Weihnachten (Rud Lavant)
[1841]
Weihnachten.
Als ich ein ahnungsloses Kind noch war ―
Wie preßt’ ich da die Wangen an die Scheiben,
Sah ich die ersten grauen Flocken treiben
Im Zug der Luft ― wie ward mir wunderbar!
Besteckt mit brennenden, mit lichten Kerzen,
den nadelduft’gen, grünen Tannenbaum ―
Und „Weihnacht!“ jauchzte es im kleinen Herzen.
Ich sah im Geiste all den bunten Tand,
Halb aufgebaut und halb im Moos verborgen,
An meines Christbaums Fuß ich fiebernd fand;
Und in ein Traumnetz hat der Kerzen Schein
Das Kinderherz im Voraus eingesponnen;
Und freute still mich, daß ein Tag verronnen.
Der schöne Traum verwehte und zerrann
Und keine Macht der Welt kann ihn erneuern;
Ich hörte auf, mich wie ein Kind zu freuen
Ich ward verstrickt in der Gedanken Streit
Und wenn sich doch das Herz verstohlen sonnte
In einem warmen Strahl zur Weihnachtszeit,
So war es nur, weil ich bescheeren konnte.
Hab’ ich erprobt in winterlichen Tagen;
Ich ließ die Kinder rathen, forschen, fragen
Und nur ein Räthsel mehr war der Bescheid.
Oft war der Kopf, oft war das Herz mir schwer
Und dennoch trug ich wochenlang vorher
Fürs kleine Volk den bunten Tand zusammen.
Nun ist auch das verklungen und verweht,
Nun ist auch dieses Schattenglück vorüber!
Wenn diesem Fest die Welt entgegengeht.
Ich muß ― so will’s ein zwingendes Gebot ―
Das Loos der Aermsten mitleidvoll ergründen,
Die ewig ringen mit der fahlen Noth
Wann wird erlöst von der verhaßten Frohn
Das arme Volk, das stumm sich müht auf Erden?
Wann wird ein Christbaum ihm errichtet werden,
Das jetzt sich quält um einen Hungerlohn?
Wann wird, wenn hell die Weihnachtsglocken hallen,
Auf Erden Friede, tiefer Friede sein
Und allen Athmenden ein Wohlgefallen?
R.L.