Von der schönen Rosamunde
(Romanzen-Cyklus.)
Rosamunda – Rosa mundi.
(Rosamunde’s Grabschrift.)
Erstes Kapitel.
Wie König Heinrich Rosamunden findet.
Der König Heinrich jagt im Wald
Mit Hof- und Jagdgesinde,
Es führt sein Ritt ihn alsobald
Auf eine weiße Hinde,
Spornt er sein Roß, bis tiefer Forst
Das Thier in Schutz genommen.
Des Weges bar, durch Strauch und Dorn
Lenkt Heinrich jetzt den Schecken,
Um Gegengruß zu wecken;
Wohl hört er wie das Birkhuhn schwirrt,
Wie über ihm die Taube girrt,
Doch nichts von Hornesklängen.
Und Roß und Reiter dürsten,
Kein Quell ist da, kein Brombeerstrauch
Beut seine Frucht dem Fürsten,
Der denkt wohl: „Wenn ich Wasser hätt’,
Ich wög’ es auf mit Golde.“
Wie wenn er Obdach wittert –
Und sieh, ein Schloß im Sonnenstrahl
Schon halten Roß und Mann davor,
Und gastlich öffnet sich das Thor
Dem ungekannten Ritter.
Und in die Hall’ voll Waffenprunk
Und hat um Wasser, einen Trunk,
Den Graubart drin gebeten,
Der aber spricht: „An Cliffords Schwell’
Labt man den Gast mit andrem Quell –
Und alsobald die junge Maid
Ergreift die güld’nen Kannen,
Sie grüßt den Gast in Sittsamkeit
Und schwebet leicht von dannen,
Und Heinrich weiß der Irrfahrt Dank,
Um solchen Findens willen.
Und jetzund wieder in den Saal
Tritt sie nach kurzem Gange,
Und roth glüht ihre Wange,
Sie beut den Trunk mit Sitten dar,
Dem König aber wird fürwahr,
Als hätt’ er schon getrunken.
Mit Lippe nur und Kehle,
Da trinkt sein Aug’ ihr Angesicht
In seine tiefste Seele,
Und eh’ die Maid sich abgewandt,
Zum Danke sie zu küssen.
Da schau’, von Simses Stuck und Kalk,
Gespornt an jedem Hacken,
Schießt Rosamundens Edelfalk
Er bläht sich auf in Tück’ und Trutz
Und hebt den Sporn zu Schirm und Schutz
Voll Eifersucht im Herzen.
Doch ob er zürnt und ob er wetzt,
Die Hand, sein Todfeind küßt sie jetzt
Trotz seiner Flügel Schlagen;
Schön Rosamunde schenkt ihm ein
Und selig blickt der König drein,
Und auch dem Alten wird so warm,
Anhebt ein tapfres Zechen,
Es zuckt ihm schier durch Herz und Arm,
Als sollt’ er Lanzen brechen,
Als wär’s ein alten Degenknauf,
Und Blut statt Wein im Becher.
Mit festlichen Turnieren,
Mit Schotten und mit Iren,
Und wie so Strauß an Strauß sich drängt,
Da wohl an jedem Worte hängt
Die schöne Rosamunde.
Den Becher still umkrampfte,
Er hört’s nicht mehr wie Heinrichs Hengst
Den Douglas einst zerstampfte,
Wohl aber, als der König schweigt,
„Daß einen Sohn ich hätte!“
Da auf vom Sitze springt sein Gast,
Und ruft: „Der ist gefunden!
Gieb mir das Kleinod, das Du hast,
Zu gutem Schwert und gutem Roß
Ein junges Herz und altes Schloß,
Das ist es, was ich biete.“
Der Alte sieht sein Kind erglühn
Es weiß, wenn so die Rosen blühn,
Ward’s Lenz im tiefsten Grunde.
So spricht er denn: „Mein Kind sei Dein,
Und morgen soll die Hochzeit sein –
Wie König Heinrich Rosamunden gen Woodstock führt.
Am dritten Tag, vor Clifford’s Schloß
In abendlicher Stunde
Hebt König Heinrich auf sein Roß
Die schöne Rosamunde.
Dem Ritter Woodstock angetraut –
So nannte sich der König.
Sie reiten in die Nacht hinein
Durch Tannenwald und Eichen,
Schloß Woodstock zu erreichen.
Im Laube spielt des Mondes Licht –
Sie schaun sich still ins Angesicht,
Und haben keine Worte.
Kein Ton von Nachtigallen,
Es glaubt das Ohr, es höre fast
Die Mondesstrahlen fallen;
So klar-durchsichtig ist die Luft,
Wie Wölkchen aufwärts steigen.
Der Wald, im Silberglanze, weckt
Des jungen Weibes Bangen,
Die Zweige hat er ausgestreckt,
Und, ob im Zauberwald sie wär’,
Wohl zuckt’s durch ihre Seele.
Doch bald an Heinrich’s Brust, so warm,
Und zwiefach ruht sie jetzt im Arm
Des Gatten und des Schlummers,
Mit Schleiern deckt der Mond sie zu,
Und Heinrich wacht ob ihrer Ruh,
Sie träumt und mit dem Roth der Scham
Schmückt ihr der Traum die Wangen,
Bis plötzlich, schneller als es kam,
Das Roth dahin gegangen.
Und aus der tiefsten Seele dringt
Es bang, wie Schrei des Todes.
Auffährt sie jäh und starrt zur Seit’,
Wie fremd auf ihren Gatten,
Entflieh’n die Traumesschatten;
In Heinrichs Aug’ ein selig Schaun
Löst bald ihr Bangen all’ und Graun
In Thränen auf und Lächeln.
Im Walde Beeren naschen,
Aufflog ein bunter Schmetterling,
Dem folgt’ ich, ihn zu haschen,
Mir war so froh, so leicht zu Sinn,
Von Duft und Klang getragen.
Geschmückt mit goldner Spange,
Und neben Dir, in satter Ruh,
Du schautest ängstlich, ob sie schlief,
Und sprachst dann leis: „ihr Schlaf ist tief –
O komm, daß ich Dich küsse!“
Noch hing, an Leib und Seele frisch,
Da hob, aufbäumend mit Gezisch,
Die Schlange sich vom Grunde,
Ihr Haupt glich einem bösen Weib,
Sie schlang um mich den Schuppenleib,
Wohl füllten sie mit Angst und Scheu
Des Bilds Erinnerungen,
Und als sie schweigt, da hält aufs Neu,
Den Gatten sie umschlungen,
Doch Heinrichs Kuß ist eiseskalt
Und seine Lippe zittert.
Und erst als Cliffords schönes Kind
Ihn wie aus Traum gerüttelt,
War’s, der mich kalt durchschüttelt;
Doch schau’, die Sonne kommt herauf,
Und dort das Schloß mit Thurm und Knauf
Ist Woodstocks alt Gemäuer.“
Von der Königin Leonore.
Des König Heinrichs Königin,
Die böse Leonore,
Sie starrt in finstrem Sinnen hin
Auf Towers Hof und Thore;
Doch keiner kehrte noch nach Haus,
Der sichre Kunde brächte.
Sie sandte sieben Boten aus,
Die sollten rings erkunden,
Der König Schutz gefunden;
Doch hofft sie still, daß, roth von Blut,
Im tiefsten Waldesgrund er ruht,
Von Mörderhand erschlagen.
An hohen Fensters Flügel
Und greift in ihrem stolzen Sinn
Schon nach der Herrschaft Zügel,
Wohl sagt sie sich: „Du hoffst zu viel!“
Um so das Glück zu kirren.
Da sprengt der Sieben Einer vor,
Weiß von des Renners Schaume,
Und sieh’, die böse Leonor’
Fleht, gotteslästernd, sie zu Gott
Um eine blut’ge Locke.
Der Diener naht, sein Herze freut
„Der König lebt, ich sah ihn heut’
In früher Morgenstunde.
Er hielt vor Woodstocks altem Schloß,
Und hob ein blasses Weib vom Roß, –
„„Daß Du an ihrem goldnen Haar
Im nächsten Walde hingest,
Du Schurke, der Du lerchenklar
Dein Rabenliedlein singest!
Daß Du der buhlerischen Dirn’
Vor Unserm Ohr gedenkest.““
Und Rachepläne röthen jetzt
Die Stirne ihr, die blasse,
An eifersücht’gem Hasse.
Scharf stechend fällt in ihren Saal
Die Sonne; jeden einzlen Strahl
Möcht’ sie zum Stoße zücken!
Kein nutzlos Blut-vergeuden,
Sie lebe, lebe wohlgemuth
All ihren süßen Freuden;
Doch nimmt sie je das Abendmahl,
Mein Priester soll’s ihr reichen.“
Die Fäden ohne Säumen,
Dieweil in Woodstock, Brust an Brust,
Dort Frühling noch und Sonnenlicht,
Hier aber thürmen hoch und dicht
Sich schon die Wetterwolken.
Viertes Kapitel.
König Heinrich und Rosamunde in Woodstock.
Schloß Woodstock ist ein alter Bau
Aus König Alfreds Tagen:
Man sieht es weithin stolz und grau
Die Tannen überragen;
Wie wohl ein blühend Kind umschmiegt
Das Knie des Aeltervaters.
Der Garten ist an Blumen reich,
An Quellen und an Bronnen,
Tanzt gern das Licht der Sonnen;
Doch finster an des Gartens Saum
Drängt sich urplötzlich Baum an Baum
Zu mächt’gem Forst zusammen.
Der Sonn’ ihr Licht zu senden,
Nur knisternd durch die Zweige bricht
Der Hirsch von sechzehn Enden;
Herab vom Tannengipfel.
Am Waldrand, in des Gartens Näh’,
Ist eine offne Stelle:
Es glitzert dort, halb Teich halb See,
Viel Erlen stehn am Uferrand,
Und wo die Quelle küßt den Sand,
Da sprießen blaue Blumen.
Und hier im duft’gen Wiesengrund,
Da sitzt die schöne Rosamund
Zu König Heinrichs Füßen:
Es ruht ihr Haupt auf seinem Schooß,
Und ihre Augen, blau und groß,
Ein frischer Bronnen ist ihr Mund,
Und Heinrichs Lippen senken,
Wie Krüge, tief sich auf den Grund,
Um so sein Herz zu tränken;
Aus seinen Augen finster blickt
Von Zeit zu Zeit die Seele.
Das junge Weib, es bangt und blaßt
Vor seines Auges Schatten,
Der Trübsinn nun des Gatten;
Sie weint und ruft in bittrem Harm:
„Ist auch die Liebe selbst zu arm,
Ein ganzes Glück zu schaffen!“
Der Ernst in Deinen Zügen?
Sag’, will mein schlichtes Liebeswort
Dir fürder nicht genügen?
Ach, als ich Dir mein Herze gab,
Ich hab’ nichts mehr zu geben.“
Sie spricht’s, und sieh, ein Tropfen warm
Rollt über Heinrichs Wange:
Er preßt sie fester in den Arm
Dann spricht er: „Was mir raubt die Ruh,
Du reines Herz, das bist nicht Du,
Das ist mein bös Gewissen.“
Er legt sie auf den Blumenplan
Ruft er: „Was ich Dir angethan,
Deß woll’ sich Gott erbarmen!
Ich, der gefreit um Deine Hand,
Bin König über Engelland
Da flieht die letzte Rose scheu
Von Rosamundens Wangen,
Der König aber hält aufs Neu’
Voll Inbrunst sie umfangen;
Und sei mein Leben, sei mein Lieb,
So treu, wie ich Dich liebe!“
Wohl durch die Thränen leuchtet da
Ihr Auge wie die Sonne:
Und das allein ist Wonne.
Und kostet’s meine Seligkeit,
Es soll kein Tod uns trennen!“
Die Vöglein an zu singen:
Es will das Rauschen in dem Wald
Wie Orgelton erklingen.
Der König still sein Liebchen preßt,
Hat nur der Wald vernommen.
Fünftes Kapitel.
Wie König Heinrich gen London zieht.
Noch blitzt die Sonne kaum ins Thal,
Auf Woodstocks Thurm und Tannen,
Da zieht im ersten Morgenstrahl
Der König schon von dannen;
In weißem, flatternden Gewand
Steht Cliffords schöne Tochter.
Wie Marmor leuchtet in die Au
Ihr Nacken, der entblößte,
Ihr Haar, das aufgelöste.
Sie blickt herab, er blickt hinauf,
Und jeder möcht’ in heißem Lauf
Dem eignen Blicke folgen.
Am Felsenufer harren,
Und auf das flücht’ge Schiff noch lang
Sehnsücht’gen Auges starren –
So blickt vom Thurm jetzt in den Wald
Die schöne Rosamunde.
Er aber gleicht dem Schiffer gut,
Dem nichts das Auge feuchtet,
So lang ihm noch durch Sturm und Fluth
Nun aber wird’s ihm bang fürwahr:
Noch einmal blitzt ihr goldnes Haar,
Es blitzt – und ist verschwunden.
Doch Waldesduft und Morgenschein
Und auch des Königs Traurigsein
Sie dulden es nicht länger.
Thautropfen glänzen hier und dort,
Die Sonne sieht’s, und küßt sie fort, –
Die Lerchen flattern her und hin,
Und Heinrich hört sie singen:
„Nur frischer Muth und froher Sinn
Darf in den Himmel dringen.“
„Ein Herz, das liebt und Gott vertraut,
Lacht wie die Maiensonne.“
Und laß all trübes Sinnen!
Doch sie wird drum verrinnen.
Traun, wer nicht will von dannen gehn,
Der bringt sich selbst ums Wiedersehn –
All Leid hat seine Freude.“
Er jetzt vorübertrottet,
Da wähnt er wohl mit Stiel und Stumpf
Die Sorgen ausgerottet,
Manch Lied ihm aus der Kehle schallt –
Der Hufschlag seines Schecken.
Schon kauern rings die Häuser, dicht
Gehüllt in nächt’ges Dunkel,
Nur hier und dorten glüht ein Licht,
Das finstre Bild der Königin
Tritt da vor Heinrichs Seele hin,
Und löscht die heitren Bilder.
Und alsobald durchklirrt sein Schritt
Und aus der Hall’ entgegen tritt
Sein Weib ihm, Leonore.
Sie spricht und blickt ihn tückisch an:
„Willkomm, willkomm, Herr Jägersmann,
Lindwurm und Molch getödtet,
Zehn Meilen Forst, deß bin ich Bürg’,
Hast Du mit Blut geröthet;
Waldfräulein Dich und Haidefrau
Bis diesen Tag bewirthet?“
Der König drauf: „Waldfräulein frisch
Wohl hab ich das gefunden,
Die machten mich gesunden;
Doch frägst Du nach dem Haideweib?
Ihr glühes Aug’, ihr welker Leib
Ist andren Orts zu finden.“
Fliegt über seine Züge;
Dann ruft er stolz: „Verhüt’ es Gott,
Daß ich Dich feig belüge!
Ich schulde Dir nicht Treu’ noch Dank:
Ist Cliffords schöne Tochter.“
Er spricht’s, und als in Haß und Zorn
Jetzt ihre Augen blitzen,
Da ruft er laut: „Es soll kein Dorn
Dein Blick ist Dolch, Dein Wort ist Gift
Und wenn des Himmels Blitz sie trifft,
Du stirbst, denn Du bist schuldig!“
Und zieht in langen Zügen dann
Die Nachtluft ein, die frische;
Sein Aug ist trüb, sein Herz ist fern –
Hernieder blickt der Abendstern,
Sechstes Kapitel.
Wie König Heinrich gen Frankreich zieht und was weiter geschah.
Und Heinrich, sieben Tage lang
Hält’s ihn in Londons Mauern,
Wohl mocht’ ihm jeder Stunde Gang
Wie Lauf des Jahres dauern;
Und schüttelnd ab all Last und Pflicht,
Fliegt er zu Lohn und Liebe.
Daheim sein Thron und Herrscheramt
Ward Kerker ihm und Frohne,
Trägt Scepter er und Krone.
Hier ist er reich, dort ist er arm –
Ein einzig Herze, treu und warm,
Ist mehr als Erd’ und Himmel.
Färbt kaum die Bäume gelber,
Da kommt in seinem Kleid von Schnee
Auch schon der Winter selber;
Doch immerdar, wie Sturm auch tos’t,
Bleibt Woodstock allerwegen.
Mit freundlicher Geberde,
Das schüchtern stille Veilchen blickt
Und wie so draus es grünt und blüht,
Da immer festre Kreise zieht
Schloß Woodstock um den König.
Heut aber trug ihn heim sein Roß,
Da sprengt ein Reiter durch das Schloß,
Vom langen Ritte dampfend;
Noch hemmt er kaum des Renners Lauf,
Da klingt es schon: „Auf, König, auf!
Der König hört’s; sein Streitroß wild
Besteigt er statt des Schecken,
Er läßt mit Schienen sich und Schild
Von Kopf zu Fuß bedecken;
Und steckt, als ein Plantagenet,
Den Busch davor von Ginster.
Der Hengst springt an, schon dröhnt und hallt
Der Hof von Rosseshufen,
Läßt König Heinrich rufen;
Herab vom Rosse, spricht er laut:
„Gen Woodstock, eh’ der Morgen graut,
Bring’ Deines Königs Grüße.“
Ist kaum er jetzt gezogen,
Da tritt glühroth die Königin
Zurück von Fensters Bogen;
Sie hat des Gatten Wort erlauscht,
Mitzürnend in ihr Murmeln.
Dann spricht sie laut: „Und will, Gesell,
Mein Gold Dich nicht bestechen,
So giebt’s im Wald manch’ gute Stell’,
Kein Wörtlein von des Königs Gruß,
Noch, daß im fernen Land sein Fuß,
Darf je nach Woodstock dringen.
„Wohl wie nach Speis’ in Hungersnot
Es soll kein Bröcklein Trostesbrot
Je zu ihr hin gelangen;
Ich bring’ ein köstlich Gift ihr bei,
Das Zweifelgift an seiner Treu –
Sie spricht’s, und schreitet durch den Saal
Und kann nicht Ruhe finden:
Sie sieht in Ungewißheits-Qual
Ihr Opfer schon sich winden;
Laß sehn, das wird ein Probestein
Für so ein Herz voll Liebe!“
Wie Rosamunde hofft und harrt.
Durch Woodstocks Laubengänge hin,
In heller Mittagsstunde,
Zieht nassen Augs in trübem Sinn
Die schöne Rosamunde;
Und pflückt sie und zerpflückt sie dann –
Ein Tropfen fällt hernieder.
Da plötzlich springt – den dürren Leib
Behängt mit schmutz’gen Loden,
Als wüchs’ es aus dem Boden;
Sie kreischt in widerlichem Ton:
„Gieb nur die Hand, ich weiß es schon,
Du willst vom Liebsten wissen.“
Aufschreit Schön-Rosamunde;
Die Alte murmelt: „Soll ich’s thun?
Kein Lauscher in der Runde!“
Dann aber läßt die Hand sie frei,
Betrogen, Kind, betrogen!“
Das Bettelweib, kaum daß sie’s sprach,
Ist wieder sie verschwunden;
Schön-Rosamunde starrt ihr nach,
In Lüften eine Lerche singt –
Sie hört es nicht, im Ohre klingt
Das Sprüchel ihr der Hexe.
Ein Sturm.
Der Sturm will jagen: auf fährt er vom Sitz
In seinem zerklüfteten Schlosse,
Er ruft seinen Diener, den flüchtigen Blitz,
Und schwingt sich jauchzend zu Rosse,
Und schleudert die Tanne, die vor ihm stand,
Gleich einem Ball in die Lüfte.
Die Jagd hebt an: vom Felsenhorst
Stürzt er mit klaffender Meute,
Nach tausendjähriger Beute.
Von Norden her saust er und braust er heran,
Und jetzt durch Woodstocks mächtigen Tann
Schrillt seine gellende Pfeife.
Umsonst; ihn rettet kein Jammern!
Wie fest die Eiche sich klammert und krallt,
Zerbrochen werden die Klammern.
Und was von der Hand des Sturmes nicht fällt,
Todt liegen die Riesen des Waldes.
Und weiter geht es auf schnaubendem Roß,
Die Hufe stampfen und schlagen;
Verhängten Zügels an Woodstock-Schloß
Sieh, da stutzt er – an Söllers Rand
Steht ein Mädchen, und hebt die Hand,
Und ruft: „O komm, o rette!“
Mit Donnerstimme auf seinem Lauf
Ruft er’s in Wälder und Klüfte;
Der schäumenden See jetzt schrillt er’s ins Ohr,
Und die Wasser der Tiefe steigen empor,
„O komm, o rette!“ An Frankreichs Strand
Gellt es der fliegende Reiter;
Die Städte hindurch, hin über das Land
Braust er weiter und weiter;
Und lauter an König Heinrichs Zelt
Ruft er: „O komm, o rette!“
Der König hört’s; der rüttelnde Sturm
Entriß ihn finsterem Traume:
An einem blühenden Baume –
Er denkt des Traumes und steigt zu Schiff,
Ihn kümmert nicht Woge, ihn kümmert nicht Riff,
Er hört nur: „Rette, rette!“
Neuntes Kapitel.
Rosamundens Tod.
Im Woodstock-Forst, nach Sturmesnacht
Herrscht wieder tiefes Schweigen,
Nur einzle Tropfen fallen sacht
Von Blättern jetzt und Zweigen;
Von Zeit zu Zeit ein Klagelied
Um die geliebten Todten.
Am Waldrand, in des Gartens Näh’,
Ist eine offne Stelle:
Im Mondlicht jetzt die Welle;
Viel Erlen stehn am Uferrand,
Und wo die Welle küßt den Sand,
Da sprießen blaue Blumen.
Wo Wald und See sich grüßen,
Da sitzt die schöne Rosamund’
Den Erlen jetzt zu Füßen;
Es ruht ihr Haupt auf feuchtem Moos,
Von vielem, vielem Weinen.
Wohin sie blickt, da wächst ihr Weh
Vor ihres Glückes Zeugen:
Nur tiefer müssen Wald und See
Und hier, wo Schwur um Schwur erscholl,
Durchzuckt sie’s nun verzweiflungsvoll:
„Belogen und betrogen!“
Gen Himmel starrt ihr blaß Gesicht;
Ruft laut sie: „Gott, ich trag es nicht –
Ach, üb’ ein mild Erbarmen!“
Und alsobald, an tiefster Stell’,
Auf Seees mondbestrahlter Well’,
Durchfurcht ihr Haar die Fluthen
Und wie sie treibt, da scheint ihr Weh
Sich schmerzlos zu verbluten;
Spricht still sie: „Dein in Ewigkeit!“
Und sinkt dann in die Tiefe.
* * *
Am dritten Tag, auf Malv’ und Mohn,
Da liegt in Sarges Grunde
Die schöne Rosamunde;
Um ihre Lippen spielt es mild,
Und wie ein lächelnd Kindesbild
Schläft ihren Schlaf die Todte.
Und auf und ab im Saale,
Schwingt Knabenhand das Weihrauchfaß,
Gemäß dem Rituale,
Zu Häupten liest – gebückt und alt
Der Priester seine Messen.
Zu Füßen aber, schattengroß
Im Abendsonnenscheine,
Steht König Heinrich, regungslos,
Sein Aug’ ist starr, doch durch sein Herz
Zieht dieses Lebens höchster Schmerz:
Der Schmerz um alles Leben.