Werther’s „Wahlheim“ eine Brandstätte

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Autor: unbekannt
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Titel: Werther’s „Wahlheim“ eine Brandstätte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 728
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Spendenaufruf nach dem Großbrand 1866
Blätter und Blüthen
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[728] Werther’s „Wahlheim“ eine Brandstätte. Wer hätte nicht in den heißen Tagen seiner jugendlichen Gefühlsstürme einmal mit geschwärmt mit Goethe’s Werther und ihn in „sein liebes Thal“ begleitet, nach seinem „Wahlheim“, wo er sein höchstes Glück fand, an dessen Ende die gefährlichste aller Verherrlichungen des Selbstmords einst die junge Welt erschütterte? Jedermann weiß, daß Goethe mit dem Namen „Wahlheim“ das Dorf Garbenheim bezeichnete, wo nicht blos er, sondern Tausende unvergeßliche Freudenstunden der Familie und der Freundschaft genossen, die nach ihm in der alten Reichskammergerichtsstadt wohnten. Nur eine halbe Stunde von Wetzlar entfernt, war dieser durch unsern größten Dichter mit poetischer Weihe beschenkte Ort eine von den Verehrern deutscher Geistesherrlichkeit vielbesuchte Stätte.

Und heute liegt dort Alles, was einst Goethe’s Auge und Herz so oft erhoben und erfreut hatte, in Schutt und Asche, das freundliche Garbenheim ist am 17. October ein Raub der Flammen geworden. Selbst die Kirche streckt nur noch ihr hohles Gemäuer zum Himmel, und auch das Haus, in welchem einst Goethe alle Lust und alles Leid seines Werther gelebt, ist verschwunden.

Härter aber, als die Goetheverehrer, trifft die armen Nachkommen Derer, in deren Mitte der aufblühende Dichter sich einst so wohl und heimisch gefühlt, die Folge des verheerenden Brandes. Die Gemeinde war vom jüngsten Kriege schwer heimgesucht worden und trug auch noch für die Pflege von Kranken und Verwundeten nicht unbedeutende Lasten; da, als kaum der heimgebrachte Erntesegen den Lebensmuth erneut und die Sorgen vor der nächsten Zukunft gemildert, – bricht über fast hundert Familien auf einmal der Jammer gänzlicher Verarmung herein, stehen Mann und Weib, Greis und Kind obdachlos hart vor dem offenen Thore des Winters!

Das gute deutsche Herz hat im Wohlthun viel geleistet in diesem Jahr, aber sicherlich noch nicht so viel, daß es sich für erschöpft erklärt vor diesem neuen Hülferuf. Wer’s kann, der sammle an seinem Ort und sende die Gaben, die auch in Nahrungsmitteln und Kleidungsstücken bestehen dürfen, an den Herrn Bürgermeister Waldschmidt in Wetzlar.