Weihnachten auf dem Posten
[848] Weihnachten auf dem Posten. (Mit Illustration S. 841.)
„Steh’ ich in finstrer Mitternacht
So einsam auf der stillen Wacht,
Dann denk’ ich an mein fernes Lieb,
Ob mir’s auch treu und hold verblieb,“
hat der Soldat auf dem hübschen Bilde von Rob. Haug wohl doppelt Ursache vor sich hinzusummen, wenn er am Weihnachtsabend – wie der Christbaum hinter dem Fenster beweist – gerade vor dem Hause zu schildern hat, in welchem seine Herzallerliebste „dient“. Wird sie sein „fernes“ Lieb bleiben oder ihm wieder „treu und hold“, wie so oft schon, erscheinen als Spenderin „einiger Brosamen von des Herrn Tische“? Schon steigen leise Zweifel in seiner hoffenden Seele auf, da – klingt’s wie Schritte – sie ist’s: die Geliebte naht mit einem heute absonderlich umfangreichen Paket in der Hand. Lüstern ist er schon zur Empfangnahme desselben bereit, da – klingt es nochmals wie Schritte, diesmal die Straße herab, und – urplötzlich muß er der Frage gedenken, die noch heute Morgen sein Unterofficier in der Instructionsstunde an ihn richtete:
„Was darf der Soldat auf Posten nie nicht?“
„Rauchen, – sich in Gespräche einlassen, – Geschenke annehmen,“ lautete die Antwort.
Und jetzt? Jetzt war er im Begriff, gegen diese Vorschrift der grauen Theorie zu sündigen! Wehe, wenn er in flagranti ertappt würde, wenn es ein Officier war, der die Straße herabkam!
Doch er hat sich umsonst geängstet: die Schritte verhallen. Etwas beruhigter streckt er die Hand aus und nimmt die „fromme Liebesgabe“ in Empfang. Mehr aber, namentlich sich in ein Gespräch mit der geliebten Spenderin einzulassen, wagt er nicht. Ein flüchtiges „danke!“ flüstert er ihr zu, dann schildert er weiter und
„Schnell war ihre Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abschied nahm.“