Wie ist das preußische Volkslied „Heil dir im Siegerkranz“ entstanden?

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Autor: K. Ludwig
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Titel: Wie ist das preußische Volkslied „Heil dir im Siegerkranz“ entstanden?
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 435
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
siehe auch Noch einmal „Heil dir im Siegerkranz!“
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[435] Wie ist das preußische Volkslied „Heil Dir im Siegerkranz“ entstanden? Es werden wohl schon manchem Leser dieses Blattes die widersprechenden Angaben über den Verfasser des Liedes „Heil Dir im Siegerkranz“ aufgefallen sein. Allerdings hätte schon längst alles Schwanken in dieser Beziehung aufhören sollen, da Hoffmann von Fallersleben bereits vor mehr denn zwanzig Jahren in seinem Buche „Unsere volksthümlichen Lieder“ das Richtige auseinandergesetzt hat. Trotzdem aber Hoffmann’s Buch schon drei Auflagen erlebt hat, so findet man doch immer noch bald B. G. Schumacher, bald H. Harries als Verfasser genannt. Unter diesen Umständen muß man ein kleines, vor kurzem erschienenes Schriftchen mit Freuden begrüßen. Es führt den Titel: „Veranschaulichung der Entstehung des preußischen Volksliedes ‚Heil Dir im Siegerkranz‘ von Dr. Ochmann. Berlin, Weidmann’sche Buchhandlung 1878.“ Der Verfasser, welcher lange, bevor Hoffmann’s Buch erschien, zu demselben Ergebniß gekommen, wie dieser, giebt folgende interessante Aufschlüsse.

Das „Flensburgische Wochenblatt“ vom 27. Januar 1790 brachte auf seinen ersten drei Seiten ein „Lied für den dänschen Unterthan, an seines Königs Geburtstag zu singen, in der Melodie des englischen Volksliedes: ‚God save great George the King‘“. Dr. Ochmann, dem es nach langen Bemühungen endlich gelungen ist, ein Exemplar der Nummer zu bekommen, giebt eine möglichst getreue Nachbildung der drei Seiten. Das Lied fängt so an:

„Heil Dir, dem liebenden
Herrscher des Vaterlands!
     Heil, Christian, Dir!
Fühl’ in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz,
Vater des Volks zu seyn!
     Heil, Christian, Dir!“

Es besteht aus acht Strophen, von denen indessen die achte nur eine wörtliche Wiederholung der ersten ist. Der König, dem zu Ehren es gedichtet worden, war Christian der Siebente von Dänemark, dessen Geburtstag auf den 29. Januar fiel. Das Gedicht ist „*s“ unterzeichnet: es ist dies die Abkürzung für Heinrich Harries, der, den 9. September 1762 zu Flensburg geboren, am 28. September 1802 als Prediger in Brügge bei Kiel starb. Eine Sammlung seiner Gedichte gab nach seinem Tode sein Freund Holst im Jahre 1804 zu Altona in zwei Theilen heraus. Das uns hier beschäftigende Lied steht auf S. 158 ff. des zweiten Theiles mit äußerst geringen Abweichungen von dem Druck im Wochenblatt und mit der folgenden Anmerkung: „Dieses Lied ist nach Preußen gekommen und dort mit einigen Abänderungen gesungen worden.“

Die Verpflanzung nach Preußen geschah in den „Berlinischen Nachrichten“ (der „Spener’schen Zeitung“) vom 17. December 1793. Hier ist ein „Berliner Volksgesang. God save the King!“ in fünf Strophen abgedruckt, deren erste so lautet:

„Heil Dir im Siegerkranz,
Herrscher des Vaterlands!
     Heil, König, Dir!
Fühl’ in des Thrones Glanz
Die hohe Wonne ganz:
Liebling des Volks zu seyn!
     Heil, Herrscher, Dir!“

Die bei der Verpflanzung vorgenommenen Aenderungen sind ziemlich unbedeutend: die wichtigsten bestehen in der Weglassung der auf die fünfte folgenden Strophen und darin, daß die drei ersten Verse der vierten und fünften Strophe gegenseitig ihre Stellen vertauscht haben.

Unterzeichnet war dieser Volksgesang „Sr.“ Unter diesem „Sr.“ ist Balthasar Gerhard Schumacher, Doctor der Rechte, Senior der Vicarien im hochwürdigen Hochstift der freien Reichsstadt Lübeck (geboren 1755 zu Kiel), versteckt. Dies geht unzweideutig hervor aus einer 1801 zu Berlin erschienenen Schrift: „God save the King! Ritual eines Preußischen Volks-Festes“ etc. „von Sr., Dr. d. R.“, für welche Anfangsbuchstaben die Widmung der Schrift vom 6. Mai 1801 den ebengenannten vollen Namen und Titel giebt. Schumacher erklärt selbst, daß er vor sieben Jahren „Heil Dir im Siegerkranz, Vater des Vaterlands“ etc. in Berlin eingebürgert habe. Er theilt dann eine Umarbeitung des Liedes mit, die indessen nicht viel Anklang gefunden zu haben scheint: man sang und singt das Lied bis heute im Wesentlichen in der Gestalt, in welcher es im Jahre 1793 in der „Spener’schen Zeitung“ erschien.

Es ist aber Schumacher in der erwähnten Schrift etwas höchst Sonderbares begegnet. Er hat nämlich ganz und gar vergessen, daß sein „Heil Dir im Siegerkranz“ auf dem „Lied für den dänschen Unterthan“ von Harries (dessen Name ihm übrigens nicht bekannt gewesen zu sein braucht) beruhe, und giebt es für eine freie Uebersetzung des englischen Volksliedes "God save the King" aus. Wir stehen da geradezu vor einem psychologischen Räthsel.

Nach alledem aber ist es klar, daß weder Harries noch Schumacher als Verfasser von „Heil Dir im Siegerkranz“ gelten kann, sondern daß man sagen muß, daß Harries’ „Lied für den dänschen Unterthan“ in der Bearbeitung von Schumacher zum preußischen Volksliede geworden sei.

K. Ludwig.