Was ist das Herz?

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ferdinand Stolle
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Was ist das Herz?
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 141
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[141]
Was ist das Herz?


Was ist das Herz? – es ist ein Blumengarten,
Worinnen Rosenlauben blüh’n
Wo Engel still die schönen Blüthen warten,
Und Frühlingswolken durch den Himmel zieh’n;
Wo unser Vater weilt mit seinem Frieden –
O wäre Jedem solch ein Herz beschieden.

Was ist das Herz? – es ist ein Gotteshaus,
Worin ein Altar aufgerichtet stehet,
Und wo, entfloh’n dem wüsten Weltgebraus,
Die Seele still zu beten gehet.
Es ist dies Herz ein Ort zu Gottes Ruhm,
O Vater schütze stets dies stille Heiligthum.

Was ist das Herz? – es ist ein Winterfeld,
Weithin von Schnee und hartem Eis bedecket,
Ach eine ganze schöne, doch erstarrte Welt,
Die nimmer ja ein Erdenfrühling wecket;
Nur von dem Himmel muß ein Frühling sprechen,
Soll dieses Eis in diesem Herzen brechen.

Was ist das Herz? – es ist die todte Wüste
Mit keinem Thale, keinen goldnen Höh’n,
Ach eine endlos öde Küste,
Und nirgend ist ein grünes Blatt zu seh’n;
Es ist das kranke Herz nicht, nein das arme,
O bitten wir, daß Gott sich sein erbarme.

Was ist das Herz? – es ist die dunkle Höhle,
Wo Schlangen ringeln, die mit gift’gem Zahn
Der ruchlos flüchtenden gequälten Seele
Sich fort und fort und unaufhaltsam nah’n;
Es ist das Herz in seinen höchsten Nöthen,
O möchte Gott ihm diese Schlangen tödten.

Doch Sterbliche, euch Allen ist gegeben,
In jedes Willen hat es Gott gestellt,
Zu schaffen sich nach freier Wahl das Leben,
Ob dunkel, ob von Gott erhellt –
Ja, Jeder baut sich selbst des Herzens Zelle,
Ein Paradies der Eine, der Andre eine Hölle.
  F. Stolle.