Was wir wollen (Illustrirte Zeitung, 1843)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
>>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Was wir wollen
Untertitel:
aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 1 vom 1. Juli 1843, S. 1–2
Herausgeber: Johann Jacob Weber
Auflage:
Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[1]

Was wir wollen

ist in der That beinahe leichter in Ausführung zu bringen, als in klarer und anschaulicher Weise mit Worten darzulegen, und dies nicht zuletzt aus dem Grunde, weil eine vollständige Entwickelung unserer Aufgabe nur zu leicht den Verdacht erregen könnte, als ob wir mehr versprächen, als wir zu halten beabsichtigen und im Stande sein werden. Inzwischen ist weder das Eine noch das Andere der Fall; um aber auch den Schein der Ruhmredigkeit von uns entfernt zu halten, wollen wir ganz einfach die Hauptgesichtspunkte angeben, von welchen wir bei Gründung dieses Unternehmens ausgegangen sind und hernach uns eine Probezeit von einigen Monaten erbitten, weil es unmöglich ist, unsern Plan binnen wenigen Wochen nach allen Seiten hin zu entwickeln.

Es ist für Niemanden mehr ein Geheimniß, daß die Holzschneidekunst, schon vor Jahrhunderten der beliebteste Schmuck der Bücher und vor wenigen Jahren zu gleichem Zwecke von der Typographie wieder aufgenommen, eine Stufe der Vollendung erreicht hat, welche auch den höchsten Ansprüchen eines ausgebildeten Kunstsinnes entspricht. Es liegen in England und Frankreich unzählige mit Holzschnitten verzierte Werke vor, welche die Wahrheit dieser Angabe verbürgen, und Deutschland ist in keiner Beziehung hinter seinen Vorgängern zurückgeblieben. Keine von allen zeichnenden Künsten ist der Typographie so nahe verwandt, keine übertrifft den gelungenen Holzschnitt an Ausdruck und vielseitiger Anwendbarkeit. Sie ist von kleinen Anfängen zu hoher Vollendung fortgeschritten. Zuerst wagte sich dieselbe nur an einige vereinzelte Werke, beschritt hierauf das Feld der Naturgeschichte und der Technik, stahl sich dann mehr und mehr in die gesammte Literatur ein und ergriff Besitz von den Werken für Schule und Haus. Plötzlich warf sie sich auf die Erzeugnisse der Poesie und rang an Tiefe der Erfindung und an Kühnheit der Ausführung mit den erhabensten Genien um den Preis; die Dichter schienen uns neu zu sein, als sie im Gewande dieser Kunst vor uns traten. Von der Muse wendete sie sich den ärmsten Hütten zu und war bemüht, nützlichen Kenntnissen, wenn auch in rohen Formen, Eingang zu verschaffen; dies erste Erscheinen der Pfennig-, Sonntags- und National-Magazine ist noch in frischer Erinnerung. Zuletzt vermählte sie sich dem Witze und der Satyre, nur noch darauf bedacht, sich Beifall zu erwerben.

Diese Bewährung einer guten Sache nun gibt uns den Muth, die innige Verbindung des Holzschnittes mit der Druckpresse zu benutzen, um die Tagesgeschichte selbst mit bildlichen Erläuterungen zu begleiten und durch eine Verschmelzung von Bild und Wort eine Anschaulichkeit der Gegenwart hervorzurufen, von der wir hoffen, daß sie das Interesse an derselben erhöhen, das Verständniß erleichtern und die Rückerinnerung um vieles reicher und angenehmer machen wird.

Was immer sich in der ganzen bekannten Welt ereignet, von den Großthaten der Fürsten an bis zu dem Ergebniß verborgenster Forschung, wenn es nur ein allgemeines Interesse darbietet, gedenken wir unsern Lesern in wöchentlichen Berichten vorzulegen, und was von diesen Mittheilungen der bildlichen Darstellung zu genauerem Verständniß oder lebendigerem Eindruck bedarf, in möglichst treuen und sorgsam ausgeführten Holzschnitten ihnen vor Augen zu bringen. Während wir aber dort uns vorzugsweise an Thatsachen und an die wirklichen Fortschritte der Menschheit halten und in ihnen gewissermaßen den nährenden Kern der Tagesgeschichte in gedrängtester Darstellung zu geben gedenken, sollen hier Kunst und Wissenschaft aufgeboten werden, um den Gehalt des Kernes nach allen Seitenästen zu, offen zu legen.

Niemand stellt in Abrede, wie oft die klarste Beschreibung von Oertlichkeiten ein Dunkel läßt, welches ein Blick auf Grundriß oder Karte verscheucht, so daß mit dieser Hülfe zehn Worte nicht selten größeres Licht geben, als sonst zehn Seiten. Wer hat wol ohne theure und seltne Karten die Schlangenwindungen des Cantonflusses, die verschiedenen Befestigungen an demselben, die Lage von Tschinkiang und Nanking so deutlich vor Augen gehabt, um von den höchst interessanten Begebenheiten des letzten chinesischen Kriegs sich ein vollkommen klares Bild machen zu können? Wie Wenigen sind Karten von Afghanistan zugänglich gewesen, wie selten sind dieselben vom Kaukasus und wer hat sich vom Englisch-Amerikanischen Grenzstreit eine richtige Vorstellung machen können, der nicht zufällig einen Blick auf die Franklin’sche Karte geworfen hat? Und gleiche Vortheile überall bietet den Lesern unserer Zeitung für die Zukunft die eine Art von Illustrationen durch Karten, Pläne und Ansichten dar. Eine nicht geringere Ausbeute versprechen aber die Portraits der auf der Schaubühne der Welt mithandelnden Personen, von deren Stirnen oft die wahre Herzensmeinung weit sichrer als von dem einschmeichelnden Worte gelesen wird. Was thut nicht bei Begebenheiten von tragischem Charakter die bildliche Darstellung, und wen sollte es nicht interessiren, wenn er von dem Morde des Sirey und von dem Proceß von Caumartin liest, den Ort des Verbrechens und selbst den Grundriß der Wohnung, in welcher sich das Entsetzliche zutrug, vor Augen zu haben? Wer nimmt jetzt nicht Theil an der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens und wie Wenige sind doch verhältnißmäßig in der Lage gewesen, solchen Verhandlungen an Ort und Stelle beiwohnen zu können; wie viel muß es daher zur Verständigung beitragen, ein öffentliches Gericht in voller Sitzung, und den Angeklagten mit seinen Richtern im Bilde vor sich zu haben? Und in ähnlicher Weise erstreckt sich der Werth der bildlichen Darstellung auf alle Lebenskreise, auf Menschen und Thiere, auf Stadt und Land, auf Berg und Thal, auf Künste und Wissenschaften. Die Länder- und Völkerkunde, die Sittenschilderungen, für das Verständniß des Lebens von höchster Bedeutung, entbehren ohne Bilder der Hälfte ihres Reizes, und Städte, Bauwerke und Denkmale, die schon längst die öffentliche Aufmerksamkeit in ungewöhnlichen Anspruch nahmen, erhalten nur durch bildliche Darstellung die volle Bedeutung in der Gegenwart des Bewußtseins, die ihnen gebührt. Oder wird es nicht Hunderte und Tausende geben, die Lessing’s Huß, die Biefve’s Carl V. nicht haben sehen können, und die es uns nun Dank wissen werden, wenn wir ihnen von dem, was das Tagesgespräch bildet, an dem sie nicht Theil nehmen können, weil sie die Originale nicht gesehen haben, durch einen tüchtigen Holzschnitt mindestens einen bleibenden Eindruck verschaffen; entbehren sie auch die Pracht der Farben, der Geist des Bildes wird ihnen doch näher gebracht, sie erhalten die Seele desselben und die unbestimmten Ideen nehmen die Gestalt der Wahrheit an; sie mögen es kennen und lieben lernen.

Was aber von Gemälden, gilt in noch weit höherem Grade von öffentlichen Festen und Aufzügen, von Theaterscenen, von Trachten und Decorationen, die dem Verstande nie durch Beschreibung, wol aber auf den ersten Blick durch ein treues Bild nahe gebracht werden; und wenn es vielleicht noch vor einem Jahrzehend ein thörichtes Unterfangen gewesen sein würde, ein Unternehmen, wie das unsrige, fußend auf die Theilnahme Deutschlands an den Zuständen in England, Frankreich und Amerika zu begründen, so hat der inmittelst in nicht zu berechnendem Maße gestiegene persönliche Verkehr sowol, als die politische Nothwendigkeit, unsere Blicke vom Inlande ab in das Ausland zu richten, verbunden mit den Segnungen eines langen Friedens so vielfache und innige Beziehungen hervorgerufen, daß wir überzeugt sind, daß unsere Mittheilungen von dort in Deutschland eben so willkommen sein werden, wie unsere Mittheilungen von hier dort, als die Veranlassung zu einem neuen und innigern Austausch der geistigen Lebenserrungenschaft der drei eng verbundenen Völker, in der That willkommen geheißen worden sind.

Allein wir beabsichtigen, nicht blos für Belehrung, sondern auch für eine angenehme Unterhaltung unserer Leser [2] in gleich umfassender Weise Sorge zu tragen und außer dem, was Theater und Malerei darbietet, geben wir namentlich auch Compositionen, vorzugsweise von Volksliedern und solchen Tonwerken, deren allgemeines Ansprechen mit einiger Sicherheit wir hoffen. Es darf aber auch in einem Blatte, welches für die Bedürfnisse der großen Mehrzahl der Gebildeten berechnet ist, die Berücksichtigung derer nicht fehlen, welche in ihren Ansprüchen wie in ihrem Sein das Schöne vertreten: der Frauen, und wir werden für sie sorgen durch eine Auswahl der besten illustrirten Romane und Erzählungen aus der Heimath und der Fremde, sowie durch einen Modebericht, dem die neuesten und elegantesten Zeichnungen beigegeben sind, die sinnvollen Frauen um so mehr zu Statten kommen werden, da sie nur Schnitt und Form geben, die Wahl der Farben, die höchste Aufgabe des wahren Geschmackes, dem eignen Schönheitssinn überlassend.

Aber auch die fröhliche Jugend, die, noch im Vollgefühle der Kraft und von keinem Vorurtheil befangen, im unbestrittenen Besitze des Ideals, das offenste Auge und die unbefangenste Stimmung für die Schwächen der menschlichen Gesellschaft hat, soll nicht leer ausgehen und wir werden durch eine reichliche Auswahl treffender Caricaturen, Wortspiele, Räthsel, Charaden, Spiele und Schachaufgaben für ihre Unterhaltung in einer Weise besorgt sein, die den Geist anregt und fördert und nicht wie so viele Gegenstände der Unterhaltung, die derselben hier und dort geboten werden, Herz und Kopf vergiftet. Die Jugend soll vor allen Dingen unbefangen, lebensmuthig und fröhlich sein; wir hassen diese jungen Greise, die jetzt in den Straßen herumschleichen und was wir dazu beitragen können, sie wieder lachen zu machen und wäre es über sich selbst, das soll redlich geschehen.

So wollen wir versuchen, dem ernsten Manne, der sinnigen Frau und der kräftig aufwachsenden Jugend in unsern Spalten gleiche Genüge zu thun und Niemand glaube, daß wir die Wichtigkeit unserer Aufgabe verkennen, oder die Schwierigkeit derselben zu gering anschlagen.

Je mehr wir uns zu bescheiden haben, daß wir allen übrigen Zeitungen in Bezug auf die Neuheit unserer politischen Mittheilungen nachstehen müssen, desto aufrichtiger werden wir uns bestreben, unsern Lesern einen eben so vollständigen als treuen Ueberblick der Tagesereignisse zu gewähren und die Politik selbst von dem höchsten menschlichen Standpunkte aus aufzufassen und zu behandeln. Frei von jedem selbstsüchtigen Zweck werden wir sorgsam bemüht sein, jede einseitige Darstellung zu vermeiden, an Alles, was geschieht, den alleinigen Maßstab des Rechtes und der Wahrheit zu legen und, soviel an uns ist, dafür zu thun, daß dieselben in jedem Staate und in jedem Verhältniß zur endlichen unbestrittenen Herrschaft gelangen. Wir werden mit den Maßregeln, nicht mit den Menschen zu thun haben, es wäre denn, daß tüchtige Männer die Vertreter tüchtiger Maßregeln sind, und wir werden dann wieder nicht fragen, welchem Range und welchem Stande der Mann angehört, wir werden dem Manne aus dem Volk, wie dem Manne auf dem Throne, dem Organe der Regierung, wie dem Erwählten der Nation gleiche Gerechtigkeit widerfahren lassen. Und wie wir es für unsere Pflicht halten werden, dem Armen gegen den Reichen, dem Unterdrückten gegen den Zwingherrn unsern schwachen Beistand zu gewähren, so werden wir auch kein Bedenken tragen, das Gute, das von oben gewollt wird, gegen Vorurtheile und Abneigungen in Schutz zu nehmen und richtige Ansichten bis in die untersten Classen des Volkes zu verbreiten, eine Mühe, auf welche wir um so größeres Gewicht legen, da wir hoffen dürfen, Eintritt in den Palast zu finden und doch gleichzeitig die Thür der ärmsten Hüttenbewohner uns geöffnet zu sehen.

Und von gleich ernstem Standpunkte fassen wir unsere Aufgabe in Beziehung auf die unterhaltenden Gaben dieser Blätter. Wenn wir vorhin die Frauen die Hüterinnen der Sitte und die Pflegerinnen des Schönen nannten, so wollen wir gewiß nichts dazu beitragen, die edle Röthe der Schaam von ihren Wangen zu vertreiben und sie einzuweihen in die Mysterien eines verworfenen Lebens, wie wenig wir uns auch verbergen, daß für ihre Entartung nur zu viel bereits geschehen ist und daß es nicht an unsern Dichtern liegt, wenn wir noch keine neue Messaline die letzten Schleier weiblicher Zurückhaltung haben zerreißen sehen. Wir wollen unsere Frauen unterrichtet, aber nicht gelehrt; tief fühlend, aber nicht empfindsam; ihrer Würde bewußt, aber nicht sich ihrer Stellung überhebend; und vor allen Dingen wollen wir dieselben keusch und züchtig und es wird unsere angelegentlichste Sorge sein, von unsern Spalten Alles fern zu halten, was auch nur der Kleinsten Einer zum Aergerniß gereichen könnte.

Und haben wir schon oben ausgesprochen, was wir unserer Jugend wünschen, so haben wir auch bereits dargelegt, was wir derselben bieten: eine unverdorbene, kräftige und gesunde Nahrung für Geist und Herz; Erweiterung des Blickes über die engen Grenzen des Vaterlandes und dabei ein helles Licht für die heimathlichen Zustände; Ermunterung zur fröhlichen Thatenlust und dabei Festhaltung des rechten Zieles; einen Tummelplatz für die volle Jugendkraft und dabei die sichere Wahrung des rechten Maßes. Das jugendliche Deutschland soll unser Streitgenoß sein für Alles, was gut und rein und menschlich und weise und gerecht ist; es soll mit uns kämpfen für den Frieden im Lande, für eine gerechte Regierung und für eine menschliche Rücksichtnahme auf die gedrückten Classen des Volkes, und es soll von uns lernen, wie das Streben nach Freiheit und Gleichheit sich vereinigen läßt mit der Achtung gegen die Regeln des Anstandes und der Sitte und mit den Ansprüchen, welche die Gesellschaft an uns zu machen berechtigt ist, und wie die öffentliche Wohlfahrt an Ordnung und Recht die sichersten Grundlagen hat.

Fassen wir daher das Gesagte noch einmal zusammen, so wollen wir den Männern die gründlichste Belehrung, den Frauen die angenehmste Unterhaltung und der Jugend die kräftigste Anregung zu einem reichen und thatkräftigen Leben bieten; wir möchten ein Buch sein, welches in keiner Familie fehlt und welches jedem Gliede die willkommensten Mittheilungen bringt; welches in der größten Stadt und in dem abgelegensten Dorfe seine Freunde hat, und welches Niemand aus der Hand legt, ohne etwas darin gefunden zu haben, was ihm neu oder nützlich oder angenehm war. Und so segne Gott unser Vorhaben, welches nur dann vollständig gelingen kann, wenn es den allgemeinsten Anklang findet.