Wat seggst Du aber nu, Höltje?

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: S.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 768
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[768] „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ Daß böse Gesellschaften gute Sitten verderben, haben wir schon in den Kinderschuhen lernen müssen. Daß dieser Spruch aber nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Thiere Anwendung findet, das ist eine tragikomische Wahrheit, die zu beobachten nicht Jeder Gelegenheit haben mag. In diesem Sinne halte ich eine kleine wahre Begebenheit, die ich aus meinem Tagebuche entnehme, werth, gegartenlaubt zu werden.

Auf meinem Lieblingsspaziergange um W. im Braunschweigischen pflegte ich meinen Weg durch die Gemüsegärten der „kleinen Leute“ zu nehmen, deren Schaffen und Treiben mein Ohr und Auge oft genug ergötzte. Die bekannteste Person in diesem ganzen Bezirke wurde mir bald die Ehefrau Höltje. Fünf Minuten weit hörte ich oft ihre Stimme, und die Vögel des Himmels, der Haushund und der liebende Gatte suchten in der Flucht ihr Heil, wenn der beredte Zungenschlag der Frau Höltje ihrem gerechten oder ungerechten Zorne Ausdruck lieh. Die Wirkung jeder solchen Expectoration, deren Zielscheibe natürlich stets der Gemahl war, wurde in drastischer Weise noch dadurch verstärkt, daß Frau Höltje die Fäuste in die Seite stemmte und dann mit der triumphirenden Strophe schloß: „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ Höltje schwieg; was sollte er auch dazu sagen. – Herr Jacob, ein zahmer Kolkrabe im Hause Höltje, dem man das Fliegen benommen hatte, sollte eines Tages die Veranlassung zu einer neuen Katastrophe geben. Man hatte vergessen, die Thür seines hölzernen Käfigs festzuheften, und der schwarze Einsiedler flatterte aus seiner Clause in den engen Hühnerhof herab; ich kam gerade hinzu, als er einem der eierlegenden Bewohner mit seinem kolossalen Schnabel den letzten Gnadenstoß versetzte. Auf meinen Ruf eilte das Ehepaar Höltje von der Arbeit herbei, doch zu spät; der Rabe hatte das Huhn getödet. Frau Höltje in höchster Erregtheit stemmte die Arme in die Seite, holte tief Athem und wollte eben ihr Scheltregister recapituliren, als plötzlich der Rabe ihr diese Mühe abnahm. Um das noch zuckende Huhn im Kreise herumhüpfend, kauderwälschte er mit tiefer schnarrender Stimme: „Wat seggst Du aber nu, Höltje?“ Der Zorn der Frau Höltje kehrte sich um in Verwunderung; sie wiederholte mechanisch: „Wat seggst Du aber nu, Höltje? Ne, det kluge Gethier!“ – Mir liefen vor Lachen die hellen Thränen in den Bart.
S.