Von einem seltenen Meisterstück

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Otto Beneke
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Von einem seltenen Meisterstück
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 142–144
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[142] 
58. Von einem seltenen Meisterstück.
(1464.)

Wer sein Handwerk gründlich versteht und tüchtig betreibt, den muß man loben, und wenn’s der Henker wäre, dessen verzweifelter Kunst man sonst nicht hold ist.

Das war Claus Flügge, ein Freiknecht von riesiger Körperkraft, der muß gelernt haben bei irgend einem Frohnvogt unter den Riesen, der ihm die Schwertstreiche des großen Roland beibrachte, gegen welche der von Meister Uhland besungene „Schwabenstreich“ des Kreuzritters fast ein Kinderspiel gewesen ist. Als Claus Flügge ausgelernt hatte und wußte, was er konnte, nämlich besser henken, schmäuchen, säcken, köpfen, spießen, zwicken, peinigen und stäupen, denn irgend ein Scharf- oder Nachrichter im heiligen Römischen Reiche, kam er auf seiner Wanderschaft oder Kunstreise nach Hamburg, wo E. E. Rath grade in großem Nothstande war, weil er eben 40 Seeräuber zum Schwerte verurtheilt hatte, und sein alter Scharfrichter Tags darauf Todes verfahren war. Was thun? Es war ein mißlich Ding mit einer so großen Execution einen der hiesigen Henkersknechte zu betrauen, deren auch keiner sich der starken Arbeit unterfing. Geköpft aber mußten die armen Sünder alle vierzig am dritten Tage nach erfolgtem Spruch werden; – um noch einen andern bewährten Mann zu verschreiben von Stade oder Buxtehude, dazu gebrach’s an Zeit und leicht war’s unnütz, wenn auch dort grade ein Blutgericht stattfinden sollte.

Und im Volke hieß es: daß wenn zur festgesetzten Stunde einer Execution kein Henker vorhanden sei, nach Altsassischem Gesetze sodann der jüngste Herr des Rathes wohl oder übel das Richt-Amt vollziehen, und das Blut-Urthel, das er hatte finden helfen, auch selbst zur Ausführung bringen müsse. Jüngster [143] Rathmann war damals Herr Jacobus Struve, dem mag bei dem Handel auch wenig froh zu Muthe gewesen sein.

Als nun Claus Flügge in seiner Herberge dies vernommen, dachte er: hier blüht dein Waitzen oder nirgends, begab sich stracks zum ältesten Gerichtsherrn und erbot sich zu dem Stücklein, unter der Bedingniß, daß es sein Meisterstück sein sollte, dergestalt, daß ihm der Dienst als Frohn und Büttel zu Hamburg lebenslang möchte verliehen werden, so er alle vierzig hintereinander sein säuberlich und nach der Kunst abthun würde; falls aber er’s fehle, dann solle auch sein Hals dem jüngsten Herrn zu Diensten stehen. Und im Rathe nahm man nach kurzem Besinnen dies Erbieten des fremden Knechts an, dessen vorgezeigtes Richtschwert so entsetzlich groß war, als sei’s aus einem uralten Hünengrabe herausgeholt, und so haarscharf, daß alle ein Grausen ankam, die es sahen.

Und es ist ein Meisterstück absonderlicher Art gewesen, wie wohl desgleichen die Welt niemalen gesehen hat noch sehen wird. 40 Piraten sollten geköpft werden, Kerls mit Pferdeknochen, und Sehnen, so dick wie Ankertau. Und die hat Claus Flügge geköpft, nicht einzeln jeden für sich, nein, er hat immer drei Paar mit den Rücken gegen einander auf die Stühle gesetzt, und dann sein Hünenschwert mit beiden Händen ein paar Mal um den Kopf geschwungen und dabei fest auf die sechs Hälse geschaut, und dann zugehauen, daß die Köpfe rein und glatt abrasirt waren vom Rumpf, als wenn ein Knabe Diestelköpfe mit dem Kindersäbel abhaut. Und hat keinen einzigen gefehlt, jeder Hieb war sauber und gut und lobte den Meister. Dem Hauptmann aber der Seeräuber, Hinrik Schinder hat er geheißen, dem that er die Ehre an, ihn allein zu richten.

Claus Flügge hatte sich also zum Meister seiner Kunst und zum wohlbestallten Frohn dieser Stadt durchgeschlagen, [144] und saß noch lange Jahre warm und wohl in seinem guten Dienst, denn in Hamburg gab’s damals schnelle Justiz, und wurde kein Federlesens gemacht, und für jede Justificirung bekam er gute Bezahlung aus der Kämmereicasse. So hat er auch 1488 die 74 Seeräuber, deren Hauptmann Hinrik Stümer war, an einem Vormittage auf dem Grasbrook enthauptet, aber einzeln, damit es nicht so hastig gehe und die Zuschauer mehr davon hätten.

Anmerkungen

[380] Die Person des Flügge ist geschichtlich; sein hier erzähltes Meisterstück mag als Sage dahingestellt bleiben. S. Hamb. Chroniken, herausg. von Lappenberg, Heft I. S. 13. Note 4. Die Einflechtung der vielleicht nicht völlig sagenhaften Verpflichtung des jüngsten Rathsherrn wird man hier wohl am rechten Ort finden.