Wiederfinden
Ist es möglich? Stern der Sterne,
Drück’ ich wieder dich ans Herz!
Ach! was ist die Nacht der Ferne
Für ein Abgrund, für ein Schmerz.
Süßer, lieber Widerpart;
Eingedenk vergangner Leiden
Schaudr’ ich vor der Gegenwart.
Als die Welt im tiefsten Grunde
Ordnet’ er die erste Stunde
Mit erhabner Schöpfungslust,
Und er sprach das Wort: Es werde!
Da erklang ein schmerzlich Ach!
In die Wirklichkeiten brach.
Auf that sich das Licht! sich trennte
Scheu die Finsterniß von ihm,
Und sogleich die Elemente
Rasch, in wilden wüsten Träumen,
Jedes nach der Weite rang,
Starr, in ungemessnen Räumen,
Ohne Sehnsucht, ohne Klang.
Einsam Gott zum erstenmal!
Da erschuf er Morgenröthe,
Die erbarmte sich der Qual;
Sie entwickelte dem Trüben
Und nun konnte wieder lieben,
Was erst auseinander fiel.
Und mit eiligem Bestreben
Sucht sich, was sich angehört,
Ist Gefühl und Blick gekehrt.
Sey’s Ergreifen, sey es Raffen,
Wenn es nur sich fasst und hält!
Allah braucht nicht mehr zu schaffen,
So, mit morgenrothen Flügeln
Riß es mich an deinen Mund,
Und die Nacht mit tausend Siegeln
Kräftigt sternenhell den Bund.
Musterhaft in Freud und Qual,
Und ein zweytes Wort: Es werde!
Trennt uns nicht zum zweytenmal.
- ↑ *) Aus: „Der Divan, von Goethe,“ das so eben in der J. G. Cotta’schen Buchhandlung erschienen ist.