Warnung (Die Gartenlaube 1861/50)
[800] Warnung. Einsender dieses glaubt eine Pflicht zu erfüllen, wenn er
Frauen, Halberwachsene, Unfreie im Geist – dringend warnt vor der
Lectüre einen Buches, welches unter dem Deckmantel wissenschaftlichen
Ernstes eine solche Fülle von Aberglauben und Mysticismus predigt, wie
kaum ein anderes. Es ist dies das Werk: „Die mystischen Erscheinungen
der menschlichen Natur“, von M. Perty, Professor in Bern. Das Wunderbarste
an diesem Buche der Wunder ist, daß es im Jahr 1861 erschien
und den Professor einer Universität deutscher Wissenschaft zum Verfasser hat.
Unglaubliches ist darin geleistet, um ekelhafteste Vorgänge, crasseste Betrügereien,
muthwillige Verhöhnungen der gesunden Vernunft zu beschönigen,
zu überpinseln, zu erklären als Ausflüsse des Lebensmagnetismus, als
Erscheinungen einer Mittelwelt, als unmittelbare Offenbarungen. Zwar
sucht der Verfasser in den mit ungeheuerem Fleiße zusammengebrachten
Belegen hier und da Kritik zu üben, aber diese tritt meistens nur zu Gunsten
der Geisterwelt und anderer Mißgeburten des Irrsinns auf. Wer
dies Buch durchliest, und nicht durch Vernunft und Philosophie hinreichend
gekräftigt ist, der kann sehr leicht dadurch verrückt werden. Es mögen daher
Familienväter, Gatten, Jugendlehrer ein wachsames Auge darauf haben.
Auch die Gartenlaube kommt darin schlecht weg. Seite 398 beschwert
sich der Verfasser bitter darüber, daß ein Ungenannter in diesem Blatte
den fruchtlosen Versuch gemacht habe, das Tischrücken, Tischklopfen und
Schreiben mechanisch zu erklären – und schließt mit der Phrase: „Man
kann unmöglich falscher urtheilen und größere Unwissenheit des Thatsächlichen
an den Tag legen; möchten dergleichen Leute ihr bischen Physik,
Physiologie u. s. w. da anwenden, wo es paßt!“ – Diese Expectoratien
würde aber nirgends hin vortrefflicher passen, als zum Motto dieses dickleibigen
Werkes, statt des lateinischen Aberglaubens aus dem heiligen
Hieronymus: Multa memorabilia reperies et non versimilia, nihilominus
tamen vera – d. h. es giebt viele Dinge zwischen Himmel und Erde,
von denen sich unsere Vernunft nichts träumen läßt, wie der Dichter übersetzt
hat. Aber was der Poet spricht, gilt noch lange nicht im realen Leben. –m.