Vor dem Revolutionstribunal

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Titel: Vor dem Revolutionstribunal
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 440–441, 451
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[440–441]

Vor dem Revolutionstribunal.
Nach einem Gemälde von G. Cain.

[451] Vor dem Revolutionstribunal. (Zu dem Bilde S. 440 u. 441.) Das Revolutionstribunal, einen der furchtbarsten Gerichtshöfe, von denen die Geschichte aller Zeiten Kunde giebt, sehen wir auf dem Bilde von Cain in voller Thätigkeit. Auf Robespierres Antrag war dieses Tribunal am 11. März 1793 eingesetzt worden, doch erst nach dem Sturze der Gironde im September 1793 erhielt es seinen Namen und seine vollständige Einrichtung. Es galt die schnellste Justiz, denn ihre Opfer waren ja unzählig; deshalb gab es keine Vertheidigung, kein Zeugenverhör – der Ankläger sprach und die Richter fällten das Urtheil. Nachdem das Gesetz über die Verdächtigen erlassen worden war, das an die schlimmsten Zeiten der römischen Kaiserwirthschaft erinnerte, gab es für die Verhaftungen und Anklagen keine Schranken mehr, denn wer war den Schreckensmännern nicht verdächtig? Dazu genügte vornehme Herkunft, eine bedenkliche Miene, ein unbedachtes Wort – und der Privatrache war der weiteste Spielraum gelassen. Bis zu Robespierres Sturz am 27. Juli 1794 soll das Tribunal 2774 Personen unter die Guillotine geliefert haben – und auch dann noch hörte seine Thätigkeit nicht auf. Erst am 23. Mai 1795 wurde es durch eine Militärkommission ersetzt, welche meistens über soldatische Verbrechen abzuurtheilen hatte.

Das Bild von Cain versetzt uns mitten in eine Sitzung des Tribunals. Am meisten wird unser Blick durch die Gruppe der Angeklagten gefesselt, hinter welcher, auf ihre Gewehre gestützt, die Soldatenwache steht. Und aus jener Gruppe selbst trat besonders die junge schöne Aristokratin hervor, die mit stolzer und fester Haltung den Richtern Rede steht. Aus der erregten Zuschauermenge heraus ballt man die Fäuste gegen sie. Daß es sich aber nicht um Besiegte im Kampfe der sich gegenseitig zerfleischenden und aufs Schaffot schickenden Republikaner handelt, das beweist vor allem der auf dem ersten Stuhle sitzende Angeklagte, offenbar ein Marquis aus der Zeit der alten Regierung, der nach Kleidung und Haltung noch dem Hofe der Marie Antoinette anzugehören scheint. Die dritte in der Gruppe ist gewiß die Mutter oder eine ältere Verwandte des schönen jungen Mädchens. Das Alter schützte nicht vor dem Beile der Guillotine: einmal wurde sogar ein 97jähriger Greis hingerichtet. Den Angeklagten steht der öffentliche Ankläger gegenüber, der mit fanatischer Beredsamkeit seines Amtes waltet. Es ist das jedenfalls Fouquier-Tinville; denn solange das Revolutionstribunal in Thätigkeit blieb, hat dieser grausame Schreckensmann die Befehle der Ausschüsse ausgeführt und Tausende der Guillotine uberliefert. Juristischen Scharfsinns bedurfte dieser Ankläger nicht, es genügte die Frakturschrift, mit der sein blutdürstiger Sinn seine Opfer zeichnete. Doch er entging seinem Schicksal nicht: zehn Monate nach Robespierres Tode wurde auch er hingerichtet. Mit düsterem Fanatismus blicken die Richter auf ihre Opfer hin, von deren Schuld sie von Hause aus überzeugt sind, nur über das Benehmen derselben flüstern sie sich Bemerkungen zu. Ueber dem ganzen Bilde schwebt der dumpfe Druck jener Schreckenszeit, welche den ersten schönen Aufschwung der Revolution in Blut und Greueln erstickte. †