, streng nach dem Tacte der Musik; zuerst je sechs Arme, hierauf sechs Beine, dann die Köpfe blitzschnell aus den Coulissen strecken, wieder verschwinden, um hierauf nach rascherem Tempo dieselben Gliedmaßen in zuckenden Bewegungen zu zeigen. In den sich hieran reihenden, im Ganzen etlichen zwanzig Gruppirungen treten oder vielmehr hüpfen die „wilden Männer“ paarweise auf die Scene, vereinigen, trennen gruppiren sich, immer in strengem gravitätischem Zeitmaße in der drolligsten Weise, durch welche Pünktlichkeit im Verein mit den treffenden Masken der Darsteller die lachenerregendsten Effecte erzielt werden. Ueber und über in möglichst eng anliegende, dicht mit graugrünem Moose übernähte Gewänder gehüllt, einen soliden Gürtel von Tannengezweige um den Leib, den Kopf mit übergestülpten Masken von Tannen- und Mooswerk bedeckt, so daß nur Augen und Mund frei bleiben, halb Waldgeschöpfe, halb Menschen, bis auf die bemalten Hände herab grün, so vollführen diese „wilden Männer ihre Schwänke, die uns in die Urzeit der Erfindung des Ballets zurückversetzen, deren naive Empfänglichkeit noch von keiner sittengefährdenden Zuthat bedroht war.

Besondere Freude machte mir die Schlußscene des Spieles, in welcher auf einem dreistufigen Postamente eine grünumflochtene weiße Tafel errichtet wurde: oben die deutsche Kaiserkrone, darunter in großen Lettern: „Deutschland hoch!“, das Ganze von schwarz-weiß-rothen Bändern umschlungen. Um dieses erhebende Symbolum gruppirten sich jetzt die Darsteller, um in einem kräftigen Chore das Vaterland, die Freiheit, das deutsche Heer zu feiern, und ihren Gesang nach gutem altem Gebrauche mit einem Labetrunke aus hölzernen Bechern begleitend. Einer der gesungenen Verse mag hier vielleicht wiederholt werden:

„Dem tapfern deutschen Heere singt
Der wilde Mann das Lied,
Und für den deutschen Kaiser springt
Der Faun sich gerne müd’,
Hoch über Klüften und Gestein
Singt er mit frohem Muth,
Und für den freien deutschen Rhein
Giebt Leben er und Blut.“

Diese naive Huldigung gab dem Fastnachtsspiele, dessen Ertrag ohnehin für vaterländische Zwecke bestimmt war, einen Abschluß, der zu Gedanken höherer Art führte, wobei die wackeren Bewohner dieses Alpenthales keineswegs den Kürzeren ziehen konnten. Die Zuschauer zählten, wie schon angedeutet, nach Tausenden, und das herrlichste Wetter begünstigte das originelle Schauspiel. Die Darsteller waren durchweg jüngere Männer aus Oberstdorf, die sich der gestellten Aufgabe mit größtem Fleiße und staunenswerther Ausdauer entledigten.
A.